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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Das Vollendetste der Art leistete Ohlmüller im Bau der Aukirche in München.
Andere wie Zwirner wandten all ihren Fleiß, all ihre Kraft auf die Restau¬
ration unsrer gothischen Dome. Der Bau der Nicolaikirche in Hamburg,
der Votivkirche in Wien und andere der Art werden kommenden Geschlechtern
verkünden, daß unsrer Baukunst die nothwendigen Voraussetzungen, nicht die
Kraft und der gute Wille mangelten, um Neues und Originelles zu schaffen.

Jedenfalls wird man zugestehen müssen, daß von allen bedeutenderen
Architekten eine liebevolle Vertiefung in die Werke der Altvorderen angestrebt
wurde, und daß man in allen Stilen der Vergangenheit mit mehr oder we¬
niger Glück in unsren Tagen gebaut hat. Man wird ferner einräumen, daß
w Folge davon wenigstens die leidige Stilmengcrei nach und nach beseitigt
worden ist, und daß man. da man den gegebenen Voraussetzungen nach nicht
über den Eklekticismus hinauskommen konnte, bei den meisten Bauten
den Stil wenigstens mit Verstand und Geschmack nach der Bestimmung des
Gebäudes und seiner Umgebung gewählt hat.

Das Verdienst der vervielfältigenden Künste, die ich passender vielleicht
Kleins hinter der Malerei hätte erwähnen können, beruht in unsern Tagen dar-
daß sie auf das Wesentliche ihrer Bestimmung, auf die Zeichnung, den
Hauptnachdruck legten und daher freiwillig auf die malerische Wirkung, die
Wit Ausnahme der schwarzen Kunst und des Steindruckes ihnen versagt bleibt,
verzichteten.

So weit, denke ich kann unser Urtheil in der Anerkennung der Leistungen
unsrer Tage gehen, ohne sich einer Lobhudelei und thörichten Selbstverblendung
schuldig zu machen und ohne befürchten zu müssen, die Nachwelt werde Ur¬
sache haben, auf den vermeintlichen Höhepunkt der Kunstbestrebuugen unsrer
Tage stolz herabzublicken.

Geben wir uns Rechenschaft darüber, wie wir zu diesen immerhin glän¬
zenden Resultaten gelangt sind, so könnte bei dem ersten flüchtigen Ueberblick
uns leicht der Gedanke aufkommen: die bildende Kunst unsrer Tage sei kein Pro¬
dukt nationaler Begeisterung und Theilnahme, sei nicht aus dem Volke selbst
hervorgegangen, sondern nur in der Fürsten Gunst groß gewachsen, sei eine
künstliche Treibhauspflanze, eine Modesache, die man bei der Neugestaltung der
Dinge füglich werde bei Seite legen können. Dem ist nicht so! Für die künftige
Entwicklung der Kunst in unsern Gauen kann dieser Umstand nicht ganz gleichgültig
s^n. da die Kunst nicht wie die Wissenschaft im stillen Kämmerlein des Gelehrten
Leiden kann, sondern auf die öffentliche Gunst, die Unterstützung des Staates
'u ihren Hauptzweigen. den monumentalen Denkmälern, angewiesen ist.

Lange ehe der deutschen Kunst Fürstengunst lächelte, hatten Carstens,
6°es. Wächter. Schick und Andere das Banner der Neuzeit erhoben und die
Fahne der Revolution gegenüber dem Zopf der Akademien des vorigen Jahr-


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Das Vollendetste der Art leistete Ohlmüller im Bau der Aukirche in München.
Andere wie Zwirner wandten all ihren Fleiß, all ihre Kraft auf die Restau¬
ration unsrer gothischen Dome. Der Bau der Nicolaikirche in Hamburg,
der Votivkirche in Wien und andere der Art werden kommenden Geschlechtern
verkünden, daß unsrer Baukunst die nothwendigen Voraussetzungen, nicht die
Kraft und der gute Wille mangelten, um Neues und Originelles zu schaffen.

Jedenfalls wird man zugestehen müssen, daß von allen bedeutenderen
Architekten eine liebevolle Vertiefung in die Werke der Altvorderen angestrebt
wurde, und daß man in allen Stilen der Vergangenheit mit mehr oder we¬
niger Glück in unsren Tagen gebaut hat. Man wird ferner einräumen, daß
w Folge davon wenigstens die leidige Stilmengcrei nach und nach beseitigt
worden ist, und daß man. da man den gegebenen Voraussetzungen nach nicht
über den Eklekticismus hinauskommen konnte, bei den meisten Bauten
den Stil wenigstens mit Verstand und Geschmack nach der Bestimmung des
Gebäudes und seiner Umgebung gewählt hat.

Das Verdienst der vervielfältigenden Künste, die ich passender vielleicht
Kleins hinter der Malerei hätte erwähnen können, beruht in unsern Tagen dar-
daß sie auf das Wesentliche ihrer Bestimmung, auf die Zeichnung, den
Hauptnachdruck legten und daher freiwillig auf die malerische Wirkung, die
Wit Ausnahme der schwarzen Kunst und des Steindruckes ihnen versagt bleibt,
verzichteten.

So weit, denke ich kann unser Urtheil in der Anerkennung der Leistungen
unsrer Tage gehen, ohne sich einer Lobhudelei und thörichten Selbstverblendung
schuldig zu machen und ohne befürchten zu müssen, die Nachwelt werde Ur¬
sache haben, auf den vermeintlichen Höhepunkt der Kunstbestrebuugen unsrer
Tage stolz herabzublicken.

Geben wir uns Rechenschaft darüber, wie wir zu diesen immerhin glän¬
zenden Resultaten gelangt sind, so könnte bei dem ersten flüchtigen Ueberblick
uns leicht der Gedanke aufkommen: die bildende Kunst unsrer Tage sei kein Pro¬
dukt nationaler Begeisterung und Theilnahme, sei nicht aus dem Volke selbst
hervorgegangen, sondern nur in der Fürsten Gunst groß gewachsen, sei eine
künstliche Treibhauspflanze, eine Modesache, die man bei der Neugestaltung der
Dinge füglich werde bei Seite legen können. Dem ist nicht so! Für die künftige
Entwicklung der Kunst in unsern Gauen kann dieser Umstand nicht ganz gleichgültig
s^n. da die Kunst nicht wie die Wissenschaft im stillen Kämmerlein des Gelehrten
Leiden kann, sondern auf die öffentliche Gunst, die Unterstützung des Staates
'u ihren Hauptzweigen. den monumentalen Denkmälern, angewiesen ist.

Lange ehe der deutschen Kunst Fürstengunst lächelte, hatten Carstens,
6°es. Wächter. Schick und Andere das Banner der Neuzeit erhoben und die
Fahne der Revolution gegenüber dem Zopf der Akademien des vorigen Jahr-


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[0439] Das Vollendetste der Art leistete Ohlmüller im Bau der Aukirche in München. Andere wie Zwirner wandten all ihren Fleiß, all ihre Kraft auf die Restau¬ ration unsrer gothischen Dome. Der Bau der Nicolaikirche in Hamburg, der Votivkirche in Wien und andere der Art werden kommenden Geschlechtern verkünden, daß unsrer Baukunst die nothwendigen Voraussetzungen, nicht die Kraft und der gute Wille mangelten, um Neues und Originelles zu schaffen. Jedenfalls wird man zugestehen müssen, daß von allen bedeutenderen Architekten eine liebevolle Vertiefung in die Werke der Altvorderen angestrebt wurde, und daß man in allen Stilen der Vergangenheit mit mehr oder we¬ niger Glück in unsren Tagen gebaut hat. Man wird ferner einräumen, daß w Folge davon wenigstens die leidige Stilmengcrei nach und nach beseitigt worden ist, und daß man. da man den gegebenen Voraussetzungen nach nicht über den Eklekticismus hinauskommen konnte, bei den meisten Bauten den Stil wenigstens mit Verstand und Geschmack nach der Bestimmung des Gebäudes und seiner Umgebung gewählt hat. Das Verdienst der vervielfältigenden Künste, die ich passender vielleicht Kleins hinter der Malerei hätte erwähnen können, beruht in unsern Tagen dar- daß sie auf das Wesentliche ihrer Bestimmung, auf die Zeichnung, den Hauptnachdruck legten und daher freiwillig auf die malerische Wirkung, die Wit Ausnahme der schwarzen Kunst und des Steindruckes ihnen versagt bleibt, verzichteten. So weit, denke ich kann unser Urtheil in der Anerkennung der Leistungen unsrer Tage gehen, ohne sich einer Lobhudelei und thörichten Selbstverblendung schuldig zu machen und ohne befürchten zu müssen, die Nachwelt werde Ur¬ sache haben, auf den vermeintlichen Höhepunkt der Kunstbestrebuugen unsrer Tage stolz herabzublicken. Geben wir uns Rechenschaft darüber, wie wir zu diesen immerhin glän¬ zenden Resultaten gelangt sind, so könnte bei dem ersten flüchtigen Ueberblick uns leicht der Gedanke aufkommen: die bildende Kunst unsrer Tage sei kein Pro¬ dukt nationaler Begeisterung und Theilnahme, sei nicht aus dem Volke selbst hervorgegangen, sondern nur in der Fürsten Gunst groß gewachsen, sei eine künstliche Treibhauspflanze, eine Modesache, die man bei der Neugestaltung der Dinge füglich werde bei Seite legen können. Dem ist nicht so! Für die künftige Entwicklung der Kunst in unsern Gauen kann dieser Umstand nicht ganz gleichgültig s^n. da die Kunst nicht wie die Wissenschaft im stillen Kämmerlein des Gelehrten Leiden kann, sondern auf die öffentliche Gunst, die Unterstützung des Staates 'u ihren Hauptzweigen. den monumentalen Denkmälern, angewiesen ist. Lange ehe der deutschen Kunst Fürstengunst lächelte, hatten Carstens, 6°es. Wächter. Schick und Andere das Banner der Neuzeit erhoben und die Fahne der Revolution gegenüber dem Zopf der Akademien des vorigen Jahr- 54*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/439>, abgerufen am 26.06.2024.