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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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waren nicht, wie die alten griechischen Parasiten mit dem bloßen Sattwerden
Zufrieden, besonders da sie und die armen Clienten (wie uns Juvenal in
seiner fünften Satire ausführlich schildert) schlecht abgefüttert wurden, wäh¬
rend der Hausherr aufs feinste dinirte. Es gab auch unter ihnen verschiedene
Abstufungen. Einige führten, wie die modernen Hofnarren, beständig Sitten¬
sprüche im Munde und philosophirten wol gar über paradoxe Behauptungen;
Andere legten sich mehr aus das Erzählen mirakulöser und schnurriger Dinge.
Noch mehr gesucht als diese geistreicheren Narren waren aber die eigentlichen
Dummköpfe, besonders verwachsene, blödsinnige Kretins. Zwerge mit unförm¬
lichen spitzen Köpfen und langen Elselsohren. Ihr Werth stieg mit der Ein¬
falt; und Martial schreibt in komischer Verzweiflung: "Man gab ihn mir für
einen Narren aus und ich kaufte ihn für 20.000 Sesterzien. Gieb mir mein
Geld wieder. Gorgilianus: er hat Verstand!" Diesem unwürdigen Geschmack
huldigten vorzüglich die vornehmen Römerinnen. Wir wissen es aus der Zeit
Augusts von Livia und Julia. Kanopas. der Zwerg der letzteren, war nur
gegen 2"/^Fuß hoch. Selbst Harpaste, Senecas Frau hielt sich eine Närrin,
die. wie der Philosoph schreibt, nach dem Tode ihrer Herrin als Inventar im
Hause blieb und endlich erblindete, ohne ihren Zustand zu kennen: sie ließ
sogleich ihren Aufseher kommen und bat ihn, ein anderes Logis zu miethen,
da das Haus zu finster sei! "Ich selbst," setzt Seneca trocken hinzu, "bin im-
Wer ein Feind von solchen Monstrositäten gewesen; wenn ich mich an einem
Narren ergötzen will, so brauche ich nicht weit zu suchen: ich lache mich aus!"
Es scheint, daß man später bei Tafel fast nirgends mehr dieser Art von Be¬
lustigungen habe entgehen können, und deshalb sucht auch der jüngere Pli-
nius einen darüber ungehaltenen Freund mit folgenden Worten zu beschwich¬
tigen: "Ich habe deinen Brief erhalten, in welchem du dich beschwerst, daß
dich ein sehr ausgesuchtes Gastgelag verdrießlich gemacht habe, weil Possen-
^ißer. schamlose Tänzer und Narren die Tische umkreisten. Willst du nickt
wieder deine Stirn glätten? Ich halte mir nicht dergleichen Leute, weil es
wir nicht den geringsten Spaß macht, wenn von einem Lustigmacher etwas
Muthwilligcs, von einem Narren etwas Dummes vorgebracht wird. Aber
^ füge mich in die Laune solcher Wirthe. Denn wie viele brechen auf.
wenn bei uns ein Vorleser oder Sänger oder Schauspieler auftritt, oder
bleiben mit ebenso großem Verdrusse sitzen! Wir wollen also mit den Ver¬
gnügungen Anderer Nachsicht haben, um dieselbe für die unsrigen zu finden."
Da nun aber hauptsächlich die Miniaturmcnschen schwer aufzutreiben waren,
^Mal wenn man sie so leicht haben wollte, wie ein von Sueton erwähnter
Lucius war. der blos siebzehn Pfund wog, oder der Dichter Philetas, ein Zeit-
"enosse Alexanders, dem man andichtete, daß er Blei in den Schuhen getragen


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waren nicht, wie die alten griechischen Parasiten mit dem bloßen Sattwerden
Zufrieden, besonders da sie und die armen Clienten (wie uns Juvenal in
seiner fünften Satire ausführlich schildert) schlecht abgefüttert wurden, wäh¬
rend der Hausherr aufs feinste dinirte. Es gab auch unter ihnen verschiedene
Abstufungen. Einige führten, wie die modernen Hofnarren, beständig Sitten¬
sprüche im Munde und philosophirten wol gar über paradoxe Behauptungen;
Andere legten sich mehr aus das Erzählen mirakulöser und schnurriger Dinge.
Noch mehr gesucht als diese geistreicheren Narren waren aber die eigentlichen
Dummköpfe, besonders verwachsene, blödsinnige Kretins. Zwerge mit unförm¬
lichen spitzen Köpfen und langen Elselsohren. Ihr Werth stieg mit der Ein¬
falt; und Martial schreibt in komischer Verzweiflung: „Man gab ihn mir für
einen Narren aus und ich kaufte ihn für 20.000 Sesterzien. Gieb mir mein
Geld wieder. Gorgilianus: er hat Verstand!" Diesem unwürdigen Geschmack
huldigten vorzüglich die vornehmen Römerinnen. Wir wissen es aus der Zeit
Augusts von Livia und Julia. Kanopas. der Zwerg der letzteren, war nur
gegen 2»/^Fuß hoch. Selbst Harpaste, Senecas Frau hielt sich eine Närrin,
die. wie der Philosoph schreibt, nach dem Tode ihrer Herrin als Inventar im
Hause blieb und endlich erblindete, ohne ihren Zustand zu kennen: sie ließ
sogleich ihren Aufseher kommen und bat ihn, ein anderes Logis zu miethen,
da das Haus zu finster sei! „Ich selbst," setzt Seneca trocken hinzu, „bin im-
Wer ein Feind von solchen Monstrositäten gewesen; wenn ich mich an einem
Narren ergötzen will, so brauche ich nicht weit zu suchen: ich lache mich aus!"
Es scheint, daß man später bei Tafel fast nirgends mehr dieser Art von Be¬
lustigungen habe entgehen können, und deshalb sucht auch der jüngere Pli-
nius einen darüber ungehaltenen Freund mit folgenden Worten zu beschwich¬
tigen: „Ich habe deinen Brief erhalten, in welchem du dich beschwerst, daß
dich ein sehr ausgesuchtes Gastgelag verdrießlich gemacht habe, weil Possen-
^ißer. schamlose Tänzer und Narren die Tische umkreisten. Willst du nickt
wieder deine Stirn glätten? Ich halte mir nicht dergleichen Leute, weil es
wir nicht den geringsten Spaß macht, wenn von einem Lustigmacher etwas
Muthwilligcs, von einem Narren etwas Dummes vorgebracht wird. Aber
^ füge mich in die Laune solcher Wirthe. Denn wie viele brechen auf.
wenn bei uns ein Vorleser oder Sänger oder Schauspieler auftritt, oder
bleiben mit ebenso großem Verdrusse sitzen! Wir wollen also mit den Ver¬
gnügungen Anderer Nachsicht haben, um dieselbe für die unsrigen zu finden."
Da nun aber hauptsächlich die Miniaturmcnschen schwer aufzutreiben waren,
^Mal wenn man sie so leicht haben wollte, wie ein von Sueton erwähnter
Lucius war. der blos siebzehn Pfund wog, oder der Dichter Philetas, ein Zeit-
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[0407] waren nicht, wie die alten griechischen Parasiten mit dem bloßen Sattwerden Zufrieden, besonders da sie und die armen Clienten (wie uns Juvenal in seiner fünften Satire ausführlich schildert) schlecht abgefüttert wurden, wäh¬ rend der Hausherr aufs feinste dinirte. Es gab auch unter ihnen verschiedene Abstufungen. Einige führten, wie die modernen Hofnarren, beständig Sitten¬ sprüche im Munde und philosophirten wol gar über paradoxe Behauptungen; Andere legten sich mehr aus das Erzählen mirakulöser und schnurriger Dinge. Noch mehr gesucht als diese geistreicheren Narren waren aber die eigentlichen Dummköpfe, besonders verwachsene, blödsinnige Kretins. Zwerge mit unförm¬ lichen spitzen Köpfen und langen Elselsohren. Ihr Werth stieg mit der Ein¬ falt; und Martial schreibt in komischer Verzweiflung: „Man gab ihn mir für einen Narren aus und ich kaufte ihn für 20.000 Sesterzien. Gieb mir mein Geld wieder. Gorgilianus: er hat Verstand!" Diesem unwürdigen Geschmack huldigten vorzüglich die vornehmen Römerinnen. Wir wissen es aus der Zeit Augusts von Livia und Julia. Kanopas. der Zwerg der letzteren, war nur gegen 2»/^Fuß hoch. Selbst Harpaste, Senecas Frau hielt sich eine Närrin, die. wie der Philosoph schreibt, nach dem Tode ihrer Herrin als Inventar im Hause blieb und endlich erblindete, ohne ihren Zustand zu kennen: sie ließ sogleich ihren Aufseher kommen und bat ihn, ein anderes Logis zu miethen, da das Haus zu finster sei! „Ich selbst," setzt Seneca trocken hinzu, „bin im- Wer ein Feind von solchen Monstrositäten gewesen; wenn ich mich an einem Narren ergötzen will, so brauche ich nicht weit zu suchen: ich lache mich aus!" Es scheint, daß man später bei Tafel fast nirgends mehr dieser Art von Be¬ lustigungen habe entgehen können, und deshalb sucht auch der jüngere Pli- nius einen darüber ungehaltenen Freund mit folgenden Worten zu beschwich¬ tigen: „Ich habe deinen Brief erhalten, in welchem du dich beschwerst, daß dich ein sehr ausgesuchtes Gastgelag verdrießlich gemacht habe, weil Possen- ^ißer. schamlose Tänzer und Narren die Tische umkreisten. Willst du nickt wieder deine Stirn glätten? Ich halte mir nicht dergleichen Leute, weil es wir nicht den geringsten Spaß macht, wenn von einem Lustigmacher etwas Muthwilligcs, von einem Narren etwas Dummes vorgebracht wird. Aber ^ füge mich in die Laune solcher Wirthe. Denn wie viele brechen auf. wenn bei uns ein Vorleser oder Sänger oder Schauspieler auftritt, oder bleiben mit ebenso großem Verdrusse sitzen! Wir wollen also mit den Ver¬ gnügungen Anderer Nachsicht haben, um dieselbe für die unsrigen zu finden." Da nun aber hauptsächlich die Miniaturmcnschen schwer aufzutreiben waren, ^Mal wenn man sie so leicht haben wollte, wie ein von Sueton erwähnter Lucius war. der blos siebzehn Pfund wog, oder der Dichter Philetas, ein Zeit- »enosse Alexanders, dem man andichtete, daß er Blei in den Schuhen getragen 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/407>, abgerufen am 26.06.2024.