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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Auge erschien, als jener an Lähmung des Schenkels litt, auch nebenher hinkte
und endlich, wenn Philipp eine scharfe Speise genoß, ebenfalls das GesW
verzog, als äße er mit, füllen bei Athenäus mehre Kapitel. Deshalb konnte
auch Demosthenes von ihm sagen: "Seine Umgebung besteht nur aus Räu¬
bern, Schmeichlern und Menschen, welche in der Trunkenheit schändliche Tänze
aufführen. Menschen, von hier vertrieben, wie jenen Kallias, den Staats¬
sklaven, und derartiges Gelichter, possenhafte Mimen, Dichter schändlicher
Lieder, welche sie, um Lachen zu erregen, auf die Genossen machen, diese liebt
und hat er um sich." Auch der Hos Alexanders übte nicht blos auf
Schmeichler, sondern auch auf Lustigmacher, die.der König bei Tafel liebte,
eine große Anziehungskraft und es vererbte sich diese Liebhaberei fast aus alle
seine Nachfolger. Doch läßt sich beinahe mit Sicherheit behaupten, daß selbst
in dieser Zeit, wo die griechische Sitte rasch ihrem Grabe zueilte, die Unter¬
haltung nicht zu einem so hohen Grade von Passivität herabsank, wie in
Rom, wo Lhren und Augen der Tischgäste stets in Spannung erhalten wurden,
wo Vorlesungen und Concerte, Gladiatoren und Mimen alle Zwischenpausen
ausfüllen mußten und die Geschmacklosigkeit so weit gehen konnte, daß sogar
die Dialoge Platos dramatisch ausgeführt wurden! Dn fanden denn die Possen¬
reißer überall ihre Rechnung und zwar um so mehr, als, wie schon erwähnt,
die römische Vorliebe für burlesken Witz und Scherz ihnen entgegenkam.
Bald gehörten sie als unumgängliches Zwischengericht zu jedem Gastmahle.
Fratzen jeder Art. Körperverdrehungen, glatt geschorenes Haar begleiteten ihre
Späße, die sie entweder gegen einzelne Gäste oder gegeneinander richteten-
Einen solchen Wettkampf schildert uns Horaz in der launigen Beschreibung
seiner Reise von Rom nach Brundusium. Freilich wird es uns schwer, den
Inhalt desselben so witzig und unterhaltend zu finden, wie der Dichter selbst'
und es zu überwinden, daß der reiche Gastfreund Coccejus in seiner Villa
den Reisenden dieses Vergnügen bereitet hat, welches wir höchstens in einer
Dorfherberge drollig finden würden. Zuerst reizt Sarmentus seinen Gegner
Messius, genannt "Schreihals" dadurch, daß er ihn einem wilden Pferde ver¬
gleicht. Als Messius die Herausforderung drohend annimmt, sährt Sarmen¬
tus fort: "Was würdest du wol thun, wenn dir nicht ein Horn aus der Stirne
geschnitten worden wäre, da du noch als Verstümmelter so sehr drohst?"
gleich bittet er ihn. im pantomimischen Wege den riesigen Polyphem vorzu¬
stellen; denn häßliche Larve und tragische Stclzschuhe habe er ja nicht nöthig-
Darauf fragt nun Messius den gewesenen Sklaven spöttisch, ob er denn sH""
seine Kette seinem Gelübde gemäß den Hausgöttern geweiht habe und warum
er überhaupt seiner Herrin entlaufen sei, da er doch bei seiner kleinen schmal
jigen Gestalt an einem Pfund Mehl täglich genug gehabt hätte? -- Solche
Gesellen wurden von den Reichen natürlich für ihre Leistungen bezahlt "n


Auge erschien, als jener an Lähmung des Schenkels litt, auch nebenher hinkte
und endlich, wenn Philipp eine scharfe Speise genoß, ebenfalls das GesW
verzog, als äße er mit, füllen bei Athenäus mehre Kapitel. Deshalb konnte
auch Demosthenes von ihm sagen: „Seine Umgebung besteht nur aus Räu¬
bern, Schmeichlern und Menschen, welche in der Trunkenheit schändliche Tänze
aufführen. Menschen, von hier vertrieben, wie jenen Kallias, den Staats¬
sklaven, und derartiges Gelichter, possenhafte Mimen, Dichter schändlicher
Lieder, welche sie, um Lachen zu erregen, auf die Genossen machen, diese liebt
und hat er um sich." Auch der Hos Alexanders übte nicht blos auf
Schmeichler, sondern auch auf Lustigmacher, die.der König bei Tafel liebte,
eine große Anziehungskraft und es vererbte sich diese Liebhaberei fast aus alle
seine Nachfolger. Doch läßt sich beinahe mit Sicherheit behaupten, daß selbst
in dieser Zeit, wo die griechische Sitte rasch ihrem Grabe zueilte, die Unter¬
haltung nicht zu einem so hohen Grade von Passivität herabsank, wie in
Rom, wo Lhren und Augen der Tischgäste stets in Spannung erhalten wurden,
wo Vorlesungen und Concerte, Gladiatoren und Mimen alle Zwischenpausen
ausfüllen mußten und die Geschmacklosigkeit so weit gehen konnte, daß sogar
die Dialoge Platos dramatisch ausgeführt wurden! Dn fanden denn die Possen¬
reißer überall ihre Rechnung und zwar um so mehr, als, wie schon erwähnt,
die römische Vorliebe für burlesken Witz und Scherz ihnen entgegenkam.
Bald gehörten sie als unumgängliches Zwischengericht zu jedem Gastmahle.
Fratzen jeder Art. Körperverdrehungen, glatt geschorenes Haar begleiteten ihre
Späße, die sie entweder gegen einzelne Gäste oder gegeneinander richteten-
Einen solchen Wettkampf schildert uns Horaz in der launigen Beschreibung
seiner Reise von Rom nach Brundusium. Freilich wird es uns schwer, den
Inhalt desselben so witzig und unterhaltend zu finden, wie der Dichter selbst'
und es zu überwinden, daß der reiche Gastfreund Coccejus in seiner Villa
den Reisenden dieses Vergnügen bereitet hat, welches wir höchstens in einer
Dorfherberge drollig finden würden. Zuerst reizt Sarmentus seinen Gegner
Messius, genannt „Schreihals" dadurch, daß er ihn einem wilden Pferde ver¬
gleicht. Als Messius die Herausforderung drohend annimmt, sährt Sarmen¬
tus fort: „Was würdest du wol thun, wenn dir nicht ein Horn aus der Stirne
geschnitten worden wäre, da du noch als Verstümmelter so sehr drohst?"
gleich bittet er ihn. im pantomimischen Wege den riesigen Polyphem vorzu¬
stellen; denn häßliche Larve und tragische Stclzschuhe habe er ja nicht nöthig-
Darauf fragt nun Messius den gewesenen Sklaven spöttisch, ob er denn sH""
seine Kette seinem Gelübde gemäß den Hausgöttern geweiht habe und warum
er überhaupt seiner Herrin entlaufen sei, da er doch bei seiner kleinen schmal
jigen Gestalt an einem Pfund Mehl täglich genug gehabt hätte? — Solche
Gesellen wurden von den Reichen natürlich für ihre Leistungen bezahlt »n


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/406>, abgerufen am 26.06.2024.