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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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höchste Maaß zu steigern. Die in Antwerpen concentrirte Streitmacht darf sich
in keinem Falle blos passiv verhalten. Sie muß in nicht allzulanger Zeitabstän¬
den wiederholt große Ausfälle machen. Dies ist das einzige Mittel, den
Feind vor dem Platze mit beträchtlichen Kräften festzuhalten, dadurch
aber auch abzuhalten, daß er nicht mit seiner Hauptmacht die Maaslinie
überschreite, und darauf hinzuwirken, daß er an dieser Linie schwächer sei.
als die (preußische) vom Rheine vorrückende Entsatzarmee, daß diese also an
der Maas einen ersten Sieg und dann zwischen der Maas und der Scheide
einen zweiten gewinne, sollte derselbe überhaupt nöthig sein, um den Entsatz
Zu vollenden. Oft genug ist der Fall vorgekommen, daß der Führer des Ent¬
satzheeres den Commandanten der zu entsetzenden Festung unterrichtete (oder
ZU unterrichten trachtete), 'zu welchem Zeitpunkt das Entsatzheer das feind¬
liche Observationsheer erreicht haben und es angreifen würde, und daß er nun
den Commandanten aufforderte, zu demselben Zeitpunkt, an demselben Tage
einen großen Ausfall zu machen oder auch einen Tag vor der erwarteten
Schlacht zwischen dem Entsatzheer und dem feindlichen Observationshcer. Dies
ist eine sehr mißliche Sache. Unter solchen Umständen nimmt die Operation
allerdings die Natur eines concentrischen Angriffes an, dessen Characterzeichen
es eben ist, daß ein genau abgezirkeltes Zusammenwirken getrennter
Heerestheile verlangt wird, welches sich eben nicht leicht erreichen läßt, theils
weil unvermuthete Hindernisse den Marsch der einen Abtheilung verzögern,
°der auch besondre Umstände ihn beschleunigen können, theils weil Alles ver¬
hältnißmüßig weit im Voraus genau disponirt sein und auch darauf gerech¬
net werden muß, daß alle Nachrichten, Befehle, Berichte von einem Theil
der Gesammtarmee zum andern zu den bestimmten Zeitmomenten anlangen.
Allenfalls, aber auch nur allenfalls, kann die Sache noch gehen, wenn der
Platz, die Belagerungsarmee, die Observationsarmee und die Entsatzarmce
sich auf dem Raume weniger Tagemarsche und zwar schon von längerer Hand
her dicht zusammengedrängt finden. In unserem Falle ist dies nickt voraus¬
zusetzen, und andererseits ist die Streitmacht, welche wir bei Antwerpen ver¬
einigt annehmen, so groß, daß sie ohne Gefahr sich über Gebühr zu Schwä¬
ren, mit ihrem permanenten Nückzugspunkt, der Festung und dem Lager dicht
Rücken, wiederholt imposante Ausfälle machen kann. Diesen Vortheil
großen Platzes eben gilt es auszubeuten. Man wird ihn sich recht klar
Zacher, wenn man an die Stelle des Platzes Antwerpen sich blos das eng¬
lisch-niederländische Heer im freien Felde denkt, welches nach einer Verlornen
flacht augenblicklich zurückgehen müßte, nicht so bald wieder einen Halte¬
punkt fände und deshalb auch nicht in allerkürzester Frist wieder von Neuem
öftreren könnte. Unmittelbar nachdem der Entsatz vollbracht wäre, d. h.
sobald der Feind Anstalten träfe, die Blokade oder Belagerung aufzuheben,


höchste Maaß zu steigern. Die in Antwerpen concentrirte Streitmacht darf sich
in keinem Falle blos passiv verhalten. Sie muß in nicht allzulanger Zeitabstän¬
den wiederholt große Ausfälle machen. Dies ist das einzige Mittel, den
Feind vor dem Platze mit beträchtlichen Kräften festzuhalten, dadurch
aber auch abzuhalten, daß er nicht mit seiner Hauptmacht die Maaslinie
überschreite, und darauf hinzuwirken, daß er an dieser Linie schwächer sei.
als die (preußische) vom Rheine vorrückende Entsatzarmee, daß diese also an
der Maas einen ersten Sieg und dann zwischen der Maas und der Scheide
einen zweiten gewinne, sollte derselbe überhaupt nöthig sein, um den Entsatz
Zu vollenden. Oft genug ist der Fall vorgekommen, daß der Führer des Ent¬
satzheeres den Commandanten der zu entsetzenden Festung unterrichtete (oder
ZU unterrichten trachtete), 'zu welchem Zeitpunkt das Entsatzheer das feind¬
liche Observationsheer erreicht haben und es angreifen würde, und daß er nun
den Commandanten aufforderte, zu demselben Zeitpunkt, an demselben Tage
einen großen Ausfall zu machen oder auch einen Tag vor der erwarteten
Schlacht zwischen dem Entsatzheer und dem feindlichen Observationshcer. Dies
ist eine sehr mißliche Sache. Unter solchen Umständen nimmt die Operation
allerdings die Natur eines concentrischen Angriffes an, dessen Characterzeichen
es eben ist, daß ein genau abgezirkeltes Zusammenwirken getrennter
Heerestheile verlangt wird, welches sich eben nicht leicht erreichen läßt, theils
weil unvermuthete Hindernisse den Marsch der einen Abtheilung verzögern,
°der auch besondre Umstände ihn beschleunigen können, theils weil Alles ver¬
hältnißmüßig weit im Voraus genau disponirt sein und auch darauf gerech¬
net werden muß, daß alle Nachrichten, Befehle, Berichte von einem Theil
der Gesammtarmee zum andern zu den bestimmten Zeitmomenten anlangen.
Allenfalls, aber auch nur allenfalls, kann die Sache noch gehen, wenn der
Platz, die Belagerungsarmee, die Observationsarmee und die Entsatzarmce
sich auf dem Raume weniger Tagemarsche und zwar schon von längerer Hand
her dicht zusammengedrängt finden. In unserem Falle ist dies nickt voraus¬
zusetzen, und andererseits ist die Streitmacht, welche wir bei Antwerpen ver¬
einigt annehmen, so groß, daß sie ohne Gefahr sich über Gebühr zu Schwä¬
ren, mit ihrem permanenten Nückzugspunkt, der Festung und dem Lager dicht
Rücken, wiederholt imposante Ausfälle machen kann. Diesen Vortheil
großen Platzes eben gilt es auszubeuten. Man wird ihn sich recht klar
Zacher, wenn man an die Stelle des Platzes Antwerpen sich blos das eng¬
lisch-niederländische Heer im freien Felde denkt, welches nach einer Verlornen
flacht augenblicklich zurückgehen müßte, nicht so bald wieder einen Halte¬
punkt fände und deshalb auch nicht in allerkürzester Frist wieder von Neuem
öftreren könnte. Unmittelbar nachdem der Entsatz vollbracht wäre, d. h.
sobald der Feind Anstalten träfe, die Blokade oder Belagerung aufzuheben,


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[0427] höchste Maaß zu steigern. Die in Antwerpen concentrirte Streitmacht darf sich in keinem Falle blos passiv verhalten. Sie muß in nicht allzulanger Zeitabstän¬ den wiederholt große Ausfälle machen. Dies ist das einzige Mittel, den Feind vor dem Platze mit beträchtlichen Kräften festzuhalten, dadurch aber auch abzuhalten, daß er nicht mit seiner Hauptmacht die Maaslinie überschreite, und darauf hinzuwirken, daß er an dieser Linie schwächer sei. als die (preußische) vom Rheine vorrückende Entsatzarmee, daß diese also an der Maas einen ersten Sieg und dann zwischen der Maas und der Scheide einen zweiten gewinne, sollte derselbe überhaupt nöthig sein, um den Entsatz Zu vollenden. Oft genug ist der Fall vorgekommen, daß der Führer des Ent¬ satzheeres den Commandanten der zu entsetzenden Festung unterrichtete (oder ZU unterrichten trachtete), 'zu welchem Zeitpunkt das Entsatzheer das feind¬ liche Observationsheer erreicht haben und es angreifen würde, und daß er nun den Commandanten aufforderte, zu demselben Zeitpunkt, an demselben Tage einen großen Ausfall zu machen oder auch einen Tag vor der erwarteten Schlacht zwischen dem Entsatzheer und dem feindlichen Observationshcer. Dies ist eine sehr mißliche Sache. Unter solchen Umständen nimmt die Operation allerdings die Natur eines concentrischen Angriffes an, dessen Characterzeichen es eben ist, daß ein genau abgezirkeltes Zusammenwirken getrennter Heerestheile verlangt wird, welches sich eben nicht leicht erreichen läßt, theils weil unvermuthete Hindernisse den Marsch der einen Abtheilung verzögern, °der auch besondre Umstände ihn beschleunigen können, theils weil Alles ver¬ hältnißmüßig weit im Voraus genau disponirt sein und auch darauf gerech¬ net werden muß, daß alle Nachrichten, Befehle, Berichte von einem Theil der Gesammtarmee zum andern zu den bestimmten Zeitmomenten anlangen. Allenfalls, aber auch nur allenfalls, kann die Sache noch gehen, wenn der Platz, die Belagerungsarmee, die Observationsarmee und die Entsatzarmce sich auf dem Raume weniger Tagemarsche und zwar schon von längerer Hand her dicht zusammengedrängt finden. In unserem Falle ist dies nickt voraus¬ zusetzen, und andererseits ist die Streitmacht, welche wir bei Antwerpen ver¬ einigt annehmen, so groß, daß sie ohne Gefahr sich über Gebühr zu Schwä¬ ren, mit ihrem permanenten Nückzugspunkt, der Festung und dem Lager dicht Rücken, wiederholt imposante Ausfälle machen kann. Diesen Vortheil großen Platzes eben gilt es auszubeuten. Man wird ihn sich recht klar Zacher, wenn man an die Stelle des Platzes Antwerpen sich blos das eng¬ lisch-niederländische Heer im freien Felde denkt, welches nach einer Verlornen flacht augenblicklich zurückgehen müßte, nicht so bald wieder einen Halte¬ punkt fände und deshalb auch nicht in allerkürzester Frist wieder von Neuem öftreren könnte. Unmittelbar nachdem der Entsatz vollbracht wäre, d. h. sobald der Feind Anstalten träfe, die Blokade oder Belagerung aufzuheben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/427>, abgerufen am 26.06.2024.