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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Frankreich gar nicht denken können, wenn sie nicht mindestens 800,000 M.
dafür verfügbar machen können, und wenn diese Invasion nicht entweder
außerhalb Frankreichs oder doch, wenn innerhalb Frankreichs, an dessen äußer¬
sten Rändern durch glänzende Erfolge vorbereitet ist. Hat man nun die
^00,000 M. nicht, so hat man doppelte Ursache die glänzenden Erfolge der
letztern Art zu suchen, um dadurch die lebende französische Streitmacht der¬
gestalt zu schwächen, daß auf sie die Bevölkerung kein Vertrauen mehr setzen
kann. Und deshalb entscheiden wir uns sür ein abwartendes Verhalten der
Verbündeten. Das angreifende Verfahren würde aller Wahrscheinlichkeit nach
ZU demselben Resultate führen wie der Champagnefeldzug des Herzogs von
Braunschweig 1792.

Wir haben früher schon darauf aufmerksam gemacht, daß es für die preu¬
ßisch-deutsche Armee rathsam wäre, so schnell als möglich Lüttich und Namur
ZU besetzen. Lüttich ist von Aachen nicht weiter als fünf Meilen, Namur von
Lüttich'sieben Meilen entfernt. Bei Aachen concentrirte Truppen lassen sich
also nach Namur in vier Märschen, und wenn es sein muß in drei Märschen
versetzen, die entfernteren Truppen von Cöln und Düsseldorf können mit Zu¬
hilfenahme der Eisenbahn vorwärts geschafft werden. Cöln und Düsseldorf
liegen von Namur nicht weiter als 20 Meilen; man kann also darauf rechnen,
von jenen Punkten nach diesem täglich 20,000 M. vorwärts zu bringen. Wir
Machen auf die Entfernungen aufmerksam, weil es möglicher Weise die poli¬
tische Lage erfordern kann, daß die preußisch-deutsche Armee so spät als mög¬
lich belgisches Gebiet betrete, obwol man allerdings darauf hinarbeiten sollte,
die politische Lage so zu gestalten, daß preußische Truppen, ohne etwas zu
verderben, recht frühzeitig einrücken können. Ein französisches Corps, welches
bei Charlemont und Glock concentrirt wäre, hat von dort nicht weiter als
fünf Meilen; indessen eignet sich diese Gegend, welche überdies etwas entlegen
von dem großen Eisenbahnzüge ist. nicht besonders zur Ansammlung größerer
Tnippmmassen und ein vereinzeltes Vorrücken eines französischen Corps von
dort auf Namur könnte daher vielleicht selbst den Verbündeten die Gelegen¬
heit zu einem ersten partiellen Erfolge geben.

Wenn die Stellungen, welche wir jetzt besprochen haben, von den Ver¬
bündeten vor dem Ausbruche der Feindseligkeiten eingenommen würden, so wür¬
den wir uns die Kräfte nun etwa so gruppirt vorzustellen haben: Auf der Front
Mons-Dinant die Hauptarmee, ein rechtes Flankencorps (Belgien) bei Cour-
^ay, ein linkes Flankencorps (Preußen) vor Luxemburg. Eine ziemlich ge¬
naue Bezeichnung der Frontlinic haben wir in der Gürtelbahn von Ostende
über Gent, Brüssel. Namur nach Arion. welche der Annahme nach unmittel¬
bar hinter und theilweise in der Front der Verbündeten liegt. Es ist nicht
Überflüssig zu bemerken, daß diese Gürtelbahn ungefähr parallel mit der Rhein-


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Frankreich gar nicht denken können, wenn sie nicht mindestens 800,000 M.
dafür verfügbar machen können, und wenn diese Invasion nicht entweder
außerhalb Frankreichs oder doch, wenn innerhalb Frankreichs, an dessen äußer¬
sten Rändern durch glänzende Erfolge vorbereitet ist. Hat man nun die
^00,000 M. nicht, so hat man doppelte Ursache die glänzenden Erfolge der
letztern Art zu suchen, um dadurch die lebende französische Streitmacht der¬
gestalt zu schwächen, daß auf sie die Bevölkerung kein Vertrauen mehr setzen
kann. Und deshalb entscheiden wir uns sür ein abwartendes Verhalten der
Verbündeten. Das angreifende Verfahren würde aller Wahrscheinlichkeit nach
ZU demselben Resultate führen wie der Champagnefeldzug des Herzogs von
Braunschweig 1792.

Wir haben früher schon darauf aufmerksam gemacht, daß es für die preu¬
ßisch-deutsche Armee rathsam wäre, so schnell als möglich Lüttich und Namur
ZU besetzen. Lüttich ist von Aachen nicht weiter als fünf Meilen, Namur von
Lüttich'sieben Meilen entfernt. Bei Aachen concentrirte Truppen lassen sich
also nach Namur in vier Märschen, und wenn es sein muß in drei Märschen
versetzen, die entfernteren Truppen von Cöln und Düsseldorf können mit Zu¬
hilfenahme der Eisenbahn vorwärts geschafft werden. Cöln und Düsseldorf
liegen von Namur nicht weiter als 20 Meilen; man kann also darauf rechnen,
von jenen Punkten nach diesem täglich 20,000 M. vorwärts zu bringen. Wir
Machen auf die Entfernungen aufmerksam, weil es möglicher Weise die poli¬
tische Lage erfordern kann, daß die preußisch-deutsche Armee so spät als mög¬
lich belgisches Gebiet betrete, obwol man allerdings darauf hinarbeiten sollte,
die politische Lage so zu gestalten, daß preußische Truppen, ohne etwas zu
verderben, recht frühzeitig einrücken können. Ein französisches Corps, welches
bei Charlemont und Glock concentrirt wäre, hat von dort nicht weiter als
fünf Meilen; indessen eignet sich diese Gegend, welche überdies etwas entlegen
von dem großen Eisenbahnzüge ist. nicht besonders zur Ansammlung größerer
Tnippmmassen und ein vereinzeltes Vorrücken eines französischen Corps von
dort auf Namur könnte daher vielleicht selbst den Verbündeten die Gelegen¬
heit zu einem ersten partiellen Erfolge geben.

Wenn die Stellungen, welche wir jetzt besprochen haben, von den Ver¬
bündeten vor dem Ausbruche der Feindseligkeiten eingenommen würden, so wür¬
den wir uns die Kräfte nun etwa so gruppirt vorzustellen haben: Auf der Front
Mons-Dinant die Hauptarmee, ein rechtes Flankencorps (Belgien) bei Cour-
^ay, ein linkes Flankencorps (Preußen) vor Luxemburg. Eine ziemlich ge¬
naue Bezeichnung der Frontlinic haben wir in der Gürtelbahn von Ostende
über Gent, Brüssel. Namur nach Arion. welche der Annahme nach unmittel¬
bar hinter und theilweise in der Front der Verbündeten liegt. Es ist nicht
Überflüssig zu bemerken, daß diese Gürtelbahn ungefähr parallel mit der Rhein-


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[0351] Frankreich gar nicht denken können, wenn sie nicht mindestens 800,000 M. dafür verfügbar machen können, und wenn diese Invasion nicht entweder außerhalb Frankreichs oder doch, wenn innerhalb Frankreichs, an dessen äußer¬ sten Rändern durch glänzende Erfolge vorbereitet ist. Hat man nun die ^00,000 M. nicht, so hat man doppelte Ursache die glänzenden Erfolge der letztern Art zu suchen, um dadurch die lebende französische Streitmacht der¬ gestalt zu schwächen, daß auf sie die Bevölkerung kein Vertrauen mehr setzen kann. Und deshalb entscheiden wir uns sür ein abwartendes Verhalten der Verbündeten. Das angreifende Verfahren würde aller Wahrscheinlichkeit nach ZU demselben Resultate führen wie der Champagnefeldzug des Herzogs von Braunschweig 1792. Wir haben früher schon darauf aufmerksam gemacht, daß es für die preu¬ ßisch-deutsche Armee rathsam wäre, so schnell als möglich Lüttich und Namur ZU besetzen. Lüttich ist von Aachen nicht weiter als fünf Meilen, Namur von Lüttich'sieben Meilen entfernt. Bei Aachen concentrirte Truppen lassen sich also nach Namur in vier Märschen, und wenn es sein muß in drei Märschen versetzen, die entfernteren Truppen von Cöln und Düsseldorf können mit Zu¬ hilfenahme der Eisenbahn vorwärts geschafft werden. Cöln und Düsseldorf liegen von Namur nicht weiter als 20 Meilen; man kann also darauf rechnen, von jenen Punkten nach diesem täglich 20,000 M. vorwärts zu bringen. Wir Machen auf die Entfernungen aufmerksam, weil es möglicher Weise die poli¬ tische Lage erfordern kann, daß die preußisch-deutsche Armee so spät als mög¬ lich belgisches Gebiet betrete, obwol man allerdings darauf hinarbeiten sollte, die politische Lage so zu gestalten, daß preußische Truppen, ohne etwas zu verderben, recht frühzeitig einrücken können. Ein französisches Corps, welches bei Charlemont und Glock concentrirt wäre, hat von dort nicht weiter als fünf Meilen; indessen eignet sich diese Gegend, welche überdies etwas entlegen von dem großen Eisenbahnzüge ist. nicht besonders zur Ansammlung größerer Tnippmmassen und ein vereinzeltes Vorrücken eines französischen Corps von dort auf Namur könnte daher vielleicht selbst den Verbündeten die Gelegen¬ heit zu einem ersten partiellen Erfolge geben. Wenn die Stellungen, welche wir jetzt besprochen haben, von den Ver¬ bündeten vor dem Ausbruche der Feindseligkeiten eingenommen würden, so wür¬ den wir uns die Kräfte nun etwa so gruppirt vorzustellen haben: Auf der Front Mons-Dinant die Hauptarmee, ein rechtes Flankencorps (Belgien) bei Cour- ^ay, ein linkes Flankencorps (Preußen) vor Luxemburg. Eine ziemlich ge¬ naue Bezeichnung der Frontlinic haben wir in der Gürtelbahn von Ostende über Gent, Brüssel. Namur nach Arion. welche der Annahme nach unmittel¬ bar hinter und theilweise in der Front der Verbündeten liegt. Es ist nicht Überflüssig zu bemerken, daß diese Gürtelbahn ungefähr parallel mit der Rhein- 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/351>, abgerufen am 01.07.2024.