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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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der Renaissance und den kecken Bauten der Zopfzeit zu hüten haben, die jeder
nationalen Grundlage entbehren. Verlangt die Zeit keine Kirchenbauten von
ihm. so wende er alle Sorgfalt auf die Profanbauten, die jeder Zeit, wo
i°ne zu sinken begannen, die Oberhand gewonnen haben. Hoffentlich ist unser
Leben von einem wahrhaft kirchlichen Geist noch tief genug durchdrungen, um
diese Voraussetzung und Befürchtung zu Nichte zu machen! Ein Volk ohne
Gottesdienst geräth in Herrendienst.

Mit dem Stoff und dem Stil wird auch ein Wechsel in der Technik
Hand in Hand gehen. -- Wenn der Künstler, was wir wünschen, aufhört
blos für den Gebildeten, den speziellen Kunstfreund, zu arbeiten, wird er dar¬
nach ringen müssen, auch den kleineren Anforderungen des Volkes, das keine
Voraussetzungen kennt, und dein ungebildeten Auge Genüge zu leisten. Wo¬
nach sicht dieses Auge zunächst? Nach der Technik! Die größtmögliche
Annäherung an die Natur dünkt ihm. so falsch es ist, das Höchste in der
Kunst. Der Künstler hat kein Recht, ihm das. was es in Wahrheit ist.
das niedrigste derselben, zu versagen, wenn er das Höchste zu leisten sich
berufen fühlt. Am meisten wird dieser Anforderung der kleinere Künstler, der
s'es dem Genre, dem Fruchtstück, dem Stillleben, dem Portrait zuwendet, nach¬
zukommen haben. Wer in dem Kleinsten groß zu sein sich bemüht, wird am
weisem zu einem möglichst engen Anschluß an die Natur gedrängt werden,
wenn er auf Beifall. Erfolg und Abnahme Anwartschaft haben will.

Auch zu einer verhältnißmäßig billigeren Herstellung seiner Schöpfungen
wird sich der Künstler verstehen müssen. Das Ucbermalen und wieder Ueber¬
walen. d"K ohne dies selten zu mehr als akademischer Schulgerechtigkeit und
abstoßender Kälte führt, wird selbstverständlich möglichst zu vermeiden sein.
Schon von früh an wird der Künstler nach einer seiner Individualität ent¬
sprechenden Malweise zu streben haben, die sür das Aeußere nicht mehr Zeit
'n Anspruch nimmt, als sür den Gehalt, den Gedanken seiner Schöpfung er¬
forderlich ist. Die Derbheit und Kühnheit der Ausführung, in welche die
Niederländer um deßwillen geriethen. wird der deutsche Künstler in dieser
Hinsicht weniger zu fürchten haben, als die Verblasenheit und Weichlichkeit,
in welche die italienischen Schncllmaler verfielen.

Man sieht. Gefahr droht von allen Seiten bei den materiellen Anforde¬
rungen der Neuzeit, und der Künstler wird um so sorgsamer darauf zu achten
haben, ihr zu entgehen. Am sichersten wird es ihm gelingen, wenn er ihnen
'^der starrsinnig zu trotzen versucht, noch auch weichlich und ohne Besonnen¬
st sich ihnen hingibt. Bei dem Bildner wird die richtige Verwendung der
Schüler und bei dem Baumeister die reifliche Ueberlegung bei der Wahl des
Materials und der Localität zur Verringerung des Kostenpreiscs beitragen.

Am gefährlichsten dürste die herannahende Zeit den armseligen Naturen


der Renaissance und den kecken Bauten der Zopfzeit zu hüten haben, die jeder
nationalen Grundlage entbehren. Verlangt die Zeit keine Kirchenbauten von
ihm. so wende er alle Sorgfalt auf die Profanbauten, die jeder Zeit, wo
i°ne zu sinken begannen, die Oberhand gewonnen haben. Hoffentlich ist unser
Leben von einem wahrhaft kirchlichen Geist noch tief genug durchdrungen, um
diese Voraussetzung und Befürchtung zu Nichte zu machen! Ein Volk ohne
Gottesdienst geräth in Herrendienst.

Mit dem Stoff und dem Stil wird auch ein Wechsel in der Technik
Hand in Hand gehen. — Wenn der Künstler, was wir wünschen, aufhört
blos für den Gebildeten, den speziellen Kunstfreund, zu arbeiten, wird er dar¬
nach ringen müssen, auch den kleineren Anforderungen des Volkes, das keine
Voraussetzungen kennt, und dein ungebildeten Auge Genüge zu leisten. Wo¬
nach sicht dieses Auge zunächst? Nach der Technik! Die größtmögliche
Annäherung an die Natur dünkt ihm. so falsch es ist, das Höchste in der
Kunst. Der Künstler hat kein Recht, ihm das. was es in Wahrheit ist.
das niedrigste derselben, zu versagen, wenn er das Höchste zu leisten sich
berufen fühlt. Am meisten wird dieser Anforderung der kleinere Künstler, der
s'es dem Genre, dem Fruchtstück, dem Stillleben, dem Portrait zuwendet, nach¬
zukommen haben. Wer in dem Kleinsten groß zu sein sich bemüht, wird am
weisem zu einem möglichst engen Anschluß an die Natur gedrängt werden,
wenn er auf Beifall. Erfolg und Abnahme Anwartschaft haben will.

Auch zu einer verhältnißmäßig billigeren Herstellung seiner Schöpfungen
wird sich der Künstler verstehen müssen. Das Ucbermalen und wieder Ueber¬
walen. d«K ohne dies selten zu mehr als akademischer Schulgerechtigkeit und
abstoßender Kälte führt, wird selbstverständlich möglichst zu vermeiden sein.
Schon von früh an wird der Künstler nach einer seiner Individualität ent¬
sprechenden Malweise zu streben haben, die sür das Aeußere nicht mehr Zeit
'n Anspruch nimmt, als sür den Gehalt, den Gedanken seiner Schöpfung er¬
forderlich ist. Die Derbheit und Kühnheit der Ausführung, in welche die
Niederländer um deßwillen geriethen. wird der deutsche Künstler in dieser
Hinsicht weniger zu fürchten haben, als die Verblasenheit und Weichlichkeit,
in welche die italienischen Schncllmaler verfielen.

Man sieht. Gefahr droht von allen Seiten bei den materiellen Anforde¬
rungen der Neuzeit, und der Künstler wird um so sorgsamer darauf zu achten
haben, ihr zu entgehen. Am sichersten wird es ihm gelingen, wenn er ihnen
'^der starrsinnig zu trotzen versucht, noch auch weichlich und ohne Besonnen¬
st sich ihnen hingibt. Bei dem Bildner wird die richtige Verwendung der
Schüler und bei dem Baumeister die reifliche Ueberlegung bei der Wahl des
Materials und der Localität zur Verringerung des Kostenpreiscs beitragen.

Am gefährlichsten dürste die herannahende Zeit den armseligen Naturen


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[0443] der Renaissance und den kecken Bauten der Zopfzeit zu hüten haben, die jeder nationalen Grundlage entbehren. Verlangt die Zeit keine Kirchenbauten von ihm. so wende er alle Sorgfalt auf die Profanbauten, die jeder Zeit, wo i°ne zu sinken begannen, die Oberhand gewonnen haben. Hoffentlich ist unser Leben von einem wahrhaft kirchlichen Geist noch tief genug durchdrungen, um diese Voraussetzung und Befürchtung zu Nichte zu machen! Ein Volk ohne Gottesdienst geräth in Herrendienst. Mit dem Stoff und dem Stil wird auch ein Wechsel in der Technik Hand in Hand gehen. — Wenn der Künstler, was wir wünschen, aufhört blos für den Gebildeten, den speziellen Kunstfreund, zu arbeiten, wird er dar¬ nach ringen müssen, auch den kleineren Anforderungen des Volkes, das keine Voraussetzungen kennt, und dein ungebildeten Auge Genüge zu leisten. Wo¬ nach sicht dieses Auge zunächst? Nach der Technik! Die größtmögliche Annäherung an die Natur dünkt ihm. so falsch es ist, das Höchste in der Kunst. Der Künstler hat kein Recht, ihm das. was es in Wahrheit ist. das niedrigste derselben, zu versagen, wenn er das Höchste zu leisten sich berufen fühlt. Am meisten wird dieser Anforderung der kleinere Künstler, der s'es dem Genre, dem Fruchtstück, dem Stillleben, dem Portrait zuwendet, nach¬ zukommen haben. Wer in dem Kleinsten groß zu sein sich bemüht, wird am weisem zu einem möglichst engen Anschluß an die Natur gedrängt werden, wenn er auf Beifall. Erfolg und Abnahme Anwartschaft haben will. Auch zu einer verhältnißmäßig billigeren Herstellung seiner Schöpfungen wird sich der Künstler verstehen müssen. Das Ucbermalen und wieder Ueber¬ walen. d«K ohne dies selten zu mehr als akademischer Schulgerechtigkeit und abstoßender Kälte führt, wird selbstverständlich möglichst zu vermeiden sein. Schon von früh an wird der Künstler nach einer seiner Individualität ent¬ sprechenden Malweise zu streben haben, die sür das Aeußere nicht mehr Zeit 'n Anspruch nimmt, als sür den Gehalt, den Gedanken seiner Schöpfung er¬ forderlich ist. Die Derbheit und Kühnheit der Ausführung, in welche die Niederländer um deßwillen geriethen. wird der deutsche Künstler in dieser Hinsicht weniger zu fürchten haben, als die Verblasenheit und Weichlichkeit, in welche die italienischen Schncllmaler verfielen. Man sieht. Gefahr droht von allen Seiten bei den materiellen Anforde¬ rungen der Neuzeit, und der Künstler wird um so sorgsamer darauf zu achten haben, ihr zu entgehen. Am sichersten wird es ihm gelingen, wenn er ihnen '^der starrsinnig zu trotzen versucht, noch auch weichlich und ohne Besonnen¬ st sich ihnen hingibt. Bei dem Bildner wird die richtige Verwendung der Schüler und bei dem Baumeister die reifliche Ueberlegung bei der Wahl des Materials und der Localität zur Verringerung des Kostenpreiscs beitragen. Am gefährlichsten dürste die herannahende Zeit den armseligen Naturen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/443>, abgerufen am 26.06.2024.