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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Und nach ganz verloren und darunter nach meiner Ansicht die beste und
öligste, die die Leute sonst im Munde führten: "Komm doch zu mir zu
Mittag! Thue so! Versprich es aber! Mache keine Umstände! Ich will
°s und lasse Dich nicht los! Dafür hat man jetzt eine andere Phrase er¬
funden und zwar eine nichtswürdige, erbärmliche: Ich würde Dich gern zu
Gaste bitten, wenn ick nicht selbst außer dem Hause speiste!" Am deutlichsten
^zeichnet den Uebergang der Parasit im Eunuchen des Terenz mit den War-
^'n: "Ehedem bei unsern Vorfahren war wol damit etwas zu machen, daß
wan sich zum Narren halten ließ und Prügel einsteckte. Jetzt sängt man die
Vogel auf eine neue Art. Es gibt eine gewisse Art Leute, die in jeder Rück¬
sicht die ersten sein wollen und es doch nicht sind. An diese mache ich mich,
diesen gebe ich mich hin, nicht um mich auslachen zu lassen; ich lache zuerst über
sie und bewundere zugleich ihre Geistesgaben. Was sie mir sagen, das
lobe ich; behaupten sie wieder das Gegentheil, so lobe ich es ebenfalls.
Berneint Einer etwas, so sage ich auch nein, bejaht er, so thue ichs auch.
Kurz, ich gebe ihnen in allen Dingen Recht und dabei stehe ich mich ganz
vortrefflich." Der gute Ton verlangte aber später vom reichen Manne, daß
er Parasiten um sich hatte; wenigstens sagt der geistreiche Spötter von Samo-
sata noch von seiner Zeit: "Ein reicher Mann, wenn er auch ein Krösus ist,
bleibt arm, so lange er allein speist, und scheint ein Bettler zu sein, wenn er
ohne Parasiten ausgeht; denn wie ein Soldat ohne Waffenschmuck, ein Kleid
ohne Purpur, ein Roß ohne Geschirr im Werthe sinken, so kommt uns ein
Reicher ohne Parasiten wie ein niedriger, gemeiner Mann vor." Auch unter
den Königen und Tyrannen des Hellencnthums finden sich viele, die den Lustig-
jachern als Hofnarren einen günstigen Boden einräumten. Außer Hieron
Und Hieronymus werden vorzüglich Dionysius der Aeltere und der
jüngere von Syrakus als Patrone solchen Geschmeißes hervorgehoben. Jener
lachte einst mit einigen Vertrauten über eine Sache, die ein unfern stehender
Parasit unmöglich gehört haben konnte, dennoch lachte derselbe mit und ant¬
wortete, darüber befragt, er habe gar nicht gezweifelt, daß die Unterhaltung
lächerlich gewesen wäre und deshalb mitgelacht. Vom Hofe des jungem Dio-
nys aber, der seine Regierung mit einem neunzigtägigen Gnstgelage begann,
wird erzählt, daß sich ein Heer von Possenreißern eingefunden hatte, die ihre
Kriecherei so weit trieben, daß sie z. B., weil der Tyrann an Kurzsichtigkeit
litt. wie Blinde auf der Tafel herumtasteten, bis Dionys selbst ihre Hände
den Gerichten lenkte. Besondere Erwähnung verdient ferner Philipp von
Macedonien, der die größte Umsicht und Energie bei dem leichtfertigsten und
Adrigsten Umgange, in Völlerei und Rausch, zu bewahren verstand. Die
Aufzählung seiner Schmeichler und Narren, von denen einer. Namens Kliso-
bhus, als der König ein Auge verloren hatte, ebenfalls mit verbundenem


Grenzboten IV. 1859. 50

Und nach ganz verloren und darunter nach meiner Ansicht die beste und
öligste, die die Leute sonst im Munde führten: „Komm doch zu mir zu
Mittag! Thue so! Versprich es aber! Mache keine Umstände! Ich will
°s und lasse Dich nicht los! Dafür hat man jetzt eine andere Phrase er¬
funden und zwar eine nichtswürdige, erbärmliche: Ich würde Dich gern zu
Gaste bitten, wenn ick nicht selbst außer dem Hause speiste!" Am deutlichsten
^zeichnet den Uebergang der Parasit im Eunuchen des Terenz mit den War-
^'n: „Ehedem bei unsern Vorfahren war wol damit etwas zu machen, daß
wan sich zum Narren halten ließ und Prügel einsteckte. Jetzt sängt man die
Vogel auf eine neue Art. Es gibt eine gewisse Art Leute, die in jeder Rück¬
sicht die ersten sein wollen und es doch nicht sind. An diese mache ich mich,
diesen gebe ich mich hin, nicht um mich auslachen zu lassen; ich lache zuerst über
sie und bewundere zugleich ihre Geistesgaben. Was sie mir sagen, das
lobe ich; behaupten sie wieder das Gegentheil, so lobe ich es ebenfalls.
Berneint Einer etwas, so sage ich auch nein, bejaht er, so thue ichs auch.
Kurz, ich gebe ihnen in allen Dingen Recht und dabei stehe ich mich ganz
vortrefflich." Der gute Ton verlangte aber später vom reichen Manne, daß
er Parasiten um sich hatte; wenigstens sagt der geistreiche Spötter von Samo-
sata noch von seiner Zeit: „Ein reicher Mann, wenn er auch ein Krösus ist,
bleibt arm, so lange er allein speist, und scheint ein Bettler zu sein, wenn er
ohne Parasiten ausgeht; denn wie ein Soldat ohne Waffenschmuck, ein Kleid
ohne Purpur, ein Roß ohne Geschirr im Werthe sinken, so kommt uns ein
Reicher ohne Parasiten wie ein niedriger, gemeiner Mann vor." Auch unter
den Königen und Tyrannen des Hellencnthums finden sich viele, die den Lustig-
jachern als Hofnarren einen günstigen Boden einräumten. Außer Hieron
Und Hieronymus werden vorzüglich Dionysius der Aeltere und der
jüngere von Syrakus als Patrone solchen Geschmeißes hervorgehoben. Jener
lachte einst mit einigen Vertrauten über eine Sache, die ein unfern stehender
Parasit unmöglich gehört haben konnte, dennoch lachte derselbe mit und ant¬
wortete, darüber befragt, er habe gar nicht gezweifelt, daß die Unterhaltung
lächerlich gewesen wäre und deshalb mitgelacht. Vom Hofe des jungem Dio-
nys aber, der seine Regierung mit einem neunzigtägigen Gnstgelage begann,
wird erzählt, daß sich ein Heer von Possenreißern eingefunden hatte, die ihre
Kriecherei so weit trieben, daß sie z. B., weil der Tyrann an Kurzsichtigkeit
litt. wie Blinde auf der Tafel herumtasteten, bis Dionys selbst ihre Hände
den Gerichten lenkte. Besondere Erwähnung verdient ferner Philipp von
Macedonien, der die größte Umsicht und Energie bei dem leichtfertigsten und
Adrigsten Umgange, in Völlerei und Rausch, zu bewahren verstand. Die
Aufzählung seiner Schmeichler und Narren, von denen einer. Namens Kliso-
bhus, als der König ein Auge verloren hatte, ebenfalls mit verbundenem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/405>, abgerufen am 26.06.2024.