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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Innigkeit der Stimmung selbst eine gewisse Melodie hervorgebracht wird,
theilen wir aus den "legten Gaben" mit: ob die Parallele mit einem Krimi'
nalproceß die Lebendigfeit der Stimmung mehr fördert oder stört, wage"
wir nicht zu sagen.


An des Balkoncs Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich;
Hoch über mir gleich trübem Eiskrystalle
Zerschmvlzen schwamm des Firmamentes Halle;
Grauschimmernd lag der See mit leisem Stöhnen > . .
Es rieselte, es dämmerte um mich;
Du mildes Licht, ich wartete auf dich.
Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm.
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm,
Im Laube summte der Phciläncn Neigen,
Die Feuerfliege sah ich ziehn und steigen,
Und Blüthen taumelten wie halb entschlafen;
Mir war als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.
Die Schatten stiegen, drängten finster ein:
Wo weilst du, weilst du denn mein milder Schein?
Sie drangen ein wie sündige Gedanken;
Das Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Bcrzitternd loses der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne war zum Grund gesunken;
Nur Bcrgcshäuptcr stiegen hart empor.
Ein düstrer Nichtcrkrcis im Düster vor.
Es wisperten die Wipfel mir am Fuß
Wie Warnungsflüstcrn oder Todcsgrnß;
Ein Summen aus des Sees weitem Theile,
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben
Von todten Pfunden, von verträumten Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.
Da auf die Wasser sank ein Silbcrflor,
Und langsam stieg die Mvndesschcib' empor,
Der Alpen finstre Stirnen strich sie leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Blatte sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampc Schein.

Innigkeit der Stimmung selbst eine gewisse Melodie hervorgebracht wird,
theilen wir aus den „legten Gaben" mit: ob die Parallele mit einem Krimi'
nalproceß die Lebendigfeit der Stimmung mehr fördert oder stört, wage»
wir nicht zu sagen.


An des Balkoncs Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich;
Hoch über mir gleich trübem Eiskrystalle
Zerschmvlzen schwamm des Firmamentes Halle;
Grauschimmernd lag der See mit leisem Stöhnen > . .
Es rieselte, es dämmerte um mich;
Du mildes Licht, ich wartete auf dich.
Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm.
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm,
Im Laube summte der Phciläncn Neigen,
Die Feuerfliege sah ich ziehn und steigen,
Und Blüthen taumelten wie halb entschlafen;
Mir war als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.
Die Schatten stiegen, drängten finster ein:
Wo weilst du, weilst du denn mein milder Schein?
Sie drangen ein wie sündige Gedanken;
Das Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Bcrzitternd loses der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne war zum Grund gesunken;
Nur Bcrgcshäuptcr stiegen hart empor.
Ein düstrer Nichtcrkrcis im Düster vor.
Es wisperten die Wipfel mir am Fuß
Wie Warnungsflüstcrn oder Todcsgrnß;
Ein Summen aus des Sees weitem Theile,
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben
Von todten Pfunden, von verträumten Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.
Da auf die Wasser sank ein Silbcrflor,
Und langsam stieg die Mvndesschcib' empor,
Der Alpen finstre Stirnen strich sie leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Blatte sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampc Schein.

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[0458] Innigkeit der Stimmung selbst eine gewisse Melodie hervorgebracht wird, theilen wir aus den „legten Gaben" mit: ob die Parallele mit einem Krimi' nalproceß die Lebendigfeit der Stimmung mehr fördert oder stört, wage» wir nicht zu sagen. An des Balkoncs Gitter lehnte ich Und wartete, du mildes Licht, auf dich; Hoch über mir gleich trübem Eiskrystalle Zerschmvlzen schwamm des Firmamentes Halle; Grauschimmernd lag der See mit leisem Stöhnen > . . Es rieselte, es dämmerte um mich; Du mildes Licht, ich wartete auf dich. Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm. Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm, Im Laube summte der Phciläncn Neigen, Die Feuerfliege sah ich ziehn und steigen, Und Blüthen taumelten wie halb entschlafen; Mir war als treibe hier ein Herz zum Hafen, Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid Und Bildern seliger Vergangenheit. Die Schatten stiegen, drängten finster ein: Wo weilst du, weilst du denn mein milder Schein? Sie drangen ein wie sündige Gedanken; Das Firmamentes Woge schien zu schwanken, Bcrzitternd loses der Feuerfliege Funken, Längst die Phaläne war zum Grund gesunken; Nur Bcrgcshäuptcr stiegen hart empor. Ein düstrer Nichtcrkrcis im Düster vor. Es wisperten die Wipfel mir am Fuß Wie Warnungsflüstcrn oder Todcsgrnß; Ein Summen aus des Sees weitem Theile, Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale; Mir war, als müsse etwas Rechnung geben Von todten Pfunden, von verträumten Leben, Als stehe ein verkümmert Herz allein, Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein. Da auf die Wasser sank ein Silbcrflor, Und langsam stieg die Mvndesschcib' empor, Der Alpen finstre Stirnen strich sie leise, Und aus den Richtern wurden sanfte Greise; Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken, An jedem Blatte sah ich Tropfen blinken, Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein, Drin flimmerte der Heimatlampc Schein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/458>, abgerufen am 26.06.2024.