Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

trifft, so-stellt sich als unwiderleglich heraus, daß der gute Ruf, den sich Oestreich
zu erwerben wußte, als habe es nur mit blutendem Herzen in jenes "politische
Verbrechen" gewilligt, ein unverdienter ist. Daß Preußen sich vergrößerte, war f>-'^
lieh sehr gegen die Absicht des Kaiserstaats, aber es waren ausschließlich die östrcich''
schen Gewaltthaten, die Preußen in diese bedenkliche Politik trieben. Zwischen beiden
Mächten hat Katharina sehr geschickt lavirt, von moralischen Rücksichten wußte
nichts, und ihr gegenüber konnte man nur Gesichtspunkte der Klugheit walten lasset
Der Hauptpunkt bleibt immer: zum Eingriff in das polnische Gebiet war Preußen
durch seine zerstückelte Lage genöthigt; früher oder spater mußte es dahin kommen,
daß entweder das ganze Ordcnsland >-- das Stammland der Monarchie -- an P^'"
oder Nußland verloren ging, oder daß Preußen die dazwischen liegenden Gebiete an
sich riß. Wo die Lebensfrage so bestimmt gestellt ist, handelt es sich nur um ^
Wahl des richtigen Moments. -- Dankenswcrth ist noch in diesem Buch, daß StiM
zer den engen Zusammenhang zwischen der türkischen und polnischen Frage in e>n
klares Licht gesetzt hat.^

Christian Markgraf zu Bran denburg - Cul in b ach, 1603--1655.
Auf Grund der vorhandenen und neuen Quellen bearbeitet und seinen Zeitgenossen
erzählt von Hartwig Paatz, Mitglied des historischen Vereins von Oberfranken,
Baireuth, Gießet. --- Gegen den historischen Roman, wie er von W. Scott erfunden
und ausgebildet wurde, sind in neuester Zeit, sowol vom künstlerischen wie vom
wissenschaftlichen Standpunkt sehr erhebliche Einwendungen gemacht worden: dr>r)
die Mischung von Wahrheit und Dichtung soll das eine wie das andere bceintracl
ligt, durch dieModernisiruug der Sprache die Localfarbe verwischt werden. ^
haben schon mehrmals ausgesprochen, daß wir diesen Vorwürfen, so weit ste "
aus W. Scott beziehen, nicht beipflichten können, daß er nach unserm Gefühl sNi
durchweg das richtige Maß gehalten hat. -- Diese Ansicht schließt aber den Versus
keineswegs aus, in der historischen Farbe gewissenhafter zu sein. Thackeraus ^
Dsmonü bleibt immer ein sehr bedeutendes Werk, wenn uns auch zuweilen die
s. " s'hr -ermüdet, und dasselbe .aße sich non Kingslcys ^w"ra Ab¬
sagen, welcher Roman uns freilich die Zeit der Königin Elisabeth viel sinnlich"
vorführt als W. Sav.es Leniwortd. Der Verfasser der gegenwärtig Schrift
äußerst gründliche Historische Studien gemacht, und in Bezug aus die SittengescM'
des drnp.g.adrigen Kriegs läßt sich sehr viel aus ihm lernen-, wir Hütten aber
wunjcht. daß er seinen Forschungen die Form gegeben hätte, die sich dafür eign-t,
,d.c streng Historie; seine künstlerischen Zuthaten sind ohne Werth und in der Nach¬
ahmung des Jargons aus dem siebzehnten Jahrhundert sieht man eben stets
Nachahmung heraus, so daß man keine Freude daran hat. Will man jene Sprach-
versinnlichen, so muß man treu ausschreiben: in jener Weise erfinden kann mir
-- t. echte Dichter, und der kann etwas Besseres thun. --




Verantwortlicher Redacteur: v, Moriiz Busch -- Bering von F. L. Hcrbi-i
in Leipzig.
Druck von C. E. Klbert in Leipzig.

trifft, so-stellt sich als unwiderleglich heraus, daß der gute Ruf, den sich Oestreich
zu erwerben wußte, als habe es nur mit blutendem Herzen in jenes „politische
Verbrechen" gewilligt, ein unverdienter ist. Daß Preußen sich vergrößerte, war f>-'^
lieh sehr gegen die Absicht des Kaiserstaats, aber es waren ausschließlich die östrcich''
schen Gewaltthaten, die Preußen in diese bedenkliche Politik trieben. Zwischen beiden
Mächten hat Katharina sehr geschickt lavirt, von moralischen Rücksichten wußte
nichts, und ihr gegenüber konnte man nur Gesichtspunkte der Klugheit walten lasset
Der Hauptpunkt bleibt immer: zum Eingriff in das polnische Gebiet war Preußen
durch seine zerstückelte Lage genöthigt; früher oder spater mußte es dahin kommen,
daß entweder das ganze Ordcnsland >— das Stammland der Monarchie — an P^'"
oder Nußland verloren ging, oder daß Preußen die dazwischen liegenden Gebiete an
sich riß. Wo die Lebensfrage so bestimmt gestellt ist, handelt es sich nur um ^
Wahl des richtigen Moments. — Dankenswcrth ist noch in diesem Buch, daß StiM
zer den engen Zusammenhang zwischen der türkischen und polnischen Frage in e>n
klares Licht gesetzt hat.^

Christian Markgraf zu Bran denburg - Cul in b ach, 1603—1655.
Auf Grund der vorhandenen und neuen Quellen bearbeitet und seinen Zeitgenossen
erzählt von Hartwig Paatz, Mitglied des historischen Vereins von Oberfranken,
Baireuth, Gießet. —- Gegen den historischen Roman, wie er von W. Scott erfunden
und ausgebildet wurde, sind in neuester Zeit, sowol vom künstlerischen wie vom
wissenschaftlichen Standpunkt sehr erhebliche Einwendungen gemacht worden: dr>r)
die Mischung von Wahrheit und Dichtung soll das eine wie das andere bceintracl
ligt, durch dieModernisiruug der Sprache die Localfarbe verwischt werden. ^
haben schon mehrmals ausgesprochen, daß wir diesen Vorwürfen, so weit ste "
aus W. Scott beziehen, nicht beipflichten können, daß er nach unserm Gefühl sNi
durchweg das richtige Maß gehalten hat. — Diese Ansicht schließt aber den Versus
keineswegs aus, in der historischen Farbe gewissenhafter zu sein. Thackeraus ^
Dsmonü bleibt immer ein sehr bedeutendes Werk, wenn uns auch zuweilen die
s. » s'hr -ermüdet, und dasselbe .aße sich non Kingslcys ^w»ra Ab¬
sagen, welcher Roman uns freilich die Zeit der Königin Elisabeth viel sinnlich"
vorführt als W. Sav.es Leniwortd. Der Verfasser der gegenwärtig Schrift
äußerst gründliche Historische Studien gemacht, und in Bezug aus die SittengescM'
des drnp.g.adrigen Kriegs läßt sich sehr viel aus ihm lernen-, wir Hütten aber
wunjcht. daß er seinen Forschungen die Form gegeben hätte, die sich dafür eign-t,
,d.c streng Historie; seine künstlerischen Zuthaten sind ohne Werth und in der Nach¬
ahmung des Jargons aus dem siebzehnten Jahrhundert sieht man eben stets
Nachahmung heraus, so daß man keine Freude daran hat. Will man jene Sprach-
versinnlichen, so muß man treu ausschreiben: in jener Weise erfinden kann mir
— t. echte Dichter, und der kann etwas Besseres thun. —




Verantwortlicher Redacteur: v, Moriiz Busch — Bering von F. L. Hcrbi-i
in Leipzig.
Druck von C. E. Klbert in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108462"/>
          <p xml:id="ID_1093" prev="#ID_1092"> trifft, so-stellt sich als unwiderleglich heraus, daß der gute Ruf, den sich Oestreich<lb/>
zu erwerben wußte, als habe es nur mit blutendem Herzen in jenes &#x201E;politische<lb/>
Verbrechen" gewilligt, ein unverdienter ist. Daß Preußen sich vergrößerte, war f&gt;-'^<lb/>
lieh sehr gegen die Absicht des Kaiserstaats, aber es waren ausschließlich die östrcich''<lb/>
schen Gewaltthaten, die Preußen in diese bedenkliche Politik trieben. Zwischen beiden<lb/>
Mächten hat Katharina sehr geschickt lavirt, von moralischen Rücksichten wußte<lb/>
nichts, und ihr gegenüber konnte man nur Gesichtspunkte der Klugheit walten lasset<lb/>
Der Hauptpunkt bleibt immer: zum Eingriff in das polnische Gebiet war Preußen<lb/>
durch seine zerstückelte Lage genöthigt; früher oder spater mußte es dahin kommen,<lb/>
daß entweder das ganze Ordcnsland &gt;&#x2014; das Stammland der Monarchie &#x2014; an P^'"<lb/>
oder Nußland verloren ging, oder daß Preußen die dazwischen liegenden Gebiete an<lb/>
sich riß. Wo die Lebensfrage so bestimmt gestellt ist, handelt es sich nur um ^<lb/>
Wahl des richtigen Moments. &#x2014; Dankenswcrth ist noch in diesem Buch, daß StiM<lb/>
zer den engen Zusammenhang zwischen der türkischen und polnischen Frage in e&gt;n<lb/>
klares Licht gesetzt hat.^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1094"> Christian Markgraf zu Bran denburg - Cul in b ach, 1603&#x2014;1655.<lb/>
Auf Grund der vorhandenen und neuen Quellen bearbeitet und seinen Zeitgenossen<lb/>
erzählt von Hartwig Paatz, Mitglied des historischen Vereins von Oberfranken,<lb/>
Baireuth, Gießet. &#x2014;- Gegen den historischen Roman, wie er von W. Scott erfunden<lb/>
und ausgebildet wurde, sind in neuester Zeit, sowol vom künstlerischen wie vom<lb/>
wissenschaftlichen Standpunkt sehr erhebliche Einwendungen gemacht worden: dr&gt;r)<lb/>
die Mischung von Wahrheit und Dichtung soll das eine wie das andere bceintracl<lb/>
ligt, durch dieModernisiruug der Sprache die Localfarbe verwischt werden. ^<lb/>
haben schon mehrmals ausgesprochen, daß wir diesen Vorwürfen, so weit ste "<lb/>
aus W. Scott beziehen, nicht beipflichten können, daß er nach unserm Gefühl sNi<lb/>
durchweg das richtige Maß gehalten hat. &#x2014; Diese Ansicht schließt aber den Versus<lb/>
keineswegs aus, in der historischen Farbe gewissenhafter zu sein. Thackeraus ^<lb/>
Dsmonü bleibt immer ein sehr bedeutendes Werk, wenn uns auch zuweilen die<lb/>
s. » s'hr -ermüdet, und dasselbe .aße sich non Kingslcys ^w»ra Ab¬<lb/>
sagen, welcher Roman uns freilich die Zeit der Königin Elisabeth viel sinnlich"<lb/>
vorführt als W. Sav.es Leniwortd.  Der Verfasser der gegenwärtig Schrift<lb/>
äußerst gründliche Historische Studien gemacht, und in Bezug aus die SittengescM'<lb/>
des drnp.g.adrigen Kriegs läßt sich sehr viel aus ihm lernen-, wir Hütten aber<lb/>
wunjcht. daß er seinen Forschungen die Form gegeben hätte, die sich dafür eign-t,<lb/>
,d.c streng Historie; seine künstlerischen Zuthaten sind ohne Werth und in der Nach¬<lb/>
ahmung des Jargons aus dem siebzehnten Jahrhundert sieht man eben stets<lb/>
Nachahmung heraus, so daß man keine Freude daran hat.  Will man jene Sprach-<lb/>
versinnlichen, so muß man treu ausschreiben: in jener Weise erfinden kann mir<lb/><note type="byline"> &#x2014; t.</note> echte Dichter, und der kann etwas Besseres thun. &#x2014; </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: v, Moriiz Busch &#x2014; Bering von F. L. Hcrbi-i<lb/>
in Leipzig.<lb/>
Druck von C. E. Klbert in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] trifft, so-stellt sich als unwiderleglich heraus, daß der gute Ruf, den sich Oestreich zu erwerben wußte, als habe es nur mit blutendem Herzen in jenes „politische Verbrechen" gewilligt, ein unverdienter ist. Daß Preußen sich vergrößerte, war f>-'^ lieh sehr gegen die Absicht des Kaiserstaats, aber es waren ausschließlich die östrcich'' schen Gewaltthaten, die Preußen in diese bedenkliche Politik trieben. Zwischen beiden Mächten hat Katharina sehr geschickt lavirt, von moralischen Rücksichten wußte nichts, und ihr gegenüber konnte man nur Gesichtspunkte der Klugheit walten lasset Der Hauptpunkt bleibt immer: zum Eingriff in das polnische Gebiet war Preußen durch seine zerstückelte Lage genöthigt; früher oder spater mußte es dahin kommen, daß entweder das ganze Ordcnsland >— das Stammland der Monarchie — an P^'" oder Nußland verloren ging, oder daß Preußen die dazwischen liegenden Gebiete an sich riß. Wo die Lebensfrage so bestimmt gestellt ist, handelt es sich nur um ^ Wahl des richtigen Moments. — Dankenswcrth ist noch in diesem Buch, daß StiM zer den engen Zusammenhang zwischen der türkischen und polnischen Frage in e>n klares Licht gesetzt hat.^ Christian Markgraf zu Bran denburg - Cul in b ach, 1603—1655. Auf Grund der vorhandenen und neuen Quellen bearbeitet und seinen Zeitgenossen erzählt von Hartwig Paatz, Mitglied des historischen Vereins von Oberfranken, Baireuth, Gießet. —- Gegen den historischen Roman, wie er von W. Scott erfunden und ausgebildet wurde, sind in neuester Zeit, sowol vom künstlerischen wie vom wissenschaftlichen Standpunkt sehr erhebliche Einwendungen gemacht worden: dr>r) die Mischung von Wahrheit und Dichtung soll das eine wie das andere bceintracl ligt, durch dieModernisiruug der Sprache die Localfarbe verwischt werden. ^ haben schon mehrmals ausgesprochen, daß wir diesen Vorwürfen, so weit ste " aus W. Scott beziehen, nicht beipflichten können, daß er nach unserm Gefühl sNi durchweg das richtige Maß gehalten hat. — Diese Ansicht schließt aber den Versus keineswegs aus, in der historischen Farbe gewissenhafter zu sein. Thackeraus ^ Dsmonü bleibt immer ein sehr bedeutendes Werk, wenn uns auch zuweilen die s. » s'hr -ermüdet, und dasselbe .aße sich non Kingslcys ^w»ra Ab¬ sagen, welcher Roman uns freilich die Zeit der Königin Elisabeth viel sinnlich" vorführt als W. Sav.es Leniwortd. Der Verfasser der gegenwärtig Schrift äußerst gründliche Historische Studien gemacht, und in Bezug aus die SittengescM' des drnp.g.adrigen Kriegs läßt sich sehr viel aus ihm lernen-, wir Hütten aber wunjcht. daß er seinen Forschungen die Form gegeben hätte, die sich dafür eign-t, ,d.c streng Historie; seine künstlerischen Zuthaten sind ohne Werth und in der Nach¬ ahmung des Jargons aus dem siebzehnten Jahrhundert sieht man eben stets Nachahmung heraus, so daß man keine Freude daran hat. Will man jene Sprach- versinnlichen, so muß man treu ausschreiben: in jener Weise erfinden kann mir — t. echte Dichter, und der kann etwas Besseres thun. — Verantwortlicher Redacteur: v, Moriiz Busch — Bering von F. L. Hcrbi-i in Leipzig. Druck von C. E. Klbert in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/332>, abgerufen am 29.06.2024.