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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Franzosen sich mit gesammter Macht in die Richtung über Namur auf Lüttich
würfen, um zuerst die Preußen am Rhein aufzusuchen und anzugreifen.
Sie müßten doch in diesem Falle unter allen Umständen der belgischen Feld¬
armee und den belgischen Festungen einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer
Kraft gegenüberlassen und kämen so von vornherein geschwächt an die Preu¬
ßen. Das wahrscheinlichere ist der Anfang mit dem Angriffe auf die Belgier,
um diese wo möglich aufzureiben, ehe ihnen Unterstützung vom Rheine her
zugehen kann. Würde dieser Zweck erreicht, so stände Belgien bis auf Ant¬
werpen mit den Kräften, welche sich dort sammeln und organisiren, den Fran¬
zosen offen. Es ist aber sicher, daß er nicht anders erreicht werden kann als
durch einen Angriff auf die linke Flanke der belgischen Stellung, also in der
Richtung auf Charleroi. Nur diese Angriffsrichtung gibt die Möglichkeit, die
Belgier gegen das Meer hin abzudrängen. Es versteht sich von selbst, daß
die Verbündeten Alles, was in ihren Kräften steht, thun müssen, einem solchen
Mißgeschick vorzubeugen. Für die Belgier folgt daraus, daß sie ihre Kräfte
concentrn't halten, soweit nicht die Beobachtung, welche übrigens wohl im
Allgemeinen auf allen Punkten, wo die Feldarmee sich nicht besinnet, von den
Fcstungsbesatzungcn besorgt werden kann, kleinere Detachirungen verlangt, daß
sie lieber darauf verzichten, den Franzosen einen längeren Aufenthalt zu be¬
reiten, als daß sie sich der Gefahr aussetzten, den freien Rückzug, sei es nach
Norden, sei es nach Osten, zu verlieren, und daß sie für diesen Rückzug einen
zweckmäßigen Gebrauch von ihren Eisenbahnen machen, alles für deren um¬
fassendste militärische Benutzung vorbereiten. Gelingt das Abdrängen der
belgischen Feldarmee gegen das Meer hin oder allenfalls in einen jener kleineren
festen Plätze, welche nicht im Stande sind, eine große Truppenmacht, die plötz¬
lich in ihnen erscheint, auf einige Zeit zu unterhalten; so wäre es nicht un¬
möglich, daß in Folge der Bestürzung, welche ein solcher Schlag im Lande
verbreiten müßte, auch Antwerpen ohne ernstlichen Widerstand in die Hände
der Franzosen fiele, wenn diese, ihren Sieg verfolgend, wenig Tage nach demselben
vor dem großen Platze erschienen, wenn es zugleich ihrer Flotte gelänge, ehe
die Engländer sich noch ins Meer gewagt haben. Antwerpen wirksam zu blo-
kiren. seine Verbindung mit England zu unterbrechen, wenn schwimmende
Batterien und Kanonenboote die Scheide bis Antwerpen hinaufgebracht wer¬
den könnten, um auch von der Wasserseite die Stadt zu bombardiren.-

Nach einem solchen Erfolge könnten die Franzosen nun ein Obscrvations
corps gestützt auf Antwerpen gegen die untere Maas und die Waal stehen
lassen, ein Corps, welches, wie man sieht, nach den vorhergegangenen Ereig¬
nissen ziemlich schwach ausfallen könnte, während sie mit ihrer Hauptmacht
über Lüttich auf Cöln losgingen, um hier die Preußen aufzusuchen.

Wir wollen nun aber von diesem raschen Gange der Dinge absehen,


Franzosen sich mit gesammter Macht in die Richtung über Namur auf Lüttich
würfen, um zuerst die Preußen am Rhein aufzusuchen und anzugreifen.
Sie müßten doch in diesem Falle unter allen Umständen der belgischen Feld¬
armee und den belgischen Festungen einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer
Kraft gegenüberlassen und kämen so von vornherein geschwächt an die Preu¬
ßen. Das wahrscheinlichere ist der Anfang mit dem Angriffe auf die Belgier,
um diese wo möglich aufzureiben, ehe ihnen Unterstützung vom Rheine her
zugehen kann. Würde dieser Zweck erreicht, so stände Belgien bis auf Ant¬
werpen mit den Kräften, welche sich dort sammeln und organisiren, den Fran¬
zosen offen. Es ist aber sicher, daß er nicht anders erreicht werden kann als
durch einen Angriff auf die linke Flanke der belgischen Stellung, also in der
Richtung auf Charleroi. Nur diese Angriffsrichtung gibt die Möglichkeit, die
Belgier gegen das Meer hin abzudrängen. Es versteht sich von selbst, daß
die Verbündeten Alles, was in ihren Kräften steht, thun müssen, einem solchen
Mißgeschick vorzubeugen. Für die Belgier folgt daraus, daß sie ihre Kräfte
concentrn't halten, soweit nicht die Beobachtung, welche übrigens wohl im
Allgemeinen auf allen Punkten, wo die Feldarmee sich nicht besinnet, von den
Fcstungsbesatzungcn besorgt werden kann, kleinere Detachirungen verlangt, daß
sie lieber darauf verzichten, den Franzosen einen längeren Aufenthalt zu be¬
reiten, als daß sie sich der Gefahr aussetzten, den freien Rückzug, sei es nach
Norden, sei es nach Osten, zu verlieren, und daß sie für diesen Rückzug einen
zweckmäßigen Gebrauch von ihren Eisenbahnen machen, alles für deren um¬
fassendste militärische Benutzung vorbereiten. Gelingt das Abdrängen der
belgischen Feldarmee gegen das Meer hin oder allenfalls in einen jener kleineren
festen Plätze, welche nicht im Stande sind, eine große Truppenmacht, die plötz¬
lich in ihnen erscheint, auf einige Zeit zu unterhalten; so wäre es nicht un¬
möglich, daß in Folge der Bestürzung, welche ein solcher Schlag im Lande
verbreiten müßte, auch Antwerpen ohne ernstlichen Widerstand in die Hände
der Franzosen fiele, wenn diese, ihren Sieg verfolgend, wenig Tage nach demselben
vor dem großen Platze erschienen, wenn es zugleich ihrer Flotte gelänge, ehe
die Engländer sich noch ins Meer gewagt haben. Antwerpen wirksam zu blo-
kiren. seine Verbindung mit England zu unterbrechen, wenn schwimmende
Batterien und Kanonenboote die Scheide bis Antwerpen hinaufgebracht wer¬
den könnten, um auch von der Wasserseite die Stadt zu bombardiren.-

Nach einem solchen Erfolge könnten die Franzosen nun ein Obscrvations
corps gestützt auf Antwerpen gegen die untere Maas und die Waal stehen
lassen, ein Corps, welches, wie man sieht, nach den vorhergegangenen Ereig¬
nissen ziemlich schwach ausfallen könnte, während sie mit ihrer Hauptmacht
über Lüttich auf Cöln losgingen, um hier die Preußen aufzusuchen.

Wir wollen nun aber von diesem raschen Gange der Dinge absehen,


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[0422] Franzosen sich mit gesammter Macht in die Richtung über Namur auf Lüttich würfen, um zuerst die Preußen am Rhein aufzusuchen und anzugreifen. Sie müßten doch in diesem Falle unter allen Umständen der belgischen Feld¬ armee und den belgischen Festungen einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Kraft gegenüberlassen und kämen so von vornherein geschwächt an die Preu¬ ßen. Das wahrscheinlichere ist der Anfang mit dem Angriffe auf die Belgier, um diese wo möglich aufzureiben, ehe ihnen Unterstützung vom Rheine her zugehen kann. Würde dieser Zweck erreicht, so stände Belgien bis auf Ant¬ werpen mit den Kräften, welche sich dort sammeln und organisiren, den Fran¬ zosen offen. Es ist aber sicher, daß er nicht anders erreicht werden kann als durch einen Angriff auf die linke Flanke der belgischen Stellung, also in der Richtung auf Charleroi. Nur diese Angriffsrichtung gibt die Möglichkeit, die Belgier gegen das Meer hin abzudrängen. Es versteht sich von selbst, daß die Verbündeten Alles, was in ihren Kräften steht, thun müssen, einem solchen Mißgeschick vorzubeugen. Für die Belgier folgt daraus, daß sie ihre Kräfte concentrn't halten, soweit nicht die Beobachtung, welche übrigens wohl im Allgemeinen auf allen Punkten, wo die Feldarmee sich nicht besinnet, von den Fcstungsbesatzungcn besorgt werden kann, kleinere Detachirungen verlangt, daß sie lieber darauf verzichten, den Franzosen einen längeren Aufenthalt zu be¬ reiten, als daß sie sich der Gefahr aussetzten, den freien Rückzug, sei es nach Norden, sei es nach Osten, zu verlieren, und daß sie für diesen Rückzug einen zweckmäßigen Gebrauch von ihren Eisenbahnen machen, alles für deren um¬ fassendste militärische Benutzung vorbereiten. Gelingt das Abdrängen der belgischen Feldarmee gegen das Meer hin oder allenfalls in einen jener kleineren festen Plätze, welche nicht im Stande sind, eine große Truppenmacht, die plötz¬ lich in ihnen erscheint, auf einige Zeit zu unterhalten; so wäre es nicht un¬ möglich, daß in Folge der Bestürzung, welche ein solcher Schlag im Lande verbreiten müßte, auch Antwerpen ohne ernstlichen Widerstand in die Hände der Franzosen fiele, wenn diese, ihren Sieg verfolgend, wenig Tage nach demselben vor dem großen Platze erschienen, wenn es zugleich ihrer Flotte gelänge, ehe die Engländer sich noch ins Meer gewagt haben. Antwerpen wirksam zu blo- kiren. seine Verbindung mit England zu unterbrechen, wenn schwimmende Batterien und Kanonenboote die Scheide bis Antwerpen hinaufgebracht wer¬ den könnten, um auch von der Wasserseite die Stadt zu bombardiren.- Nach einem solchen Erfolge könnten die Franzosen nun ein Obscrvations corps gestützt auf Antwerpen gegen die untere Maas und die Waal stehen lassen, ein Corps, welches, wie man sieht, nach den vorhergegangenen Ereig¬ nissen ziemlich schwach ausfallen könnte, während sie mit ihrer Hauptmacht über Lüttich auf Cöln losgingen, um hier die Preußen aufzusuchen. Wir wollen nun aber von diesem raschen Gange der Dinge absehen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/422>, abgerufen am 26.06.2024.