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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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neun möglichen ersten Schlachten, von denen aber nur eine einzige in die
Wirklichkeit treten wird. Bei jeder dieser möglichen neun Schlachten sind zwei
Hauptfälle anzunehmen, nämlich, daß entweder die Verbündeten oder die Franzosen
Zurückgehen und entweder jene oder diese verfolgen. Die Verfolgung führt zu
neuen Schlachten oder neuen Gefechtsreihen. Da aber für den Zurückgehenden
weistentheils verschiedene Rückzugslinien denkbar bleiben werden, so ergiebt sich,
daß aus jeder der neun ersten hypothetischen Schlachten mindestens vier neue,
also im Ganzen mindestens 36 hypothetische zweite Schlachten folgen müssen.
N. s. w. u. s. w. Die etwaigen Vortheile, welche aus einer solchen Aus-
spinnung der Verhältnisse sich ergeben könnten, sind in der That im Wesent¬
lichen auch auf andere Weise zu erzielen; und auf diese besser, nämlich
daß man sich andere Fälle vorstellt für den Beginn der Dinge und diese in
ähnlicher Weise behandelt, wie wir eben den unsrigen behandelt haben.
Die Auswahl dieser Fälle darf aber keine willkürliche sein; jeder derselben
Muß vielmehr aus gegebene zulässige Umstände gegründet sein, sonst wird seine
Betrachtung ein hohles Spiel der Phantasie.

Wir wollen einen Fall noch einer nähern Besprechung unterwerfen, um
dann schließlich andeutungsweise und ohne schon Gesagtes zu widerholen, auch
die andern möglichen Fälle zu berühren. Das Bundesvcrhältniß soll das
gleiche sein, welches wir bisher festhielten; aber Frankreich hat die Vorhand.
Es greift an, ehe die Concentrirung der Armeen, wie wir sie früher vorausge¬
setzt haben, zu Stande gekommen ist. Im wesentlichen sind also die Verhältnisse
auf Seiten der Verbündeten diese: Belgien hat eine Feldarmee, oder was
es von derselben augenblicklich verfügbar machen konnte, an die Südgrenze
geworfen, ungefähr in die gleichen Stellungen, welche wir im frühern Falle
dem ganzen verbündeten Heere anwiesen. Diese belgische Streitmacht hat die
Aufgabe, dem vorrückenden Feinde soviel Hindernisse der Bewegung entgegen¬
zustellen als dies möglich ist. ohne daß sie sich auf eine Hauptschlacht ein¬
lasse. Ihr Rückzugspunkt ist Antwerpen. In Antwerpen sammelt sich Alles,
was Holland verfügbar machen kann. England hat wenigstens die Avant¬
garde einer Flotte so schnell als möglich auslaufen lassen, um die französischen
Küsten zu beobachten, um die Bewegungen einzelner Geschwader und Flottillen
gegen die belgischen und holländischen Küsten zu beeinträchtigen und zu hin-
^'n. Es sammelt außerdem eine Landarmee, um sie mit einem stark escor-
tMen Convoi nach Antwerpen zu werfen. Die preußisch-deutsche > Armee ist
An Begriff sich an der Rhcinlinie bei Düsseldorf und Cöln zu sammeln. Es
'se klar, daß der französische Angriff sich unter diesen Verhältnissen zuerst gegen
^e Belgier an der Südgrenze ihres Landes richten wird. Obgleich eine an-
^'e Combination allerdings denkbar wäre, hat sie doch wenig Wahrscheinlich¬
st für sich. Diese andere Combination bestünde nämlich darin, daß die


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neun möglichen ersten Schlachten, von denen aber nur eine einzige in die
Wirklichkeit treten wird. Bei jeder dieser möglichen neun Schlachten sind zwei
Hauptfälle anzunehmen, nämlich, daß entweder die Verbündeten oder die Franzosen
Zurückgehen und entweder jene oder diese verfolgen. Die Verfolgung führt zu
neuen Schlachten oder neuen Gefechtsreihen. Da aber für den Zurückgehenden
weistentheils verschiedene Rückzugslinien denkbar bleiben werden, so ergiebt sich,
daß aus jeder der neun ersten hypothetischen Schlachten mindestens vier neue,
also im Ganzen mindestens 36 hypothetische zweite Schlachten folgen müssen.
N. s. w. u. s. w. Die etwaigen Vortheile, welche aus einer solchen Aus-
spinnung der Verhältnisse sich ergeben könnten, sind in der That im Wesent¬
lichen auch auf andere Weise zu erzielen; und auf diese besser, nämlich
daß man sich andere Fälle vorstellt für den Beginn der Dinge und diese in
ähnlicher Weise behandelt, wie wir eben den unsrigen behandelt haben.
Die Auswahl dieser Fälle darf aber keine willkürliche sein; jeder derselben
Muß vielmehr aus gegebene zulässige Umstände gegründet sein, sonst wird seine
Betrachtung ein hohles Spiel der Phantasie.

Wir wollen einen Fall noch einer nähern Besprechung unterwerfen, um
dann schließlich andeutungsweise und ohne schon Gesagtes zu widerholen, auch
die andern möglichen Fälle zu berühren. Das Bundesvcrhältniß soll das
gleiche sein, welches wir bisher festhielten; aber Frankreich hat die Vorhand.
Es greift an, ehe die Concentrirung der Armeen, wie wir sie früher vorausge¬
setzt haben, zu Stande gekommen ist. Im wesentlichen sind also die Verhältnisse
auf Seiten der Verbündeten diese: Belgien hat eine Feldarmee, oder was
es von derselben augenblicklich verfügbar machen konnte, an die Südgrenze
geworfen, ungefähr in die gleichen Stellungen, welche wir im frühern Falle
dem ganzen verbündeten Heere anwiesen. Diese belgische Streitmacht hat die
Aufgabe, dem vorrückenden Feinde soviel Hindernisse der Bewegung entgegen¬
zustellen als dies möglich ist. ohne daß sie sich auf eine Hauptschlacht ein¬
lasse. Ihr Rückzugspunkt ist Antwerpen. In Antwerpen sammelt sich Alles,
was Holland verfügbar machen kann. England hat wenigstens die Avant¬
garde einer Flotte so schnell als möglich auslaufen lassen, um die französischen
Küsten zu beobachten, um die Bewegungen einzelner Geschwader und Flottillen
gegen die belgischen und holländischen Küsten zu beeinträchtigen und zu hin-
^'n. Es sammelt außerdem eine Landarmee, um sie mit einem stark escor-
tMen Convoi nach Antwerpen zu werfen. Die preußisch-deutsche > Armee ist
An Begriff sich an der Rhcinlinie bei Düsseldorf und Cöln zu sammeln. Es
'se klar, daß der französische Angriff sich unter diesen Verhältnissen zuerst gegen
^e Belgier an der Südgrenze ihres Landes richten wird. Obgleich eine an-
^'e Combination allerdings denkbar wäre, hat sie doch wenig Wahrscheinlich¬
st für sich. Diese andere Combination bestünde nämlich darin, daß die


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[0421] neun möglichen ersten Schlachten, von denen aber nur eine einzige in die Wirklichkeit treten wird. Bei jeder dieser möglichen neun Schlachten sind zwei Hauptfälle anzunehmen, nämlich, daß entweder die Verbündeten oder die Franzosen Zurückgehen und entweder jene oder diese verfolgen. Die Verfolgung führt zu neuen Schlachten oder neuen Gefechtsreihen. Da aber für den Zurückgehenden weistentheils verschiedene Rückzugslinien denkbar bleiben werden, so ergiebt sich, daß aus jeder der neun ersten hypothetischen Schlachten mindestens vier neue, also im Ganzen mindestens 36 hypothetische zweite Schlachten folgen müssen. N. s. w. u. s. w. Die etwaigen Vortheile, welche aus einer solchen Aus- spinnung der Verhältnisse sich ergeben könnten, sind in der That im Wesent¬ lichen auch auf andere Weise zu erzielen; und auf diese besser, nämlich daß man sich andere Fälle vorstellt für den Beginn der Dinge und diese in ähnlicher Weise behandelt, wie wir eben den unsrigen behandelt haben. Die Auswahl dieser Fälle darf aber keine willkürliche sein; jeder derselben Muß vielmehr aus gegebene zulässige Umstände gegründet sein, sonst wird seine Betrachtung ein hohles Spiel der Phantasie. Wir wollen einen Fall noch einer nähern Besprechung unterwerfen, um dann schließlich andeutungsweise und ohne schon Gesagtes zu widerholen, auch die andern möglichen Fälle zu berühren. Das Bundesvcrhältniß soll das gleiche sein, welches wir bisher festhielten; aber Frankreich hat die Vorhand. Es greift an, ehe die Concentrirung der Armeen, wie wir sie früher vorausge¬ setzt haben, zu Stande gekommen ist. Im wesentlichen sind also die Verhältnisse auf Seiten der Verbündeten diese: Belgien hat eine Feldarmee, oder was es von derselben augenblicklich verfügbar machen konnte, an die Südgrenze geworfen, ungefähr in die gleichen Stellungen, welche wir im frühern Falle dem ganzen verbündeten Heere anwiesen. Diese belgische Streitmacht hat die Aufgabe, dem vorrückenden Feinde soviel Hindernisse der Bewegung entgegen¬ zustellen als dies möglich ist. ohne daß sie sich auf eine Hauptschlacht ein¬ lasse. Ihr Rückzugspunkt ist Antwerpen. In Antwerpen sammelt sich Alles, was Holland verfügbar machen kann. England hat wenigstens die Avant¬ garde einer Flotte so schnell als möglich auslaufen lassen, um die französischen Küsten zu beobachten, um die Bewegungen einzelner Geschwader und Flottillen gegen die belgischen und holländischen Küsten zu beeinträchtigen und zu hin- ^'n. Es sammelt außerdem eine Landarmee, um sie mit einem stark escor- tMen Convoi nach Antwerpen zu werfen. Die preußisch-deutsche > Armee ist An Begriff sich an der Rhcinlinie bei Düsseldorf und Cöln zu sammeln. Es 'se klar, daß der französische Angriff sich unter diesen Verhältnissen zuerst gegen ^e Belgier an der Südgrenze ihres Landes richten wird. Obgleich eine an- ^'e Combination allerdings denkbar wäre, hat sie doch wenig Wahrscheinlich¬ st für sich. Diese andere Combination bestünde nämlich darin, daß die Grenzboten IV. 1659. 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/421>, abgerufen am 26.06.2024.