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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Hunderts aufgepflanzt. Größtentheils fern von ihrem Vaterlande haben dick
Männer ohne nationale Unterstützung für individuelle lebensvolle Auffassung.
Naturwahrheit in der Zeichnung, für wahre Begeisterung und den innern
Gehalt ihrer Kunstschöpfungen gerungen, gelitten und gelebt. Wie immer
folgte die Masse mit ihrem Enthusiasmus den Edelsten der Nation erst später.
Nach dem Fall jener Vorkämpfer traten neue Kräfte in die Schranken und liefen den
Meistern daheim aus der Schule, um im Kampf des Lebens ihre Kraft zu stählen.

Vor dem Ausbruch der Freiheitskriege wirkten bereits Cornelius und
Overbeck in Rom, uoch während derselben oder unmittelbar nach ihrer Been¬
digung schlössen sich Veit, die beiden Schadow. Schmorr. Eberhard! u. ">
an. Was den Vorgängern versagt blieb, errangen sich diese jugend¬
frischem Geister. Anerkennung, und zwar im Auslande, grade in dem
Lande, das Deutschland, des deutschen Einflusses im Mittelalter gänzlich unein-
gedenk, in Kunstangelcgenheitcu stets über die Achseln anzusehen gewohnt
war. Man übersehe doch ja nicht, daß die Fresken in der Casa Bartholdi.
im Jahre 1816 begonnen, den Ruf deutscher Kunst schon weithin trugen, ehe
der damalige Kronprinz von Neuern. Ludwig, nach Rom kam. und daß die
Schöpfer derselben im Jahr 1819 bereits im Stande waren, dem deutsche"
Fürstcnsohn in der Villa Schultheis ein immerhin denkwürdiges und glän¬
zendes Abschiedsfcst zu veranstalten. König Ludwig gebührt nun das Verdienst-
der deutschen Kunst im Vaterlands eine bleibende Stätte bereitet zu haben.

Ganz unabhängig von ihm entwickelte sich in Preußen Schinkel. der
größte Architekt der Neuzeit, bekanntlich mehr durch Friedrich Wilhelm des
Dritten Sparsamkeit in seinen Plänen gehemmt, als durch seine Zuneigung
gefördert. Auch Rauch kann gewiß Niemand als Künstler eine Abhängigkeit
vom preußischen Hofe nachsagen. Freie Wahl trieb ihn in seiner mehr de¬
müthigenden als erhebenden Stellung daselbst, das Bild der unvergeßliche"
und allgeliebten Königin Luise durch seinen Meißel zu verherrlichen. Später
hat ihn vorzugsweise die Darstellung der Männer, auf welche jeder Deutsche
mit Stolz und gehobenem Herzen zurücksieht, beschäftigt. Die Statuen von
Blücher. Scharnhorst. Gneisenau. York. Friedrich dem Großen sind aus seiner
Werkstatt hervorgegangen. Seine Thätigkeit war somit eine echt nationale
und seine Kunst nichts weniger als eine höfische.

Wozu soll ich ferner erst auf die nllmälige Entfaltung der Düsseldorfer
Malerschule hinweisen? Der eine Theil ihrer Schüler hat sich ganz unabhängig
vom Staat und Hof in den Dienst der katholischen Kirche begeben, der
andre Theil derselben wandte sich vertrauensvoll an den begüterten Theil der
Nation. Die Nachwelt wird ihre Erzeugnisse daher nicht in den Galle¬
rten der Höfe zu suchen haben. Weit umher siud sie in kleineren Kirche"'
in den Sälen und den Zimmern vorzüglich reicher Kaufleute verstreut-


Hunderts aufgepflanzt. Größtentheils fern von ihrem Vaterlande haben dick
Männer ohne nationale Unterstützung für individuelle lebensvolle Auffassung.
Naturwahrheit in der Zeichnung, für wahre Begeisterung und den innern
Gehalt ihrer Kunstschöpfungen gerungen, gelitten und gelebt. Wie immer
folgte die Masse mit ihrem Enthusiasmus den Edelsten der Nation erst später.
Nach dem Fall jener Vorkämpfer traten neue Kräfte in die Schranken und liefen den
Meistern daheim aus der Schule, um im Kampf des Lebens ihre Kraft zu stählen.

Vor dem Ausbruch der Freiheitskriege wirkten bereits Cornelius und
Overbeck in Rom, uoch während derselben oder unmittelbar nach ihrer Been¬
digung schlössen sich Veit, die beiden Schadow. Schmorr. Eberhard! u. ">
an. Was den Vorgängern versagt blieb, errangen sich diese jugend¬
frischem Geister. Anerkennung, und zwar im Auslande, grade in dem
Lande, das Deutschland, des deutschen Einflusses im Mittelalter gänzlich unein-
gedenk, in Kunstangelcgenheitcu stets über die Achseln anzusehen gewohnt
war. Man übersehe doch ja nicht, daß die Fresken in der Casa Bartholdi.
im Jahre 1816 begonnen, den Ruf deutscher Kunst schon weithin trugen, ehe
der damalige Kronprinz von Neuern. Ludwig, nach Rom kam. und daß die
Schöpfer derselben im Jahr 1819 bereits im Stande waren, dem deutsche»
Fürstcnsohn in der Villa Schultheis ein immerhin denkwürdiges und glän¬
zendes Abschiedsfcst zu veranstalten. König Ludwig gebührt nun das Verdienst-
der deutschen Kunst im Vaterlands eine bleibende Stätte bereitet zu haben.

Ganz unabhängig von ihm entwickelte sich in Preußen Schinkel. der
größte Architekt der Neuzeit, bekanntlich mehr durch Friedrich Wilhelm des
Dritten Sparsamkeit in seinen Plänen gehemmt, als durch seine Zuneigung
gefördert. Auch Rauch kann gewiß Niemand als Künstler eine Abhängigkeit
vom preußischen Hofe nachsagen. Freie Wahl trieb ihn in seiner mehr de¬
müthigenden als erhebenden Stellung daselbst, das Bild der unvergeßliche"
und allgeliebten Königin Luise durch seinen Meißel zu verherrlichen. Später
hat ihn vorzugsweise die Darstellung der Männer, auf welche jeder Deutsche
mit Stolz und gehobenem Herzen zurücksieht, beschäftigt. Die Statuen von
Blücher. Scharnhorst. Gneisenau. York. Friedrich dem Großen sind aus seiner
Werkstatt hervorgegangen. Seine Thätigkeit war somit eine echt nationale
und seine Kunst nichts weniger als eine höfische.

Wozu soll ich ferner erst auf die nllmälige Entfaltung der Düsseldorfer
Malerschule hinweisen? Der eine Theil ihrer Schüler hat sich ganz unabhängig
vom Staat und Hof in den Dienst der katholischen Kirche begeben, der
andre Theil derselben wandte sich vertrauensvoll an den begüterten Theil der
Nation. Die Nachwelt wird ihre Erzeugnisse daher nicht in den Galle¬
rten der Höfe zu suchen haben. Weit umher siud sie in kleineren Kirche"'
in den Sälen und den Zimmern vorzüglich reicher Kaufleute verstreut-


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[0440] Hunderts aufgepflanzt. Größtentheils fern von ihrem Vaterlande haben dick Männer ohne nationale Unterstützung für individuelle lebensvolle Auffassung. Naturwahrheit in der Zeichnung, für wahre Begeisterung und den innern Gehalt ihrer Kunstschöpfungen gerungen, gelitten und gelebt. Wie immer folgte die Masse mit ihrem Enthusiasmus den Edelsten der Nation erst später. Nach dem Fall jener Vorkämpfer traten neue Kräfte in die Schranken und liefen den Meistern daheim aus der Schule, um im Kampf des Lebens ihre Kraft zu stählen. Vor dem Ausbruch der Freiheitskriege wirkten bereits Cornelius und Overbeck in Rom, uoch während derselben oder unmittelbar nach ihrer Been¬ digung schlössen sich Veit, die beiden Schadow. Schmorr. Eberhard! u. "> an. Was den Vorgängern versagt blieb, errangen sich diese jugend¬ frischem Geister. Anerkennung, und zwar im Auslande, grade in dem Lande, das Deutschland, des deutschen Einflusses im Mittelalter gänzlich unein- gedenk, in Kunstangelcgenheitcu stets über die Achseln anzusehen gewohnt war. Man übersehe doch ja nicht, daß die Fresken in der Casa Bartholdi. im Jahre 1816 begonnen, den Ruf deutscher Kunst schon weithin trugen, ehe der damalige Kronprinz von Neuern. Ludwig, nach Rom kam. und daß die Schöpfer derselben im Jahr 1819 bereits im Stande waren, dem deutsche» Fürstcnsohn in der Villa Schultheis ein immerhin denkwürdiges und glän¬ zendes Abschiedsfcst zu veranstalten. König Ludwig gebührt nun das Verdienst- der deutschen Kunst im Vaterlands eine bleibende Stätte bereitet zu haben. Ganz unabhängig von ihm entwickelte sich in Preußen Schinkel. der größte Architekt der Neuzeit, bekanntlich mehr durch Friedrich Wilhelm des Dritten Sparsamkeit in seinen Plänen gehemmt, als durch seine Zuneigung gefördert. Auch Rauch kann gewiß Niemand als Künstler eine Abhängigkeit vom preußischen Hofe nachsagen. Freie Wahl trieb ihn in seiner mehr de¬ müthigenden als erhebenden Stellung daselbst, das Bild der unvergeßliche" und allgeliebten Königin Luise durch seinen Meißel zu verherrlichen. Später hat ihn vorzugsweise die Darstellung der Männer, auf welche jeder Deutsche mit Stolz und gehobenem Herzen zurücksieht, beschäftigt. Die Statuen von Blücher. Scharnhorst. Gneisenau. York. Friedrich dem Großen sind aus seiner Werkstatt hervorgegangen. Seine Thätigkeit war somit eine echt nationale und seine Kunst nichts weniger als eine höfische. Wozu soll ich ferner erst auf die nllmälige Entfaltung der Düsseldorfer Malerschule hinweisen? Der eine Theil ihrer Schüler hat sich ganz unabhängig vom Staat und Hof in den Dienst der katholischen Kirche begeben, der andre Theil derselben wandte sich vertrauensvoll an den begüterten Theil der Nation. Die Nachwelt wird ihre Erzeugnisse daher nicht in den Galle¬ rten der Höfe zu suchen haben. Weit umher siud sie in kleineren Kirche"' in den Sälen und den Zimmern vorzüglich reicher Kaufleute verstreut-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/440>, abgerufen am 26.06.2024.