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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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delsgewächsen. immer die Hauptsache bleiben. Es ist gar nicht anders mög¬
lich, theils weil der Umfang dieser Güter für jeden anderen als den Kornbau
auf großer Fläche viel zu bedeutend ist. theils weil das Land so schöne und
zahlreiche Wiesenflächen besitzt, daß sie absolut zum Betriebe der Viehzucht (wo
diese ist. muß auch Kornbau getrieben werden) zwingen. Und selbst wenn der
gänzlich undenkbare Fall eintreten sollte, daß die Güter in zu großem Maaße
der Kultur von Handelsgewächsen anheimfielen, so blieben immer noch die
Pachtdomainen. welche eine einfache regiminclle Verordnung dem Kornbaue
erhalten könnte. Preußen kann es aufs Klarste beweisen, daß alle Befürch¬
tungen in dieser Hinsicht unbegründet sind.

Wir müssen die eben erwähnten Umstände deshalb so scharf betonen, weil
man nicht selten die Befürchtung vernimmt, daß der für den Kornbau erzo¬
gene Arbeiter durch den Anschluß Mecklenburgs an den Zollverein nach allen
Richtungen hin leiden würde. Was die Löhnung betrifft, so ist dies mit
Sicherheit nicht zu erwarten; denn gerade da pflegt dieselbe gering und stabil
zu sein, wo sich nur eine Art der Beschäftigung findet, wo der Arbeiter keine
Wahl hat und sich seiner Stellung nicht entziehen kann. Dies zeigt Mecklen¬
burg gegenwärtig sehr klar. Dabei wird ferner eine sehr große Abhängigkeit
des Arbeiters vom Arbeitgeber unvermeidlich, wie es Mecklenburg ebenfalls
beweist. Giebt es im Lande dagegen Fabriken neben der Landwirthschaft, so
regeln jene hinsichtlich der Lohnsähe diese, und umgekehrt; es wird eine Ver¬
besserung der materiellen Lage der Arbeiter sehr wahrscheinlich sein. -- Man
behauptet nun, die Landwirthschaft könne die vorräthigen Arbeitshände nicht
entbehren. Dies ist geradezu nicht wahr; in den Städten gibt es zahlreiche
Arbeiter, welche nicht immer Beschäftigung finden, vom Lande aus hat man
Tausende nach Amerika wandern lassen. Ferner wird gesagt, durch die Fa¬
brikbeschäftigung werde der Arbeiter demoralisirt. Es ist darauf zu entgegnen,
daß nach Ausweise der Kirchenbücher u. s. w. auch der Ackerbau-Arbeiter nicht
sonderlich sittlich ist, es sei denn, daß man unter moralischem Verhalten vor¬
nehmlich die Unterthänigkeit gegen den Arbeitgeber versteht, welche allerdings
in Zukunft nicht so bleiben würde, wie sie jetzt ist. Daß die Fabrikarbeit
das Heirathen erleichtert, "ist für Mecklenburg sehr gut. Alle üblen Folge"
des engen Zusammenlebens finden sich auch aus den Gütern, sind übrigens
nur bedingungsweise mit der Fabrik-Industrie verbunden. -- Die Nachtheil
deren Entstehen man so leicht behauptet, ohne sich die Verhältnisse allemal klar ge¬
macht zu haben, sind zum größten Theile imaginair; die Folgen des Anschlusses
Mecklenburgs an den Zollverein werden sich anfänglich etwas scharf und
und da drückend herausstellen, sich aber sehr bald ausgleichen. Die Güter
haben und behalten es sehr wol in ihrer Macht, durch feste Accorde Arbeiter
an sich zu fesseln; selbstständiger werden diese zwar sehr wahrscheinlich,


delsgewächsen. immer die Hauptsache bleiben. Es ist gar nicht anders mög¬
lich, theils weil der Umfang dieser Güter für jeden anderen als den Kornbau
auf großer Fläche viel zu bedeutend ist. theils weil das Land so schöne und
zahlreiche Wiesenflächen besitzt, daß sie absolut zum Betriebe der Viehzucht (wo
diese ist. muß auch Kornbau getrieben werden) zwingen. Und selbst wenn der
gänzlich undenkbare Fall eintreten sollte, daß die Güter in zu großem Maaße
der Kultur von Handelsgewächsen anheimfielen, so blieben immer noch die
Pachtdomainen. welche eine einfache regiminclle Verordnung dem Kornbaue
erhalten könnte. Preußen kann es aufs Klarste beweisen, daß alle Befürch¬
tungen in dieser Hinsicht unbegründet sind.

Wir müssen die eben erwähnten Umstände deshalb so scharf betonen, weil
man nicht selten die Befürchtung vernimmt, daß der für den Kornbau erzo¬
gene Arbeiter durch den Anschluß Mecklenburgs an den Zollverein nach allen
Richtungen hin leiden würde. Was die Löhnung betrifft, so ist dies mit
Sicherheit nicht zu erwarten; denn gerade da pflegt dieselbe gering und stabil
zu sein, wo sich nur eine Art der Beschäftigung findet, wo der Arbeiter keine
Wahl hat und sich seiner Stellung nicht entziehen kann. Dies zeigt Mecklen¬
burg gegenwärtig sehr klar. Dabei wird ferner eine sehr große Abhängigkeit
des Arbeiters vom Arbeitgeber unvermeidlich, wie es Mecklenburg ebenfalls
beweist. Giebt es im Lande dagegen Fabriken neben der Landwirthschaft, so
regeln jene hinsichtlich der Lohnsähe diese, und umgekehrt; es wird eine Ver¬
besserung der materiellen Lage der Arbeiter sehr wahrscheinlich sein. — Man
behauptet nun, die Landwirthschaft könne die vorräthigen Arbeitshände nicht
entbehren. Dies ist geradezu nicht wahr; in den Städten gibt es zahlreiche
Arbeiter, welche nicht immer Beschäftigung finden, vom Lande aus hat man
Tausende nach Amerika wandern lassen. Ferner wird gesagt, durch die Fa¬
brikbeschäftigung werde der Arbeiter demoralisirt. Es ist darauf zu entgegnen,
daß nach Ausweise der Kirchenbücher u. s. w. auch der Ackerbau-Arbeiter nicht
sonderlich sittlich ist, es sei denn, daß man unter moralischem Verhalten vor¬
nehmlich die Unterthänigkeit gegen den Arbeitgeber versteht, welche allerdings
in Zukunft nicht so bleiben würde, wie sie jetzt ist. Daß die Fabrikarbeit
das Heirathen erleichtert, «ist für Mecklenburg sehr gut. Alle üblen Folge"
des engen Zusammenlebens finden sich auch aus den Gütern, sind übrigens
nur bedingungsweise mit der Fabrik-Industrie verbunden. — Die Nachtheil
deren Entstehen man so leicht behauptet, ohne sich die Verhältnisse allemal klar ge¬
macht zu haben, sind zum größten Theile imaginair; die Folgen des Anschlusses
Mecklenburgs an den Zollverein werden sich anfänglich etwas scharf und
und da drückend herausstellen, sich aber sehr bald ausgleichen. Die Güter
haben und behalten es sehr wol in ihrer Macht, durch feste Accorde Arbeiter
an sich zu fesseln; selbstständiger werden diese zwar sehr wahrscheinlich,


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[0308] delsgewächsen. immer die Hauptsache bleiben. Es ist gar nicht anders mög¬ lich, theils weil der Umfang dieser Güter für jeden anderen als den Kornbau auf großer Fläche viel zu bedeutend ist. theils weil das Land so schöne und zahlreiche Wiesenflächen besitzt, daß sie absolut zum Betriebe der Viehzucht (wo diese ist. muß auch Kornbau getrieben werden) zwingen. Und selbst wenn der gänzlich undenkbare Fall eintreten sollte, daß die Güter in zu großem Maaße der Kultur von Handelsgewächsen anheimfielen, so blieben immer noch die Pachtdomainen. welche eine einfache regiminclle Verordnung dem Kornbaue erhalten könnte. Preußen kann es aufs Klarste beweisen, daß alle Befürch¬ tungen in dieser Hinsicht unbegründet sind. Wir müssen die eben erwähnten Umstände deshalb so scharf betonen, weil man nicht selten die Befürchtung vernimmt, daß der für den Kornbau erzo¬ gene Arbeiter durch den Anschluß Mecklenburgs an den Zollverein nach allen Richtungen hin leiden würde. Was die Löhnung betrifft, so ist dies mit Sicherheit nicht zu erwarten; denn gerade da pflegt dieselbe gering und stabil zu sein, wo sich nur eine Art der Beschäftigung findet, wo der Arbeiter keine Wahl hat und sich seiner Stellung nicht entziehen kann. Dies zeigt Mecklen¬ burg gegenwärtig sehr klar. Dabei wird ferner eine sehr große Abhängigkeit des Arbeiters vom Arbeitgeber unvermeidlich, wie es Mecklenburg ebenfalls beweist. Giebt es im Lande dagegen Fabriken neben der Landwirthschaft, so regeln jene hinsichtlich der Lohnsähe diese, und umgekehrt; es wird eine Ver¬ besserung der materiellen Lage der Arbeiter sehr wahrscheinlich sein. — Man behauptet nun, die Landwirthschaft könne die vorräthigen Arbeitshände nicht entbehren. Dies ist geradezu nicht wahr; in den Städten gibt es zahlreiche Arbeiter, welche nicht immer Beschäftigung finden, vom Lande aus hat man Tausende nach Amerika wandern lassen. Ferner wird gesagt, durch die Fa¬ brikbeschäftigung werde der Arbeiter demoralisirt. Es ist darauf zu entgegnen, daß nach Ausweise der Kirchenbücher u. s. w. auch der Ackerbau-Arbeiter nicht sonderlich sittlich ist, es sei denn, daß man unter moralischem Verhalten vor¬ nehmlich die Unterthänigkeit gegen den Arbeitgeber versteht, welche allerdings in Zukunft nicht so bleiben würde, wie sie jetzt ist. Daß die Fabrikarbeit das Heirathen erleichtert, «ist für Mecklenburg sehr gut. Alle üblen Folge" des engen Zusammenlebens finden sich auch aus den Gütern, sind übrigens nur bedingungsweise mit der Fabrik-Industrie verbunden. — Die Nachtheil deren Entstehen man so leicht behauptet, ohne sich die Verhältnisse allemal klar ge¬ macht zu haben, sind zum größten Theile imaginair; die Folgen des Anschlusses Mecklenburgs an den Zollverein werden sich anfänglich etwas scharf und und da drückend herausstellen, sich aber sehr bald ausgleichen. Die Güter haben und behalten es sehr wol in ihrer Macht, durch feste Accorde Arbeiter an sich zu fesseln; selbstständiger werden diese zwar sehr wahrscheinlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/308>, abgerufen am 29.06.2024.