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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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männlichen in dem lebenskräftigsten Alter stehenden Bevölkerung unter die
Waffen, wahrend Industrie, Ackerbau und Handel vollständig brach lagen-
Die Neichscreditbanken garantirten nun ihre Billets durch die bei ihnen ver¬
pfändeten Güter, hauptsächlich durch den Privatgrundbesitz. Dieser besteht
nur zum geringsten Theil in städtischen Liegenschaften, zum größten Theil in adeli-
gen Grundeigenthum (Landgüter nebst den Leibeigenen). Der Gesammtwerth
des letzteren wurde unmittelbar vor dem Kriege nach ungefährer Schätzung auf
etwa eintausenddreihundcrt Millionen SR. gewürdigt, wovon etwa die Hälfte,
sechshundertfunfzig Millionen SN., bei den Neichscreditbanken verpfändet war.
Rechnet man dazu die übrigen Pfandobjecte (obschon jedenfalls zu hoch, nur
um der runden Summe willen) zum Werth von fünfzig Millionen SN"
so ergab dies zu Anfang des orientalischen Krieges einen materiellen Fund.-
rungswcrth für die Reichscreditbillets von siebenhundert Millionen SR,*)
Aber nachdem der Krieg ein Jahr lang fortgeführt worden war und mit seinen
Necrutirungen die Leibeignen decimirt, die productiven Thätigkeiten suspendirt,
den Grundbesitz entwerthet hatte, konnte schon beim Regierungsantritte des
Kaisers Alexander des Zweiten von diesem positiven Werthe der materiellen
Garantien für die ausgegebenen Neichscrediibillets keine Rede mehr sein-
Im weiteren Verlaufe des Krieges entwertheten sich natürlich die materiellen
Fonds dieses Papiergeldes noch mehr, während seine umlaufende Gesainwt-
summe am i. Jan. 1856 auf 509,181,397 SR. gestiegen war.

Die Wiederkehr des Friedens Hütte nun allerdings unter gewöhnlichen
Verhältnissen den Werth des Substrates der Neichscreditbillets wohl wie¬
der heben können, wenn es auch einiger Jahre bedurft hätte, um die von
Krieg und Seuchen positiv verminderte Anzahl der Bevölkerung, beziehentlich
der Leibeigenen, wieder zu completiren. Allein jetzt trat une ideelle Werth/
Verminderung an die Stelle der positiven, indem die bevorstehende Bauern¬
emancipation und die dem Grundadel damit drohenden materiellen Opfer den
Grundbesitz im Geschäftsverkehr um die Hälfte herabsetzte. Mit andern Worten
ausgedrückt: ein Grundbesitz, dessen Boden- und Bauernwerth bis dahin to
Geschäftsverkehr zwanzigtausend Rubel gegolten hatte, ließ sich jetzt nur
mit zehntausend verwerthen. Blieb also auch die bei den Neichscreditban¬
ken verpfändete Gesammtmasse mit siebenhundert Million SR. in den Bü¬
chern eingetragen, so galt sie doch der Geschäftswelt jetzt höchstens dreihundert-
undfunfzig Millionen an positivem Werth. Natürlich verfuhren nun auch d^



') Man hat für die ungefähre Nichtigkeit dieser Rechnung auch eine ungefähre
Als Nikolaus den wegen seiner Unausführbarkeit bald wieder zurückgenommenen Befehl ^>^>
hatte, sämmtliche Hypotheken der Rcichscreditansialten zu kündigen, berechneten die ^A",
russischen Publizisten in verschiedenen öffentlichen Blättern, daß die Regierung durch
rung des Ukases vierhundertfunfzig bis fünfhundert Millionen SN. zu ihrer Verfügung
kommen werde.

männlichen in dem lebenskräftigsten Alter stehenden Bevölkerung unter die
Waffen, wahrend Industrie, Ackerbau und Handel vollständig brach lagen-
Die Neichscreditbanken garantirten nun ihre Billets durch die bei ihnen ver¬
pfändeten Güter, hauptsächlich durch den Privatgrundbesitz. Dieser besteht
nur zum geringsten Theil in städtischen Liegenschaften, zum größten Theil in adeli-
gen Grundeigenthum (Landgüter nebst den Leibeigenen). Der Gesammtwerth
des letzteren wurde unmittelbar vor dem Kriege nach ungefährer Schätzung auf
etwa eintausenddreihundcrt Millionen SR. gewürdigt, wovon etwa die Hälfte,
sechshundertfunfzig Millionen SN., bei den Neichscreditbanken verpfändet war.
Rechnet man dazu die übrigen Pfandobjecte (obschon jedenfalls zu hoch, nur
um der runden Summe willen) zum Werth von fünfzig Millionen SN"
so ergab dies zu Anfang des orientalischen Krieges einen materiellen Fund.-
rungswcrth für die Reichscreditbillets von siebenhundert Millionen SR,*)
Aber nachdem der Krieg ein Jahr lang fortgeführt worden war und mit seinen
Necrutirungen die Leibeignen decimirt, die productiven Thätigkeiten suspendirt,
den Grundbesitz entwerthet hatte, konnte schon beim Regierungsantritte des
Kaisers Alexander des Zweiten von diesem positiven Werthe der materiellen
Garantien für die ausgegebenen Neichscrediibillets keine Rede mehr sein-
Im weiteren Verlaufe des Krieges entwertheten sich natürlich die materiellen
Fonds dieses Papiergeldes noch mehr, während seine umlaufende Gesainwt-
summe am i. Jan. 1856 auf 509,181,397 SR. gestiegen war.

Die Wiederkehr des Friedens Hütte nun allerdings unter gewöhnlichen
Verhältnissen den Werth des Substrates der Neichscreditbillets wohl wie¬
der heben können, wenn es auch einiger Jahre bedurft hätte, um die von
Krieg und Seuchen positiv verminderte Anzahl der Bevölkerung, beziehentlich
der Leibeigenen, wieder zu completiren. Allein jetzt trat une ideelle Werth/
Verminderung an die Stelle der positiven, indem die bevorstehende Bauern¬
emancipation und die dem Grundadel damit drohenden materiellen Opfer den
Grundbesitz im Geschäftsverkehr um die Hälfte herabsetzte. Mit andern Worten
ausgedrückt: ein Grundbesitz, dessen Boden- und Bauernwerth bis dahin to
Geschäftsverkehr zwanzigtausend Rubel gegolten hatte, ließ sich jetzt nur
mit zehntausend verwerthen. Blieb also auch die bei den Neichscreditban¬
ken verpfändete Gesammtmasse mit siebenhundert Million SR. in den Bü¬
chern eingetragen, so galt sie doch der Geschäftswelt jetzt höchstens dreihundert-
undfunfzig Millionen an positivem Werth. Natürlich verfuhren nun auch d^



') Man hat für die ungefähre Nichtigkeit dieser Rechnung auch eine ungefähre
Als Nikolaus den wegen seiner Unausführbarkeit bald wieder zurückgenommenen Befehl ^>^>
hatte, sämmtliche Hypotheken der Rcichscreditansialten zu kündigen, berechneten die ^A",
russischen Publizisten in verschiedenen öffentlichen Blättern, daß die Regierung durch
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[0338] männlichen in dem lebenskräftigsten Alter stehenden Bevölkerung unter die Waffen, wahrend Industrie, Ackerbau und Handel vollständig brach lagen- Die Neichscreditbanken garantirten nun ihre Billets durch die bei ihnen ver¬ pfändeten Güter, hauptsächlich durch den Privatgrundbesitz. Dieser besteht nur zum geringsten Theil in städtischen Liegenschaften, zum größten Theil in adeli- gen Grundeigenthum (Landgüter nebst den Leibeigenen). Der Gesammtwerth des letzteren wurde unmittelbar vor dem Kriege nach ungefährer Schätzung auf etwa eintausenddreihundcrt Millionen SR. gewürdigt, wovon etwa die Hälfte, sechshundertfunfzig Millionen SN., bei den Neichscreditbanken verpfändet war. Rechnet man dazu die übrigen Pfandobjecte (obschon jedenfalls zu hoch, nur um der runden Summe willen) zum Werth von fünfzig Millionen SN" so ergab dies zu Anfang des orientalischen Krieges einen materiellen Fund.- rungswcrth für die Reichscreditbillets von siebenhundert Millionen SR,*) Aber nachdem der Krieg ein Jahr lang fortgeführt worden war und mit seinen Necrutirungen die Leibeignen decimirt, die productiven Thätigkeiten suspendirt, den Grundbesitz entwerthet hatte, konnte schon beim Regierungsantritte des Kaisers Alexander des Zweiten von diesem positiven Werthe der materiellen Garantien für die ausgegebenen Neichscrediibillets keine Rede mehr sein- Im weiteren Verlaufe des Krieges entwertheten sich natürlich die materiellen Fonds dieses Papiergeldes noch mehr, während seine umlaufende Gesainwt- summe am i. Jan. 1856 auf 509,181,397 SR. gestiegen war. Die Wiederkehr des Friedens Hütte nun allerdings unter gewöhnlichen Verhältnissen den Werth des Substrates der Neichscreditbillets wohl wie¬ der heben können, wenn es auch einiger Jahre bedurft hätte, um die von Krieg und Seuchen positiv verminderte Anzahl der Bevölkerung, beziehentlich der Leibeigenen, wieder zu completiren. Allein jetzt trat une ideelle Werth/ Verminderung an die Stelle der positiven, indem die bevorstehende Bauern¬ emancipation und die dem Grundadel damit drohenden materiellen Opfer den Grundbesitz im Geschäftsverkehr um die Hälfte herabsetzte. Mit andern Worten ausgedrückt: ein Grundbesitz, dessen Boden- und Bauernwerth bis dahin to Geschäftsverkehr zwanzigtausend Rubel gegolten hatte, ließ sich jetzt nur mit zehntausend verwerthen. Blieb also auch die bei den Neichscreditban¬ ken verpfändete Gesammtmasse mit siebenhundert Million SR. in den Bü¬ chern eingetragen, so galt sie doch der Geschäftswelt jetzt höchstens dreihundert- undfunfzig Millionen an positivem Werth. Natürlich verfuhren nun auch d^ ') Man hat für die ungefähre Nichtigkeit dieser Rechnung auch eine ungefähre Als Nikolaus den wegen seiner Unausführbarkeit bald wieder zurückgenommenen Befehl ^>^> hatte, sämmtliche Hypotheken der Rcichscreditansialten zu kündigen, berechneten die ^A", russischen Publizisten in verschiedenen öffentlichen Blättern, daß die Regierung durch rung des Ukases vierhundertfunfzig bis fünfhundert Millionen SN. zu ihrer Verfügung kommen werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/338>, abgerufen am 29.06.2024.