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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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könne gehoben werden. Es ist nun zunächst natürlich, daß wenn ein Land
dem Zollvereine mit weit höher ausgebildeter Industrie beitritt, die Industrie
des ersteren auf eine Zeitlang etwas mehr herabgedrückt werden muß. Die
nicht naturwüchsige Industrie wird mehr oder minder eingehen. Dies beruht
auf der natürlichen Ausgleichung, welcher zumal in größeren Ländercomplexen
die bürgerlichen Beschäftigungen unterliegen müssen. Wir leugnen deshalb
nicht, daß man mit Recht sagen könne, einzelne Industriezweige werden durch
jenen Schritt benachteiligt werden. Darin aber kann man keinen Grund
gegen den Anschluß an den Zollverein sehen, wenn man erwägt, daß Meck¬
lenburg der Einfuhr aus diesem schon jetzt so gut wie offen ist. wenn man
die vom statistischen Bureau veröffentlichten Tabellen durchsieht und die sehr
große Einfuhr von auswärts überhaupt berechnet. Man behauptet und
sucht diese Behauptung absichtlich zu verbreiten, daß mit dem Zollvereine
sofort eine wahre Ueberfluthung des Laydes mit Fabriken kommen würde.
Das ist eine gänzlich falsche Vorstellung, und thöricht ist es, daneben auf die
reinen Fabrikdistrikte Sachsens und Schlesiens, auf die Armuth ihrer Be¬
wohner zu verweisen und sie dem Mecklenburger als Schreckbild vor die Augen
ZU halten. Fabriken werden allerdings und hoffentlich entstehen; der specula-
iive Landwirth z. B. wird Rübenzucker bereiten, es werden Glashütten, Tuch¬
webereien, Mehl-, Papier-, Farbe- Fabriken, größere Destillationen, Braue¬
ten, Maschinenbauereien u. s. w. entstehen, kurz, die Betriebsamkeit wird
sich aus die zu lange vernachlässigte Verarbeitung der Rohproducte des Landes
^gen und auch einzelne Artikel zum Zwecke der Fabrikation von auswärts
^ziehen. Die Grundbesitzer werden zu sofortiger Verarbeitung geeignete
Pflanzen bauen und dadurch ihre Grundstücke im Ertrage und Werthe erhöhen,
vielleicht werden sich auch einzelne auswärtige Industrielle finden, die Eta-
^issements in Mecklenburg anlegen, indem sie theils von der günstigen Lage
der Häfen, theils von den billigen Arbetts- und Confumtionsp, eisen ihren
Vortheil suchen. Letzteres wird sich aber bald genug ausgleichen. Die Folge
von diesem Allem jedoch wird sein, daß Arbeit und Geld ins Land kommt,
^ß die naturwüchsigen Gewerbe zu Anstrengungen geleitet werden und sich
^WPvrheben, die übrigen freilich, um welche es jedenfalls nicht Schade ist,
biegen. Werden dadurch Menschen brodlos, so ist ihnen ja eben Gelegen-
^it gegeben, statt des kümmerlich betriebenen eigenen Gewerbes alsdann
'n den Fabriken thätig zu werden. Wer die hiesigen Gewerbetreibenden der
gieren Art kennt, der kann nur aus falscher Humanität oder bewußter Ab¬
sicht den Verlust ihrer Selbstständigkeit bedauern; sie sind als Fabrikarbeiter
einer viel besseren Lage. Für Mecklenburg mit seinen großen Gütern und
Umfangreichen Domainen wird aber trotz aller Fabriken die Landwirthschaft
^d zwar der Kornbau, selbst bei einem sehr bedeutenden Anbaue von Hnn-


könne gehoben werden. Es ist nun zunächst natürlich, daß wenn ein Land
dem Zollvereine mit weit höher ausgebildeter Industrie beitritt, die Industrie
des ersteren auf eine Zeitlang etwas mehr herabgedrückt werden muß. Die
nicht naturwüchsige Industrie wird mehr oder minder eingehen. Dies beruht
auf der natürlichen Ausgleichung, welcher zumal in größeren Ländercomplexen
die bürgerlichen Beschäftigungen unterliegen müssen. Wir leugnen deshalb
nicht, daß man mit Recht sagen könne, einzelne Industriezweige werden durch
jenen Schritt benachteiligt werden. Darin aber kann man keinen Grund
gegen den Anschluß an den Zollverein sehen, wenn man erwägt, daß Meck¬
lenburg der Einfuhr aus diesem schon jetzt so gut wie offen ist. wenn man
die vom statistischen Bureau veröffentlichten Tabellen durchsieht und die sehr
große Einfuhr von auswärts überhaupt berechnet. Man behauptet und
sucht diese Behauptung absichtlich zu verbreiten, daß mit dem Zollvereine
sofort eine wahre Ueberfluthung des Laydes mit Fabriken kommen würde.
Das ist eine gänzlich falsche Vorstellung, und thöricht ist es, daneben auf die
reinen Fabrikdistrikte Sachsens und Schlesiens, auf die Armuth ihrer Be¬
wohner zu verweisen und sie dem Mecklenburger als Schreckbild vor die Augen
ZU halten. Fabriken werden allerdings und hoffentlich entstehen; der specula-
iive Landwirth z. B. wird Rübenzucker bereiten, es werden Glashütten, Tuch¬
webereien, Mehl-, Papier-, Farbe- Fabriken, größere Destillationen, Braue¬
ten, Maschinenbauereien u. s. w. entstehen, kurz, die Betriebsamkeit wird
sich aus die zu lange vernachlässigte Verarbeitung der Rohproducte des Landes
^gen und auch einzelne Artikel zum Zwecke der Fabrikation von auswärts
^ziehen. Die Grundbesitzer werden zu sofortiger Verarbeitung geeignete
Pflanzen bauen und dadurch ihre Grundstücke im Ertrage und Werthe erhöhen,
vielleicht werden sich auch einzelne auswärtige Industrielle finden, die Eta-
^issements in Mecklenburg anlegen, indem sie theils von der günstigen Lage
der Häfen, theils von den billigen Arbetts- und Confumtionsp, eisen ihren
Vortheil suchen. Letzteres wird sich aber bald genug ausgleichen. Die Folge
von diesem Allem jedoch wird sein, daß Arbeit und Geld ins Land kommt,
^ß die naturwüchsigen Gewerbe zu Anstrengungen geleitet werden und sich
^WPvrheben, die übrigen freilich, um welche es jedenfalls nicht Schade ist,
biegen. Werden dadurch Menschen brodlos, so ist ihnen ja eben Gelegen-
^it gegeben, statt des kümmerlich betriebenen eigenen Gewerbes alsdann
'n den Fabriken thätig zu werden. Wer die hiesigen Gewerbetreibenden der
gieren Art kennt, der kann nur aus falscher Humanität oder bewußter Ab¬
sicht den Verlust ihrer Selbstständigkeit bedauern; sie sind als Fabrikarbeiter
einer viel besseren Lage. Für Mecklenburg mit seinen großen Gütern und
Umfangreichen Domainen wird aber trotz aller Fabriken die Landwirthschaft
^d zwar der Kornbau, selbst bei einem sehr bedeutenden Anbaue von Hnn-


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[0307] könne gehoben werden. Es ist nun zunächst natürlich, daß wenn ein Land dem Zollvereine mit weit höher ausgebildeter Industrie beitritt, die Industrie des ersteren auf eine Zeitlang etwas mehr herabgedrückt werden muß. Die nicht naturwüchsige Industrie wird mehr oder minder eingehen. Dies beruht auf der natürlichen Ausgleichung, welcher zumal in größeren Ländercomplexen die bürgerlichen Beschäftigungen unterliegen müssen. Wir leugnen deshalb nicht, daß man mit Recht sagen könne, einzelne Industriezweige werden durch jenen Schritt benachteiligt werden. Darin aber kann man keinen Grund gegen den Anschluß an den Zollverein sehen, wenn man erwägt, daß Meck¬ lenburg der Einfuhr aus diesem schon jetzt so gut wie offen ist. wenn man die vom statistischen Bureau veröffentlichten Tabellen durchsieht und die sehr große Einfuhr von auswärts überhaupt berechnet. Man behauptet und sucht diese Behauptung absichtlich zu verbreiten, daß mit dem Zollvereine sofort eine wahre Ueberfluthung des Laydes mit Fabriken kommen würde. Das ist eine gänzlich falsche Vorstellung, und thöricht ist es, daneben auf die reinen Fabrikdistrikte Sachsens und Schlesiens, auf die Armuth ihrer Be¬ wohner zu verweisen und sie dem Mecklenburger als Schreckbild vor die Augen ZU halten. Fabriken werden allerdings und hoffentlich entstehen; der specula- iive Landwirth z. B. wird Rübenzucker bereiten, es werden Glashütten, Tuch¬ webereien, Mehl-, Papier-, Farbe- Fabriken, größere Destillationen, Braue¬ ten, Maschinenbauereien u. s. w. entstehen, kurz, die Betriebsamkeit wird sich aus die zu lange vernachlässigte Verarbeitung der Rohproducte des Landes ^gen und auch einzelne Artikel zum Zwecke der Fabrikation von auswärts ^ziehen. Die Grundbesitzer werden zu sofortiger Verarbeitung geeignete Pflanzen bauen und dadurch ihre Grundstücke im Ertrage und Werthe erhöhen, vielleicht werden sich auch einzelne auswärtige Industrielle finden, die Eta- ^issements in Mecklenburg anlegen, indem sie theils von der günstigen Lage der Häfen, theils von den billigen Arbetts- und Confumtionsp, eisen ihren Vortheil suchen. Letzteres wird sich aber bald genug ausgleichen. Die Folge von diesem Allem jedoch wird sein, daß Arbeit und Geld ins Land kommt, ^ß die naturwüchsigen Gewerbe zu Anstrengungen geleitet werden und sich ^WPvrheben, die übrigen freilich, um welche es jedenfalls nicht Schade ist, biegen. Werden dadurch Menschen brodlos, so ist ihnen ja eben Gelegen- ^it gegeben, statt des kümmerlich betriebenen eigenen Gewerbes alsdann 'n den Fabriken thätig zu werden. Wer die hiesigen Gewerbetreibenden der gieren Art kennt, der kann nur aus falscher Humanität oder bewußter Ab¬ sicht den Verlust ihrer Selbstständigkeit bedauern; sie sind als Fabrikarbeiter einer viel besseren Lage. Für Mecklenburg mit seinen großen Gütern und Umfangreichen Domainen wird aber trotz aller Fabriken die Landwirthschaft ^d zwar der Kornbau, selbst bei einem sehr bedeutenden Anbaue von Hnn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/307>, abgerufen am 29.06.2024.