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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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"erhin nur mit vieler Schwierigkeit von den Besitzern der dafür ausgegebenen
Nnchsbillets" (in Appoints von 250 bis 100,000 SN.) als roulirendes Geld zu
Jndustriezwecken verwendet werden können. Daß die Negierung damit direct
Ziel verfolgte, den ferneren Abfluß der Einlagen bei den Neichscreditan-
stalten zu gewerblichen Zwecken zu stopfen, war überdies in dem betreffenden
Ukas vom' 13/25 März ganz unverhohlen ausgesprochen. Wir werden weiter
ausführlicher darauf zurückkommen.

Faßt man das Gesammtziel der Finanzmaßrcgeln vom Juli zusammen,
so erhellt deutlich, daß das außerrussische Europa' eine Summe von 240
bis 300 Mill. Gulden für die Beförderung der russischen Industrie-, Handcls-
und Eisenbahnzwecke einzahlen, ferner mit Nußland etwa 80 Mill. zur Verbesse¬
rung der Valuta beschaffen soll, während die in den Neichscreditanstaltcn
niedergelegten Gelder, deren statutarische Bestimmung die Unterstützung der
privaten landwirthschaftlichen. industriellen und merkantilen Thätigkeit ist, für
Staatsbedürfnisse und Rcgierungszwecke zur Disposition gestellt werden. Unter
solchen Verhältnissen erscheint die Frage nach dem Stande der russischen Staats-
finanzen und der seit dem Regierungsantritt des Kaisers Alexander des Zwei¬
en befolgten finanziellen Politik jedenfalls keine müßige. Dies um so mehr,
^s trotz der vielen Reformen in den verschiedensten Sphären des Staatsle-,
dens das Finanzwesen und die Finanzzustände noch immer ein siebenfach ver¬
siegeltes Buch sind. Es kann uns nicht sowohl darauf ankommen, eine Kritik
^eher Verhältnisse zu versuchen, als vielmehr einfach daraus, eine Ueber¬
sicht der hierher gehörigen, obschon jedenfalls blos lückenhaft bekannt gewor¬
denen Thatsachen zusammenzustellen. Wir müssen zu dem Zwecke einige all-
Semeine Notizen über die Finanzlage im letzten Jahrzehnt der Regierung des
Kaisers Nikolaus voranschicken.

Daß keine authentische Veröffentlichung des Budgets in Nußland existirt.
darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auch die etwa hier und da. unregel¬
mäßig, stets bloß fragmentarisch an die Öffentlichkeit getretenen Jahresabrech¬
nungen sind kaum offiziösen Ursprungs gewesen und jedenfalls niemals ohne ganz
bestimmte Tendenzen dem Publikum zum Besten gegeben worden. Daß ferner¬
en eine authentische Veröffentlichung der Voranschläge oder Staatsabrechnun-
K°n erfolgen werde, steht eben so wenig zu hoffen, da der diesfallstge Vor¬
tag des jekigen Finanzministers Kniajewitsch (seit dem 4/10 Ayrt 1858
^ Amt) am Widerspruch des Reichsraths, und Ministerconseils gescheitert es.
?" den letzten Fnedensjahren der Negierung des Kaisers Nikolaus wurden nun
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bislahrlichcn Staatsausgaben Rußlands von den besten Statistikern auf 275
. 280,000.000 berechnet. Bei weitem schwankender waren bie Angaben
^ die Staatseinnahmen und nur darin übereinstimmend, daß sie die Aus-
niemals erreichten, ja selbst unter ganz gewöhnlichen Verhältnissen ein


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"erhin nur mit vieler Schwierigkeit von den Besitzern der dafür ausgegebenen
Nnchsbillets" (in Appoints von 250 bis 100,000 SN.) als roulirendes Geld zu
Jndustriezwecken verwendet werden können. Daß die Negierung damit direct
Ziel verfolgte, den ferneren Abfluß der Einlagen bei den Neichscreditan-
stalten zu gewerblichen Zwecken zu stopfen, war überdies in dem betreffenden
Ukas vom' 13/25 März ganz unverhohlen ausgesprochen. Wir werden weiter
ausführlicher darauf zurückkommen.

Faßt man das Gesammtziel der Finanzmaßrcgeln vom Juli zusammen,
so erhellt deutlich, daß das außerrussische Europa' eine Summe von 240
bis 300 Mill. Gulden für die Beförderung der russischen Industrie-, Handcls-
und Eisenbahnzwecke einzahlen, ferner mit Nußland etwa 80 Mill. zur Verbesse¬
rung der Valuta beschaffen soll, während die in den Neichscreditanstaltcn
niedergelegten Gelder, deren statutarische Bestimmung die Unterstützung der
privaten landwirthschaftlichen. industriellen und merkantilen Thätigkeit ist, für
Staatsbedürfnisse und Rcgierungszwecke zur Disposition gestellt werden. Unter
solchen Verhältnissen erscheint die Frage nach dem Stande der russischen Staats-
finanzen und der seit dem Regierungsantritt des Kaisers Alexander des Zwei¬
en befolgten finanziellen Politik jedenfalls keine müßige. Dies um so mehr,
^s trotz der vielen Reformen in den verschiedensten Sphären des Staatsle-,
dens das Finanzwesen und die Finanzzustände noch immer ein siebenfach ver¬
siegeltes Buch sind. Es kann uns nicht sowohl darauf ankommen, eine Kritik
^eher Verhältnisse zu versuchen, als vielmehr einfach daraus, eine Ueber¬
sicht der hierher gehörigen, obschon jedenfalls blos lückenhaft bekannt gewor¬
denen Thatsachen zusammenzustellen. Wir müssen zu dem Zwecke einige all-
Semeine Notizen über die Finanzlage im letzten Jahrzehnt der Regierung des
Kaisers Nikolaus voranschicken.

Daß keine authentische Veröffentlichung des Budgets in Nußland existirt.
darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auch die etwa hier und da. unregel¬
mäßig, stets bloß fragmentarisch an die Öffentlichkeit getretenen Jahresabrech¬
nungen sind kaum offiziösen Ursprungs gewesen und jedenfalls niemals ohne ganz
bestimmte Tendenzen dem Publikum zum Besten gegeben worden. Daß ferner¬
en eine authentische Veröffentlichung der Voranschläge oder Staatsabrechnun-
K°n erfolgen werde, steht eben so wenig zu hoffen, da der diesfallstge Vor¬
tag des jekigen Finanzministers Kniajewitsch (seit dem 4/10 Ayrt 1858
^ Amt) am Widerspruch des Reichsraths, und Ministerconseils gescheitert es.
?" den letzten Fnedensjahren der Negierung des Kaisers Nikolaus wurden nun
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bislahrlichcn Staatsausgaben Rußlands von den besten Statistikern auf 275
. 280,000.000 berechnet. Bei weitem schwankender waren bie Angaben
^ die Staatseinnahmen und nur darin übereinstimmend, daß sie die Aus-
niemals erreichten, ja selbst unter ganz gewöhnlichen Verhältnissen ein


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[0335] "erhin nur mit vieler Schwierigkeit von den Besitzern der dafür ausgegebenen Nnchsbillets" (in Appoints von 250 bis 100,000 SN.) als roulirendes Geld zu Jndustriezwecken verwendet werden können. Daß die Negierung damit direct Ziel verfolgte, den ferneren Abfluß der Einlagen bei den Neichscreditan- stalten zu gewerblichen Zwecken zu stopfen, war überdies in dem betreffenden Ukas vom' 13/25 März ganz unverhohlen ausgesprochen. Wir werden weiter ausführlicher darauf zurückkommen. Faßt man das Gesammtziel der Finanzmaßrcgeln vom Juli zusammen, so erhellt deutlich, daß das außerrussische Europa' eine Summe von 240 bis 300 Mill. Gulden für die Beförderung der russischen Industrie-, Handcls- und Eisenbahnzwecke einzahlen, ferner mit Nußland etwa 80 Mill. zur Verbesse¬ rung der Valuta beschaffen soll, während die in den Neichscreditanstaltcn niedergelegten Gelder, deren statutarische Bestimmung die Unterstützung der privaten landwirthschaftlichen. industriellen und merkantilen Thätigkeit ist, für Staatsbedürfnisse und Rcgierungszwecke zur Disposition gestellt werden. Unter solchen Verhältnissen erscheint die Frage nach dem Stande der russischen Staats- finanzen und der seit dem Regierungsantritt des Kaisers Alexander des Zwei¬ en befolgten finanziellen Politik jedenfalls keine müßige. Dies um so mehr, ^s trotz der vielen Reformen in den verschiedensten Sphären des Staatsle-, dens das Finanzwesen und die Finanzzustände noch immer ein siebenfach ver¬ siegeltes Buch sind. Es kann uns nicht sowohl darauf ankommen, eine Kritik ^eher Verhältnisse zu versuchen, als vielmehr einfach daraus, eine Ueber¬ sicht der hierher gehörigen, obschon jedenfalls blos lückenhaft bekannt gewor¬ denen Thatsachen zusammenzustellen. Wir müssen zu dem Zwecke einige all- Semeine Notizen über die Finanzlage im letzten Jahrzehnt der Regierung des Kaisers Nikolaus voranschicken. Daß keine authentische Veröffentlichung des Budgets in Nußland existirt. darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auch die etwa hier und da. unregel¬ mäßig, stets bloß fragmentarisch an die Öffentlichkeit getretenen Jahresabrech¬ nungen sind kaum offiziösen Ursprungs gewesen und jedenfalls niemals ohne ganz bestimmte Tendenzen dem Publikum zum Besten gegeben worden. Daß ferner¬ en eine authentische Veröffentlichung der Voranschläge oder Staatsabrechnun- K°n erfolgen werde, steht eben so wenig zu hoffen, da der diesfallstge Vor¬ tag des jekigen Finanzministers Kniajewitsch (seit dem 4/10 Ayrt 1858 ^ Amt) am Widerspruch des Reichsraths, und Ministerconseils gescheitert es. ?" den letzten Fnedensjahren der Negierung des Kaisers Nikolaus wurden nun ^i^. —ti bislahrlichcn Staatsausgaben Rußlands von den besten Statistikern auf 275 . 280,000.000 berechnet. Bei weitem schwankender waren bie Angaben ^ die Staatseinnahmen und nur darin übereinstimmend, daß sie die Aus- niemals erreichten, ja selbst unter ganz gewöhnlichen Verhältnissen ein 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/335>, abgerufen am 29.06.2024.