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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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starrsinnige Gcdankensrömmclci und äußerliche Prüderie ausartete, Fehler, die
in den bis jetzt geschaffenen Werken der Kunst sich leicht nachweisen lassen.

Wer mag es leugnen, dieser Geist ist vorübergegangen, diese Zeit ab¬
gelaufen! Durch das Fege- und Läuterungsfcuer der vierziger Jahre sind wir.
ist unser Leben und unsre Kraft hindurchgegangen. Viele Schlacken haben sich
seitdem abgesondert, ein neuer Geist beseelt die Nation und theilweise auch
ihre Lenker. Will die Kunst nicht zurückbleiben, wird sie streben müssen, diesen
Geist in sich walten und gestalten zu lassen.

Versuchen wir diesem Geist, so weit es vor der Hand überhaupt möglich
ist, Worte zu leihen und ihm nachspürend in leichten Umrissen die Nahn
vorzuzeichnen. welche die Kunst in nächster Zeit etwa einzuschlagen haben
wird. Offenbar wird diese Umwandlung sich zunächst wieder in einer größern
Vorliebe für die deutsche Nationalität documentiren. Man wird vom Künstle
dringender als je die Behandlung vaterländischer Stoffe in der monumentalen
Kunst verlangen. Soll ihm die größere Aufgabe werden, muß er in der klei¬
neren selbstgewählten vorher darthun, was sich von ihm im Dienste der
Öffentlichkeit erwarten läßt.

Mag der Historienmaler daher häusiger, als es bisher leider der Fall
war, in das Gesammtgebiet deutscher Vorzeit hineingreifen oder seinen Bor-
wurs dem Geschichtsgebicte der neueren Staaten entlehnen, wozu sein
und die Verhältnisse ihn drängen mögen. Der Genremaler soll dem Leben
und Treiben in der Heimat nachgehen, statt dem Volk unverständliche Scenen
ferner Länder vorzuführen, die er selbst in sich nur nach den Werken Anders
reproducirt. Die klobigen Naturen niederländischer Kleinmalerei oder die bun¬
ten Flicken italienischer Lazaronis sind, beim rechten Lichte besehen, um kew
Haar malerischer als die Scenen des heimischen Heerdes. an denen unse>e
Künstler mit wenigen Ausnahmen stolz vorübergegangen sind.

Der Bildhauer wird vor allem der Portraitstatue seine Aufmerksamkeit ZU
widmen haben, weil sie am meisten geeignet sein wird, die Sympathie de
Mitwelt auf sich zu lenken und den Künstler in das Leben und die Eigen'
heilen seiner Umgebung einzuführen. Schwieriger wird in diesem Kunstzwe'g
die Aufgabe des Idealisten sein; jedenfalls wird er in seinem Gebiet wehr
erstreben müssen als eine bloße Wiedergeburt der Antike mit Haut und Haar-
Ich meine, des früh verstorbenen Schadows Werke dürften ihm den richtige"
Weg weisen.

Dem Maler und Bildhauer wird auch der Baumeister sich anzuschließe
haben. Die deutsche Baukunst wird man auch von ihm verlangen.
er nun den germanischen Rundbogenstil in Anwendung bringen oder dem i^'
thischen Spitzbogenstil, seiner unmittelbaren Fortsetzung, als dem vollendeten'
den Vorzug geben. Am meisten wird er sich vor dem willkürlichen Flictwer


starrsinnige Gcdankensrömmclci und äußerliche Prüderie ausartete, Fehler, die
in den bis jetzt geschaffenen Werken der Kunst sich leicht nachweisen lassen.

Wer mag es leugnen, dieser Geist ist vorübergegangen, diese Zeit ab¬
gelaufen! Durch das Fege- und Läuterungsfcuer der vierziger Jahre sind wir.
ist unser Leben und unsre Kraft hindurchgegangen. Viele Schlacken haben sich
seitdem abgesondert, ein neuer Geist beseelt die Nation und theilweise auch
ihre Lenker. Will die Kunst nicht zurückbleiben, wird sie streben müssen, diesen
Geist in sich walten und gestalten zu lassen.

Versuchen wir diesem Geist, so weit es vor der Hand überhaupt möglich
ist, Worte zu leihen und ihm nachspürend in leichten Umrissen die Nahn
vorzuzeichnen. welche die Kunst in nächster Zeit etwa einzuschlagen haben
wird. Offenbar wird diese Umwandlung sich zunächst wieder in einer größern
Vorliebe für die deutsche Nationalität documentiren. Man wird vom Künstle
dringender als je die Behandlung vaterländischer Stoffe in der monumentalen
Kunst verlangen. Soll ihm die größere Aufgabe werden, muß er in der klei¬
neren selbstgewählten vorher darthun, was sich von ihm im Dienste der
Öffentlichkeit erwarten läßt.

Mag der Historienmaler daher häusiger, als es bisher leider der Fall
war, in das Gesammtgebiet deutscher Vorzeit hineingreifen oder seinen Bor-
wurs dem Geschichtsgebicte der neueren Staaten entlehnen, wozu sein
und die Verhältnisse ihn drängen mögen. Der Genremaler soll dem Leben
und Treiben in der Heimat nachgehen, statt dem Volk unverständliche Scenen
ferner Länder vorzuführen, die er selbst in sich nur nach den Werken Anders
reproducirt. Die klobigen Naturen niederländischer Kleinmalerei oder die bun¬
ten Flicken italienischer Lazaronis sind, beim rechten Lichte besehen, um kew
Haar malerischer als die Scenen des heimischen Heerdes. an denen unse>e
Künstler mit wenigen Ausnahmen stolz vorübergegangen sind.

Der Bildhauer wird vor allem der Portraitstatue seine Aufmerksamkeit ZU
widmen haben, weil sie am meisten geeignet sein wird, die Sympathie de
Mitwelt auf sich zu lenken und den Künstler in das Leben und die Eigen'
heilen seiner Umgebung einzuführen. Schwieriger wird in diesem Kunstzwe'g
die Aufgabe des Idealisten sein; jedenfalls wird er in seinem Gebiet wehr
erstreben müssen als eine bloße Wiedergeburt der Antike mit Haut und Haar-
Ich meine, des früh verstorbenen Schadows Werke dürften ihm den richtige"
Weg weisen.

Dem Maler und Bildhauer wird auch der Baumeister sich anzuschließe
haben. Die deutsche Baukunst wird man auch von ihm verlangen.
er nun den germanischen Rundbogenstil in Anwendung bringen oder dem i^'
thischen Spitzbogenstil, seiner unmittelbaren Fortsetzung, als dem vollendeten'
den Vorzug geben. Am meisten wird er sich vor dem willkürlichen Flictwer


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[0442] starrsinnige Gcdankensrömmclci und äußerliche Prüderie ausartete, Fehler, die in den bis jetzt geschaffenen Werken der Kunst sich leicht nachweisen lassen. Wer mag es leugnen, dieser Geist ist vorübergegangen, diese Zeit ab¬ gelaufen! Durch das Fege- und Läuterungsfcuer der vierziger Jahre sind wir. ist unser Leben und unsre Kraft hindurchgegangen. Viele Schlacken haben sich seitdem abgesondert, ein neuer Geist beseelt die Nation und theilweise auch ihre Lenker. Will die Kunst nicht zurückbleiben, wird sie streben müssen, diesen Geist in sich walten und gestalten zu lassen. Versuchen wir diesem Geist, so weit es vor der Hand überhaupt möglich ist, Worte zu leihen und ihm nachspürend in leichten Umrissen die Nahn vorzuzeichnen. welche die Kunst in nächster Zeit etwa einzuschlagen haben wird. Offenbar wird diese Umwandlung sich zunächst wieder in einer größern Vorliebe für die deutsche Nationalität documentiren. Man wird vom Künstle dringender als je die Behandlung vaterländischer Stoffe in der monumentalen Kunst verlangen. Soll ihm die größere Aufgabe werden, muß er in der klei¬ neren selbstgewählten vorher darthun, was sich von ihm im Dienste der Öffentlichkeit erwarten läßt. Mag der Historienmaler daher häusiger, als es bisher leider der Fall war, in das Gesammtgebiet deutscher Vorzeit hineingreifen oder seinen Bor- wurs dem Geschichtsgebicte der neueren Staaten entlehnen, wozu sein und die Verhältnisse ihn drängen mögen. Der Genremaler soll dem Leben und Treiben in der Heimat nachgehen, statt dem Volk unverständliche Scenen ferner Länder vorzuführen, die er selbst in sich nur nach den Werken Anders reproducirt. Die klobigen Naturen niederländischer Kleinmalerei oder die bun¬ ten Flicken italienischer Lazaronis sind, beim rechten Lichte besehen, um kew Haar malerischer als die Scenen des heimischen Heerdes. an denen unse>e Künstler mit wenigen Ausnahmen stolz vorübergegangen sind. Der Bildhauer wird vor allem der Portraitstatue seine Aufmerksamkeit ZU widmen haben, weil sie am meisten geeignet sein wird, die Sympathie de Mitwelt auf sich zu lenken und den Künstler in das Leben und die Eigen' heilen seiner Umgebung einzuführen. Schwieriger wird in diesem Kunstzwe'g die Aufgabe des Idealisten sein; jedenfalls wird er in seinem Gebiet wehr erstreben müssen als eine bloße Wiedergeburt der Antike mit Haut und Haar- Ich meine, des früh verstorbenen Schadows Werke dürften ihm den richtige" Weg weisen. Dem Maler und Bildhauer wird auch der Baumeister sich anzuschließe haben. Die deutsche Baukunst wird man auch von ihm verlangen. er nun den germanischen Rundbogenstil in Anwendung bringen oder dem i^' thischen Spitzbogenstil, seiner unmittelbaren Fortsetzung, als dem vollendeten' den Vorzug geben. Am meisten wird er sich vor dem willkürlichen Flictwer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/442>, abgerufen am 26.06.2024.