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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Gegen das Facultätsgutachten erließ der Superintendcnturvicar Hoffmann
einen Hirtenbrief, in dem der Facultät die ehrenrührigsten Dinge nach¬
gesagt wurden. Auf eine Beschwerde hierüber bei dem Ministerium gab das¬
selbe der Facultät gar keine Antwort, während Professor Heppe, der das Mach¬
werk mit dem rechten Namen genannt hatte, kurzer Hand mit Umgehung der
Preßgesetze bestraft wurde. Als es einige Zeit später die lutherische Superin-
tendentur Oberhessen zu besetzen galt, bot Vilmar alle Mittel auf. um ein
ihm ergebenes Subject an diese Stelle zu bringen, und scheute sich nicht in
einem anonymen Flugblatte einen seiner College", welchen man von der Ge¬
genpartei als Candidaten für die Superintendentur aufstellen wollte, der
Schmähung der lutherischen Kirchenlehre zu zeihen. Als die Autorschaft des
Pasquills entdeckt worden war, verklagte die theologische Facultät Herrn Vilmar
und erwirkte von dem Kriminalgerichte seine Bestrafung. Die Winkelzüge und
Unwahrheiten, deren sich Vilmar bei dieser Gelegenheit schuldig machte, hiel¬
ten jedoch dreiundzwanzig seiner Anhänger nicht ab. seine Behauptungen dem
von ihm angegriffenen Professor Consistorialrath Ranke gegenüber in einem
Schriftchen aufrecht zu erhalten,, -- als Vilmar doch wieder seinen Candidaten
in Cassel durchgesetzt hatte.

Auf die ununterbrochenen Anklagen, welche die lutherische Partei in Zeit¬
schriften und Brochüren gegen das Gutachten der theologischen Facultät erhob,
hatte diese bisher Stillschweigen bewahrt. Da publicirte Professor Gilde¬
meister die Proceßverhandlungcn gegen Vilmar und kurze Zeit darauf die
obengenannte Brochüre.

Wenn es nun auch keine gerade sehr angenehme Aufgabe ist, sich durch
theologische Streitschriften hindurchzuarbeiten, so ist doch die hiergenannte
von der Art. daß sie fast wie die Lessingschen gegen Götze wegen der in ihr
meisterhaft gehandhabten Polemik auch den Laien interessiren muß. Gilde-
meisters Art zu streiten ist ja mock, aus seinem Kampfe gegen die Vertheidiger
der Aechtheit des heiligen Rocks zu Trier in so gutem Andenken, daß man
sich von ihm schon etwas Besonderes versprechen darf. Und so hat er denn
anch wie früher die Argumente seiner Gegner so zerpflückt und dieselben
an den Pranger gestellt, daß ihnen der Stempel der Lächerlichkeit für immer
aufgeprägt ist. Beispielshalber möge eine Stelle hier Platz finden. Nachdem
Gildemeister die Einwürfe Hoffmanns. Vilmars u. A. zurückgewiesen und
gelegentlich schöne Beiträge zur Chnrakterisirung der sittlichen Beschaffenheit
seiner Gegner beigebracht hat. fährt er fort: Zuletzt kommt noch ein eigen¬
thümliches, fast heiteres Nachspiel- nachdem Knappen und Ritter, verkappt
und unverkappt, ihre Lanzen einzeln gebrochen, wird das Facultäts-Gutachten
auch noch heerdenweis angegriffen. In einer Schrift unter dem Titel:
wiedrung u. s. w. entwickeln 23 Geistliche, während sie zunächst nur die Ab-


Gegen das Facultätsgutachten erließ der Superintendcnturvicar Hoffmann
einen Hirtenbrief, in dem der Facultät die ehrenrührigsten Dinge nach¬
gesagt wurden. Auf eine Beschwerde hierüber bei dem Ministerium gab das¬
selbe der Facultät gar keine Antwort, während Professor Heppe, der das Mach¬
werk mit dem rechten Namen genannt hatte, kurzer Hand mit Umgehung der
Preßgesetze bestraft wurde. Als es einige Zeit später die lutherische Superin-
tendentur Oberhessen zu besetzen galt, bot Vilmar alle Mittel auf. um ein
ihm ergebenes Subject an diese Stelle zu bringen, und scheute sich nicht in
einem anonymen Flugblatte einen seiner College», welchen man von der Ge¬
genpartei als Candidaten für die Superintendentur aufstellen wollte, der
Schmähung der lutherischen Kirchenlehre zu zeihen. Als die Autorschaft des
Pasquills entdeckt worden war, verklagte die theologische Facultät Herrn Vilmar
und erwirkte von dem Kriminalgerichte seine Bestrafung. Die Winkelzüge und
Unwahrheiten, deren sich Vilmar bei dieser Gelegenheit schuldig machte, hiel¬
ten jedoch dreiundzwanzig seiner Anhänger nicht ab. seine Behauptungen dem
von ihm angegriffenen Professor Consistorialrath Ranke gegenüber in einem
Schriftchen aufrecht zu erhalten,, — als Vilmar doch wieder seinen Candidaten
in Cassel durchgesetzt hatte.

Auf die ununterbrochenen Anklagen, welche die lutherische Partei in Zeit¬
schriften und Brochüren gegen das Gutachten der theologischen Facultät erhob,
hatte diese bisher Stillschweigen bewahrt. Da publicirte Professor Gilde¬
meister die Proceßverhandlungcn gegen Vilmar und kurze Zeit darauf die
obengenannte Brochüre.

Wenn es nun auch keine gerade sehr angenehme Aufgabe ist, sich durch
theologische Streitschriften hindurchzuarbeiten, so ist doch die hiergenannte
von der Art. daß sie fast wie die Lessingschen gegen Götze wegen der in ihr
meisterhaft gehandhabten Polemik auch den Laien interessiren muß. Gilde-
meisters Art zu streiten ist ja mock, aus seinem Kampfe gegen die Vertheidiger
der Aechtheit des heiligen Rocks zu Trier in so gutem Andenken, daß man
sich von ihm schon etwas Besonderes versprechen darf. Und so hat er denn
anch wie früher die Argumente seiner Gegner so zerpflückt und dieselben
an den Pranger gestellt, daß ihnen der Stempel der Lächerlichkeit für immer
aufgeprägt ist. Beispielshalber möge eine Stelle hier Platz finden. Nachdem
Gildemeister die Einwürfe Hoffmanns. Vilmars u. A. zurückgewiesen und
gelegentlich schöne Beiträge zur Chnrakterisirung der sittlichen Beschaffenheit
seiner Gegner beigebracht hat. fährt er fort: Zuletzt kommt noch ein eigen¬
thümliches, fast heiteres Nachspiel- nachdem Knappen und Ritter, verkappt
und unverkappt, ihre Lanzen einzeln gebrochen, wird das Facultäts-Gutachten
auch noch heerdenweis angegriffen. In einer Schrift unter dem Titel:
wiedrung u. s. w. entwickeln 23 Geistliche, während sie zunächst nur die Ab-


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[0418] Gegen das Facultätsgutachten erließ der Superintendcnturvicar Hoffmann einen Hirtenbrief, in dem der Facultät die ehrenrührigsten Dinge nach¬ gesagt wurden. Auf eine Beschwerde hierüber bei dem Ministerium gab das¬ selbe der Facultät gar keine Antwort, während Professor Heppe, der das Mach¬ werk mit dem rechten Namen genannt hatte, kurzer Hand mit Umgehung der Preßgesetze bestraft wurde. Als es einige Zeit später die lutherische Superin- tendentur Oberhessen zu besetzen galt, bot Vilmar alle Mittel auf. um ein ihm ergebenes Subject an diese Stelle zu bringen, und scheute sich nicht in einem anonymen Flugblatte einen seiner College», welchen man von der Ge¬ genpartei als Candidaten für die Superintendentur aufstellen wollte, der Schmähung der lutherischen Kirchenlehre zu zeihen. Als die Autorschaft des Pasquills entdeckt worden war, verklagte die theologische Facultät Herrn Vilmar und erwirkte von dem Kriminalgerichte seine Bestrafung. Die Winkelzüge und Unwahrheiten, deren sich Vilmar bei dieser Gelegenheit schuldig machte, hiel¬ ten jedoch dreiundzwanzig seiner Anhänger nicht ab. seine Behauptungen dem von ihm angegriffenen Professor Consistorialrath Ranke gegenüber in einem Schriftchen aufrecht zu erhalten,, — als Vilmar doch wieder seinen Candidaten in Cassel durchgesetzt hatte. Auf die ununterbrochenen Anklagen, welche die lutherische Partei in Zeit¬ schriften und Brochüren gegen das Gutachten der theologischen Facultät erhob, hatte diese bisher Stillschweigen bewahrt. Da publicirte Professor Gilde¬ meister die Proceßverhandlungcn gegen Vilmar und kurze Zeit darauf die obengenannte Brochüre. Wenn es nun auch keine gerade sehr angenehme Aufgabe ist, sich durch theologische Streitschriften hindurchzuarbeiten, so ist doch die hiergenannte von der Art. daß sie fast wie die Lessingschen gegen Götze wegen der in ihr meisterhaft gehandhabten Polemik auch den Laien interessiren muß. Gilde- meisters Art zu streiten ist ja mock, aus seinem Kampfe gegen die Vertheidiger der Aechtheit des heiligen Rocks zu Trier in so gutem Andenken, daß man sich von ihm schon etwas Besonderes versprechen darf. Und so hat er denn anch wie früher die Argumente seiner Gegner so zerpflückt und dieselben an den Pranger gestellt, daß ihnen der Stempel der Lächerlichkeit für immer aufgeprägt ist. Beispielshalber möge eine Stelle hier Platz finden. Nachdem Gildemeister die Einwürfe Hoffmanns. Vilmars u. A. zurückgewiesen und gelegentlich schöne Beiträge zur Chnrakterisirung der sittlichen Beschaffenheit seiner Gegner beigebracht hat. fährt er fort: Zuletzt kommt noch ein eigen¬ thümliches, fast heiteres Nachspiel- nachdem Knappen und Ritter, verkappt und unverkappt, ihre Lanzen einzeln gebrochen, wird das Facultäts-Gutachten auch noch heerdenweis angegriffen. In einer Schrift unter dem Titel: wiedrung u. s. w. entwickeln 23 Geistliche, während sie zunächst nur die Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/418>, abgerufen am 26.06.2024.