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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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dernen Künstlerwahn ab, der sich nur in Äußerlichkeiten gefällt und doku-
mentirt. Er erkenne, daß er den Gegenstand und das Material, in dem er
Arbeitet, adelt, daß hingegen kein Material der Welt, sei es so gering es
wolle, im Stande ist, den ihm innewohnenden Adel zu rauben. Er lerne früh
prüfen, ob er zu höheren Schöpfungen berufen, ist, ob er Künstler im höheren
und wahren Sinn sein kann. Hat er sich vom Gegentheil überzeugt, trete
er zeitig genug in die Reihen des Kunsthandwerks über, wo er Meister sein
kann, während er dort nur Pfuscher sein und bleiben wird.

Der Handwerker dagegen ringe nach oben und suche Künstler zu werden,
wenn er die Kraft dazu in sich spürt; nicht selten hat die Kunst aus dem
Handwerk rüstige Vertreter gewonnen. Das Genie braucht keine Negel; es
findet seinen Weg in allen Schichten der Bevölkerung. Es ringt sich hindurch!
und mögen die Zeiten wechseln, wie sie wollen, es wird Herr seiner Zeit.


W. W.


Der so lange angezweifelte europäische Kongreß tritt nun endlich doch in"
Leben. Was man freilich auf demselben vornehmen, welche Form der Einigung
man suchen wird, ob eine Abstimmung nach der Mehrheit der einzelnen dabei
betheiligten Staaten, oder was sonst, das alles liegt noch sehr im Dunkeln-
Indessen scheint die neuste Wendung der Dinge doch im Ganzen zu Gunsten der
Italiener zu fein. Seit dem definitiven Abschluß des Friedens von Zürich hat D
offenbar der Kaiser Napoleon den Engländern wieder genähert; und da diese die
unabhängige Constituirung Italiens nach den Wünschen der Bevölkerung immer
aufs lebhafteste befürwortet haben, so scheint es, daß auch der Kaiser von Frank¬
reich wenigstens keinen principiellen Widerstand leisten wird. Auch mit Picniont
scheint ein besseres Verhältniß eingetreten zu sein, und wenn König Victor Emanuel
durch die vorläufige Entfernung Garibaldis ein Opfer gebracht hat, so muß auch
diese Thatsache von zwei verschiedenen Seiten betrachtet werden. Vor einem halben
Jahr war alle Welt einig, der Politik des Königs Unrecht zu geben, wenigstens M
Deutschland; und als die Stimmung nach Abschluß des Waffenstillstands sich
mälig wandte, suchte, man dadurch an die alten Ideen anzuknüpfen, daß "in"
von der allgemeinen Verurtheilung der Italiener einen Einzelnen ausnahm, der
ohne alle egoistische Scitengcdanken es mit dem Vaterlande wohl meine, Garibaldl-
Auch wir halten große Stücke auf diesen Mann, wie auf jeden, der an c>in


dernen Künstlerwahn ab, der sich nur in Äußerlichkeiten gefällt und doku-
mentirt. Er erkenne, daß er den Gegenstand und das Material, in dem er
Arbeitet, adelt, daß hingegen kein Material der Welt, sei es so gering es
wolle, im Stande ist, den ihm innewohnenden Adel zu rauben. Er lerne früh
prüfen, ob er zu höheren Schöpfungen berufen, ist, ob er Künstler im höheren
und wahren Sinn sein kann. Hat er sich vom Gegentheil überzeugt, trete
er zeitig genug in die Reihen des Kunsthandwerks über, wo er Meister sein
kann, während er dort nur Pfuscher sein und bleiben wird.

Der Handwerker dagegen ringe nach oben und suche Künstler zu werden,
wenn er die Kraft dazu in sich spürt; nicht selten hat die Kunst aus dem
Handwerk rüstige Vertreter gewonnen. Das Genie braucht keine Negel; es
findet seinen Weg in allen Schichten der Bevölkerung. Es ringt sich hindurch!
und mögen die Zeiten wechseln, wie sie wollen, es wird Herr seiner Zeit.


W. W.


Der so lange angezweifelte europäische Kongreß tritt nun endlich doch in»
Leben. Was man freilich auf demselben vornehmen, welche Form der Einigung
man suchen wird, ob eine Abstimmung nach der Mehrheit der einzelnen dabei
betheiligten Staaten, oder was sonst, das alles liegt noch sehr im Dunkeln-
Indessen scheint die neuste Wendung der Dinge doch im Ganzen zu Gunsten der
Italiener zu fein. Seit dem definitiven Abschluß des Friedens von Zürich hat D
offenbar der Kaiser Napoleon den Engländern wieder genähert; und da diese die
unabhängige Constituirung Italiens nach den Wünschen der Bevölkerung immer
aufs lebhafteste befürwortet haben, so scheint es, daß auch der Kaiser von Frank¬
reich wenigstens keinen principiellen Widerstand leisten wird. Auch mit Picniont
scheint ein besseres Verhältniß eingetreten zu sein, und wenn König Victor Emanuel
durch die vorläufige Entfernung Garibaldis ein Opfer gebracht hat, so muß auch
diese Thatsache von zwei verschiedenen Seiten betrachtet werden. Vor einem halben
Jahr war alle Welt einig, der Politik des Königs Unrecht zu geben, wenigstens M
Deutschland; und als die Stimmung nach Abschluß des Waffenstillstands sich
mälig wandte, suchte, man dadurch an die alten Ideen anzuknüpfen, daß »in»
von der allgemeinen Verurtheilung der Italiener einen Einzelnen ausnahm, der
ohne alle egoistische Scitengcdanken es mit dem Vaterlande wohl meine, Garibaldl-
Auch wir halten große Stücke auf diesen Mann, wie auf jeden, der an c>in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/446>, abgerufen am 26.06.2024.