Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahresdefizit von 4 bis 8 Mill. SR. übrig ließen. Unter solchen Umständen
stieg die Gesammtschuld -- innere wie äußere unaufkündbare und Termin-
schuld -- in dem Jahrzehnt 1844 -- 54 um mehr als 300 Mill. SN., wäh¬
rend sich die äußere Terminschuld bloß um etwa 18 Mill SR. verminderte.
Von jenem Zuwachs kommen jedoch allerdings etwa 150 Mill. SN. auf das
Finanzjahr 1853 -- 54, also aus die Vorbereitungen und Einleitungen zum
orientalischen Krieg. Rühmend ist dabei hervorzuheben, daß auch die Finanj-
minister Wro-ntschcnko und Brock den praktischen Grundsatz ihres Vorgängers
Kankrin consequent festhielten, nämlich die peinlichst gewissenhafte Erfüllung
aller äußeren Verpflichtungen. Dadurch erhielt sich Rußlands Credit an den
europäischen Börsen unter den wechselndsten politischen Verhältnissen fortwährend
unverändert, und selbst bei ungünstigen Lagen des Geldmarktes vermochte das
Kaiserreich seine Anleihe unter keineswegs ungünstigen Bedingungen zu effectuiren.
Dies hätte nun freilich nicht ermöglicht werden können, ohne das Kankrinsche
System auch nach seiner verderblichen Seite fortzusetzen, indem die Gelder der
Reichscrcditanstalten vollkommen wie Staatsgelder gehandhabt wurden. Land-
Wirthschaft und Gewerbthätigkeit entbehrten dadurch der Unterstützung durch
die von ihnen selber eingelegten Kapitalien. Während zugleich durch eine
vollkommen unzulängliche Creditgesetzgebung der Privatcredit zu Gunsten des
Staatscredits herabgedrückt wurde, operirte der Staat auch als Bankier mal
seinen Neichscreditkassen beinahe monopolistisch. So war es eine natür¬
liche Folge des ganzen Systems, daß die aus der productiven Volkswirthschaft
entspringenden Quellen der Wohlhabenheit des Staats allmälig immer spar¬
samer flössen. So geschickt dies auch durch allerlei täuschende Operationen
und finanzielle Kunststücke verhüllt, so tief verschleiert auch das ganze Finanz¬
wesen erhalten wurde, so verlockend auch die kolossalen Baarmassen des Neichs-
schcitzes in den Gewölben der Peterpaulscitadelle bei der jährlichen Nevisions-
ceremonie erklangen, so transigirte dennoch eine Ahnung der wahren Verhält¬
nisse allmälig in der Finanzwelt. Es wäre sonst nicht wol zu erklären, warum
die Anleihen des genannten Jahrzehnts zu immer niedrigerem Cours emittirt
werden mußten, obwol der Zinsfuß unverändert blieb.

Am 1. Jan. 1854 wurde nun die Gesammtschuld Rußlands in folgender
Weise specisicirt:

1. fundirt: Auswärtige Terminschuld 55,332,000 holl. Gulden.
Innere 131,578,375 Silberrubel.
Unkündbare Schuld 221.093,494 Silberrubel.
" Eisenbahnschuld 5.170,000 Pfd. Sterl.
2. unfundirt: Assignaten in Bankorubeln 252,000.
Neichscreditkassenscheine 333,443,008 Siberrubel.
Gesammtschuld aus Silberrubel reducirt T^I^i^^

Jahresdefizit von 4 bis 8 Mill. SR. übrig ließen. Unter solchen Umständen
stieg die Gesammtschuld — innere wie äußere unaufkündbare und Termin-
schuld — in dem Jahrzehnt 1844 — 54 um mehr als 300 Mill. SN., wäh¬
rend sich die äußere Terminschuld bloß um etwa 18 Mill SR. verminderte.
Von jenem Zuwachs kommen jedoch allerdings etwa 150 Mill. SN. auf das
Finanzjahr 1853 — 54, also aus die Vorbereitungen und Einleitungen zum
orientalischen Krieg. Rühmend ist dabei hervorzuheben, daß auch die Finanj-
minister Wro-ntschcnko und Brock den praktischen Grundsatz ihres Vorgängers
Kankrin consequent festhielten, nämlich die peinlichst gewissenhafte Erfüllung
aller äußeren Verpflichtungen. Dadurch erhielt sich Rußlands Credit an den
europäischen Börsen unter den wechselndsten politischen Verhältnissen fortwährend
unverändert, und selbst bei ungünstigen Lagen des Geldmarktes vermochte das
Kaiserreich seine Anleihe unter keineswegs ungünstigen Bedingungen zu effectuiren.
Dies hätte nun freilich nicht ermöglicht werden können, ohne das Kankrinsche
System auch nach seiner verderblichen Seite fortzusetzen, indem die Gelder der
Reichscrcditanstalten vollkommen wie Staatsgelder gehandhabt wurden. Land-
Wirthschaft und Gewerbthätigkeit entbehrten dadurch der Unterstützung durch
die von ihnen selber eingelegten Kapitalien. Während zugleich durch eine
vollkommen unzulängliche Creditgesetzgebung der Privatcredit zu Gunsten des
Staatscredits herabgedrückt wurde, operirte der Staat auch als Bankier mal
seinen Neichscreditkassen beinahe monopolistisch. So war es eine natür¬
liche Folge des ganzen Systems, daß die aus der productiven Volkswirthschaft
entspringenden Quellen der Wohlhabenheit des Staats allmälig immer spar¬
samer flössen. So geschickt dies auch durch allerlei täuschende Operationen
und finanzielle Kunststücke verhüllt, so tief verschleiert auch das ganze Finanz¬
wesen erhalten wurde, so verlockend auch die kolossalen Baarmassen des Neichs-
schcitzes in den Gewölben der Peterpaulscitadelle bei der jährlichen Nevisions-
ceremonie erklangen, so transigirte dennoch eine Ahnung der wahren Verhält¬
nisse allmälig in der Finanzwelt. Es wäre sonst nicht wol zu erklären, warum
die Anleihen des genannten Jahrzehnts zu immer niedrigerem Cours emittirt
werden mußten, obwol der Zinsfuß unverändert blieb.

Am 1. Jan. 1854 wurde nun die Gesammtschuld Rußlands in folgender
Weise specisicirt:

1. fundirt: Auswärtige Terminschuld 55,332,000 holl. Gulden.
Innere 131,578,375 Silberrubel.
Unkündbare Schuld 221.093,494 Silberrubel.
„ Eisenbahnschuld 5.170,000 Pfd. Sterl.
2. unfundirt: Assignaten in Bankorubeln 252,000.
Neichscreditkassenscheine 333,443,008 Siberrubel.
Gesammtschuld aus Silberrubel reducirt T^I^i^^

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108466"/>
          <p xml:id="ID_1100" prev="#ID_1099"> Jahresdefizit von 4 bis 8 Mill. SR. übrig ließen. Unter solchen Umständen<lb/>
stieg die Gesammtschuld &#x2014; innere wie äußere unaufkündbare und Termin-<lb/>
schuld &#x2014; in dem Jahrzehnt 1844 &#x2014; 54 um mehr als 300 Mill. SN., wäh¬<lb/>
rend sich die äußere Terminschuld bloß um etwa 18 Mill SR. verminderte.<lb/>
Von jenem Zuwachs kommen jedoch allerdings etwa 150 Mill. SN. auf das<lb/>
Finanzjahr 1853 &#x2014; 54, also aus die Vorbereitungen und Einleitungen zum<lb/>
orientalischen Krieg. Rühmend ist dabei hervorzuheben, daß auch die Finanj-<lb/>
minister Wro-ntschcnko und Brock den praktischen Grundsatz ihres Vorgängers<lb/>
Kankrin consequent festhielten, nämlich die peinlichst gewissenhafte Erfüllung<lb/>
aller äußeren Verpflichtungen. Dadurch erhielt sich Rußlands Credit an den<lb/>
europäischen Börsen unter den wechselndsten politischen Verhältnissen fortwährend<lb/>
unverändert, und selbst bei ungünstigen Lagen des Geldmarktes vermochte das<lb/>
Kaiserreich seine Anleihe unter keineswegs ungünstigen Bedingungen zu effectuiren.<lb/>
Dies hätte nun freilich nicht ermöglicht werden können, ohne das Kankrinsche<lb/>
System auch nach seiner verderblichen Seite fortzusetzen, indem die Gelder der<lb/>
Reichscrcditanstalten vollkommen wie Staatsgelder gehandhabt wurden. Land-<lb/>
Wirthschaft und Gewerbthätigkeit entbehrten dadurch der Unterstützung durch<lb/>
die von ihnen selber eingelegten Kapitalien. Während zugleich durch eine<lb/>
vollkommen unzulängliche Creditgesetzgebung der Privatcredit zu Gunsten des<lb/>
Staatscredits herabgedrückt wurde, operirte der Staat auch als Bankier mal<lb/>
seinen Neichscreditkassen beinahe monopolistisch. So war es eine natür¬<lb/>
liche Folge des ganzen Systems, daß die aus der productiven Volkswirthschaft<lb/>
entspringenden Quellen der Wohlhabenheit des Staats allmälig immer spar¬<lb/>
samer flössen. So geschickt dies auch durch allerlei täuschende Operationen<lb/>
und finanzielle Kunststücke verhüllt, so tief verschleiert auch das ganze Finanz¬<lb/>
wesen erhalten wurde, so verlockend auch die kolossalen Baarmassen des Neichs-<lb/>
schcitzes in den Gewölben der Peterpaulscitadelle bei der jährlichen Nevisions-<lb/>
ceremonie erklangen, so transigirte dennoch eine Ahnung der wahren Verhält¬<lb/>
nisse allmälig in der Finanzwelt. Es wäre sonst nicht wol zu erklären, warum<lb/>
die Anleihen des genannten Jahrzehnts zu immer niedrigerem Cours emittirt<lb/>
werden mußten, obwol der Zinsfuß unverändert blieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1101"> Am 1. Jan. 1854 wurde nun die Gesammtschuld Rußlands in folgender<lb/>
Weise specisicirt:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1. fundirt:  Auswärtige Terminschuld    55,332,000 holl. Gulden.</item>
            <item> Innere 131,578,375 Silberrubel.</item>
            <item> Unkündbare Schuld 221.093,494 Silberrubel.</item>
            <item> &#x201E;    Eisenbahnschuld    5.170,000 Pfd. Sterl.</item>
            <item> 2. unfundirt: Assignaten in Bankorubeln 252,000.</item>
            <item> Neichscreditkassenscheine 333,443,008 Siberrubel.</item>
            <item> Gesammtschuld aus Silberrubel reducirt T^I^i^^</item>
          </list><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0336] Jahresdefizit von 4 bis 8 Mill. SR. übrig ließen. Unter solchen Umständen stieg die Gesammtschuld — innere wie äußere unaufkündbare und Termin- schuld — in dem Jahrzehnt 1844 — 54 um mehr als 300 Mill. SN., wäh¬ rend sich die äußere Terminschuld bloß um etwa 18 Mill SR. verminderte. Von jenem Zuwachs kommen jedoch allerdings etwa 150 Mill. SN. auf das Finanzjahr 1853 — 54, also aus die Vorbereitungen und Einleitungen zum orientalischen Krieg. Rühmend ist dabei hervorzuheben, daß auch die Finanj- minister Wro-ntschcnko und Brock den praktischen Grundsatz ihres Vorgängers Kankrin consequent festhielten, nämlich die peinlichst gewissenhafte Erfüllung aller äußeren Verpflichtungen. Dadurch erhielt sich Rußlands Credit an den europäischen Börsen unter den wechselndsten politischen Verhältnissen fortwährend unverändert, und selbst bei ungünstigen Lagen des Geldmarktes vermochte das Kaiserreich seine Anleihe unter keineswegs ungünstigen Bedingungen zu effectuiren. Dies hätte nun freilich nicht ermöglicht werden können, ohne das Kankrinsche System auch nach seiner verderblichen Seite fortzusetzen, indem die Gelder der Reichscrcditanstalten vollkommen wie Staatsgelder gehandhabt wurden. Land- Wirthschaft und Gewerbthätigkeit entbehrten dadurch der Unterstützung durch die von ihnen selber eingelegten Kapitalien. Während zugleich durch eine vollkommen unzulängliche Creditgesetzgebung der Privatcredit zu Gunsten des Staatscredits herabgedrückt wurde, operirte der Staat auch als Bankier mal seinen Neichscreditkassen beinahe monopolistisch. So war es eine natür¬ liche Folge des ganzen Systems, daß die aus der productiven Volkswirthschaft entspringenden Quellen der Wohlhabenheit des Staats allmälig immer spar¬ samer flössen. So geschickt dies auch durch allerlei täuschende Operationen und finanzielle Kunststücke verhüllt, so tief verschleiert auch das ganze Finanz¬ wesen erhalten wurde, so verlockend auch die kolossalen Baarmassen des Neichs- schcitzes in den Gewölben der Peterpaulscitadelle bei der jährlichen Nevisions- ceremonie erklangen, so transigirte dennoch eine Ahnung der wahren Verhält¬ nisse allmälig in der Finanzwelt. Es wäre sonst nicht wol zu erklären, warum die Anleihen des genannten Jahrzehnts zu immer niedrigerem Cours emittirt werden mußten, obwol der Zinsfuß unverändert blieb. Am 1. Jan. 1854 wurde nun die Gesammtschuld Rußlands in folgender Weise specisicirt: 1. fundirt: Auswärtige Terminschuld 55,332,000 holl. Gulden. Innere 131,578,375 Silberrubel. Unkündbare Schuld 221.093,494 Silberrubel. „ Eisenbahnschuld 5.170,000 Pfd. Sterl. 2. unfundirt: Assignaten in Bankorubeln 252,000. Neichscreditkassenscheine 333,443,008 Siberrubel. Gesammtschuld aus Silberrubel reducirt T^I^i^^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/336
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/336>, abgerufen am 29.06.2024.