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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Vertrauen schenken. Soviel ist aber wol Allen unzweifelhaft, daß, abgesehen
vom Eisenzolle, der Schiffsbau nach dem Anschlusse an den Zollverein nicht
um einen Heller vertheucrt wird.

Für die Rhederei wäre es ein unabsehbarer und dem Handel durch bil¬
ligere Frachtsätze nebst verminderter Secgefahr wieder zu Gute kommender
Lortheil, wenn sie mehr und mehr um Welthandel Theil nähme, wenn Schiffe
von größerer Tragfähigkeit erbaut würden, wenn diese unter der Flagge eines
mehr als^ZO Mill. Menschen repräsentirenden Vereins führen, wenn sie alle
Häfen des Zollvereins befahren dürften, ohne irgend eine Belästigung be¬
fürchten zu müssen. Alles dies wird die Schiffahrt durch den Anschluß an
den Zollverein gewinnen, und eine solche Hebung derselben wiegt gewiß man¬
chen kleinen etwaigen Nachtheil, vielleicht selbst denjenigen der Eisenzolle auf.
-- Wenn die Fahrten nach und von England in noch größerem Maße auf¬
hörten, als bisher, fänden sich der neuen Wege genug, welche die jetzigen,
für Fahrten über das Weltmeer zu kleinen Schiffe im günstigsten Falle immer
nur vereinzelt aufsuchen könnten. Und daß Letzteres überhaupt noch der Fall
ist, beruht auf der Tüchtigkeit der mecklenburgischen Seeleute, welche sich sy"'
ter noch ganz anders erweisen könnte, zumal nun auch aus den Navigations-
schulen wissenschaftlich gebildete Steuerleute und Capitäne hervorgehen, die
sich wahrlich nur ungern mit Fahrten in der Ostsee begnügen. Der Unter¬
schied, welcher sich daraus ergeben wird, daß die hiesigen Schiffe und durch
sie der hiesige Handel an dem ganzen maritimen und Binnenverkehre des Zoll¬
vereins Theil nehmen können, einem Verkehre, welcher jährlich steigt und
schon jetzt eine nie geahnte Höhe erreicht hat, dieser Unterschied muß deM
Kurzsichtigsten in die Augen springen. Und welche Veränderungen auch der
Zollverein bald oder in späterer Zukunft erleiden mag, das schon bestehende
und gefesselte gemeinsame Interesse an ihm als einem Ganzen ist doch ein
Kitt, der dauernd binden wird. Hat man sich diese Ueberzeugung nur erst
errungen und sieht im Zollvereine eine nationale Schöpfung, welche etwas
mehr bezweckt, als die Ordnung der Finanzwirthschaft in den deutschen Staa¬
ten allein; so wird mau auch nicht mel,r auf die für 1860 bevorstehende Zoll-
conferenz hinweisen, von ihr eine Vernichtung des ganzen Vereines nicht mehr
erwarten und von ihre" etwaigen Resultaten nicht mehr, wie jetzt häufig
schieht, den Veitritt eines in Rücksicht auf das ganze Deutschland so unbe¬
deutenden Gebietes, wie es die beide" Großherzogthümer Mecklenburg mit
600,000 Consumenten besitzen, abhängig machen wollen.e

Wir gehen jetzt zu der Betrachtung der Veränderungen über, welche d>
hiesige Industrie durch den Anschluß an den Zollverein etwa erleiden wird-
Ihr gegenwärtiger Zustand .wurde schon geschildert und darauf hingewiesen,
daß sie auch durch die Einrichtung eines mecklenburgischen Grenzzolles nicht


Vertrauen schenken. Soviel ist aber wol Allen unzweifelhaft, daß, abgesehen
vom Eisenzolle, der Schiffsbau nach dem Anschlusse an den Zollverein nicht
um einen Heller vertheucrt wird.

Für die Rhederei wäre es ein unabsehbarer und dem Handel durch bil¬
ligere Frachtsätze nebst verminderter Secgefahr wieder zu Gute kommender
Lortheil, wenn sie mehr und mehr um Welthandel Theil nähme, wenn Schiffe
von größerer Tragfähigkeit erbaut würden, wenn diese unter der Flagge eines
mehr als^ZO Mill. Menschen repräsentirenden Vereins führen, wenn sie alle
Häfen des Zollvereins befahren dürften, ohne irgend eine Belästigung be¬
fürchten zu müssen. Alles dies wird die Schiffahrt durch den Anschluß an
den Zollverein gewinnen, und eine solche Hebung derselben wiegt gewiß man¬
chen kleinen etwaigen Nachtheil, vielleicht selbst denjenigen der Eisenzolle auf.
— Wenn die Fahrten nach und von England in noch größerem Maße auf¬
hörten, als bisher, fänden sich der neuen Wege genug, welche die jetzigen,
für Fahrten über das Weltmeer zu kleinen Schiffe im günstigsten Falle immer
nur vereinzelt aufsuchen könnten. Und daß Letzteres überhaupt noch der Fall
ist, beruht auf der Tüchtigkeit der mecklenburgischen Seeleute, welche sich sy»'
ter noch ganz anders erweisen könnte, zumal nun auch aus den Navigations-
schulen wissenschaftlich gebildete Steuerleute und Capitäne hervorgehen, die
sich wahrlich nur ungern mit Fahrten in der Ostsee begnügen. Der Unter¬
schied, welcher sich daraus ergeben wird, daß die hiesigen Schiffe und durch
sie der hiesige Handel an dem ganzen maritimen und Binnenverkehre des Zoll¬
vereins Theil nehmen können, einem Verkehre, welcher jährlich steigt und
schon jetzt eine nie geahnte Höhe erreicht hat, dieser Unterschied muß deM
Kurzsichtigsten in die Augen springen. Und welche Veränderungen auch der
Zollverein bald oder in späterer Zukunft erleiden mag, das schon bestehende
und gefesselte gemeinsame Interesse an ihm als einem Ganzen ist doch ein
Kitt, der dauernd binden wird. Hat man sich diese Ueberzeugung nur erst
errungen und sieht im Zollvereine eine nationale Schöpfung, welche etwas
mehr bezweckt, als die Ordnung der Finanzwirthschaft in den deutschen Staa¬
ten allein; so wird mau auch nicht mel,r auf die für 1860 bevorstehende Zoll-
conferenz hinweisen, von ihr eine Vernichtung des ganzen Vereines nicht mehr
erwarten und von ihre» etwaigen Resultaten nicht mehr, wie jetzt häufig
schieht, den Veitritt eines in Rücksicht auf das ganze Deutschland so unbe¬
deutenden Gebietes, wie es die beide» Großherzogthümer Mecklenburg mit
600,000 Consumenten besitzen, abhängig machen wollen.e

Wir gehen jetzt zu der Betrachtung der Veränderungen über, welche d>
hiesige Industrie durch den Anschluß an den Zollverein etwa erleiden wird-
Ihr gegenwärtiger Zustand .wurde schon geschildert und darauf hingewiesen,
daß sie auch durch die Einrichtung eines mecklenburgischen Grenzzolles nicht


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[0306] Vertrauen schenken. Soviel ist aber wol Allen unzweifelhaft, daß, abgesehen vom Eisenzolle, der Schiffsbau nach dem Anschlusse an den Zollverein nicht um einen Heller vertheucrt wird. Für die Rhederei wäre es ein unabsehbarer und dem Handel durch bil¬ ligere Frachtsätze nebst verminderter Secgefahr wieder zu Gute kommender Lortheil, wenn sie mehr und mehr um Welthandel Theil nähme, wenn Schiffe von größerer Tragfähigkeit erbaut würden, wenn diese unter der Flagge eines mehr als^ZO Mill. Menschen repräsentirenden Vereins führen, wenn sie alle Häfen des Zollvereins befahren dürften, ohne irgend eine Belästigung be¬ fürchten zu müssen. Alles dies wird die Schiffahrt durch den Anschluß an den Zollverein gewinnen, und eine solche Hebung derselben wiegt gewiß man¬ chen kleinen etwaigen Nachtheil, vielleicht selbst denjenigen der Eisenzolle auf. — Wenn die Fahrten nach und von England in noch größerem Maße auf¬ hörten, als bisher, fänden sich der neuen Wege genug, welche die jetzigen, für Fahrten über das Weltmeer zu kleinen Schiffe im günstigsten Falle immer nur vereinzelt aufsuchen könnten. Und daß Letzteres überhaupt noch der Fall ist, beruht auf der Tüchtigkeit der mecklenburgischen Seeleute, welche sich sy»' ter noch ganz anders erweisen könnte, zumal nun auch aus den Navigations- schulen wissenschaftlich gebildete Steuerleute und Capitäne hervorgehen, die sich wahrlich nur ungern mit Fahrten in der Ostsee begnügen. Der Unter¬ schied, welcher sich daraus ergeben wird, daß die hiesigen Schiffe und durch sie der hiesige Handel an dem ganzen maritimen und Binnenverkehre des Zoll¬ vereins Theil nehmen können, einem Verkehre, welcher jährlich steigt und schon jetzt eine nie geahnte Höhe erreicht hat, dieser Unterschied muß deM Kurzsichtigsten in die Augen springen. Und welche Veränderungen auch der Zollverein bald oder in späterer Zukunft erleiden mag, das schon bestehende und gefesselte gemeinsame Interesse an ihm als einem Ganzen ist doch ein Kitt, der dauernd binden wird. Hat man sich diese Ueberzeugung nur erst errungen und sieht im Zollvereine eine nationale Schöpfung, welche etwas mehr bezweckt, als die Ordnung der Finanzwirthschaft in den deutschen Staa¬ ten allein; so wird mau auch nicht mel,r auf die für 1860 bevorstehende Zoll- conferenz hinweisen, von ihr eine Vernichtung des ganzen Vereines nicht mehr erwarten und von ihre» etwaigen Resultaten nicht mehr, wie jetzt häufig schieht, den Veitritt eines in Rücksicht auf das ganze Deutschland so unbe¬ deutenden Gebietes, wie es die beide» Großherzogthümer Mecklenburg mit 600,000 Consumenten besitzen, abhängig machen wollen.e Wir gehen jetzt zu der Betrachtung der Veränderungen über, welche d> hiesige Industrie durch den Anschluß an den Zollverein etwa erleiden wird- Ihr gegenwärtiger Zustand .wurde schon geschildert und darauf hingewiesen, daß sie auch durch die Einrichtung eines mecklenburgischen Grenzzolles nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/306>, abgerufen am 29.06.2024.