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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Bedeutung bemessener Rayon gegeben werde. Es ist eine eins der Vorzeit
überkommene ungerechtfertigte und unhaltbare Ansicht, welche die natürlichen
Handelsgrcnzen mit den Landesgrenzen zusammenfallen läßt, und es ist wider
alle Vernunft, wenn man z. B. dahin strebt, den Ostseehäfen Mecklenburgs
das ganze Land bis zur äußersten Ecke tributär zu erhalten. Von diesem
Vorwurfe ist das Project eines fiscalischen Grcnzzolleö nicht frei; jene Ansicht
findet sich in Mecklenburg noch viel häusiger, als gut ist, zumal bei den Be¬
wohnern Rostocks, und kann diesen noch einst unermeßlichen Schaden thun. Ver¬
nünftiger Weise können die Ostseehäfen nur auf die Zufuhr von denjenigen Orten,
welche bis zu ihnen hin den billigsten Transport haben, rechnen; was darüber
hinaus liegt, was sie nicht haben können, sollten sie in Ruhe fahren lassen und
dafür erstreben, was ihnen die Lage des Verkehrs im Allgemeinen bietet.
Wenn es auch jetzt gelänge, zum Nachtheile der Production die Grenzen zu
schließen und den größten Theil des Verkehrs innerhalb der Lcmdesprodnction
dadurch an sich heranzuziehen, so ist hieraus doch ein dauernder Gewinn nickt
möglich, der auswärtige Verkehr dadurch gehemmt, fast alle Durchfuhr auf¬
gehoben. Der Anschluß an den Zollverein aber erhält, indem er die Pro¬
duktion fördert, den Seehäfen den fruchtbarsten nördlichen Theil des Lan¬
des, Rostock speciell auch den ganzen östlichen Theil, fügt diesem, da die Zoll¬
schranken fallen, einen großen Theil Vorpommerns hinzu, macht den Verkehr
im Innern des Landes und auf der Berlin-Hamburger Eisenbahn frei von
allen Fesseln und öffnet dadurch eben dem Durchfuhrhandel die skandinavisch'
mitteldeutsche Route. Seit Jahren klagt der Handelsstand, daß ihm die Ge-
legenheit zu günstigem Transitohandel entzogen sei; wie kann er da den
Gedanken fassen, den Verkehr durch neue Grcnzfesseln zu binden, wo durch
den .Anschluß an den Zollverein die Möglichkeit seiner Befreiung in Aus¬
sicht gestellt ist? Auch in letzterem Falle werden die Seestädte, da als¬
dann die Getreidcsteucr für die Ausfuhr aufhört, für die zur Verschiffung aus
ihnen geeigneten Producte Höhere Preise bezahlen und eine größere Zufuhr
an sich ziehen können, als sie jetzt vermögen. Die höheren Zollsätze des Ver¬
eins für einzelne Eingangswaaren schaden ihnen gar nicht, wenn zugleich ih^
Markt sich weitet und sie ihren Blick von dem eigenen Lande dahin richten,
wo der Schwerpunkt für ihren zukünftigen Handel liegt.

Bisher hat England, zumal in früheren Zeiten, diesen Punkt gebildet;
derselbe wendet sich aber mehr nach Skandinavien und dem östlichen Rußland
hin. Denn der Handel Englands mit Deutschland durch die Ostsee w>rd
jährlich geringer, zieht sich jährlich mehr -- und besonders für alle werthvolleren
Waaren -- in die deutschen Nordseehäfen, von hieraus das fast vollendete
norddeutsche Schienensystem einschlagend statt des langwierigen und gesat)^
vollen, deshalb auch durch höhere Assccuranzprämien vcrtheuerten Weges durck


Bedeutung bemessener Rayon gegeben werde. Es ist eine eins der Vorzeit
überkommene ungerechtfertigte und unhaltbare Ansicht, welche die natürlichen
Handelsgrcnzen mit den Landesgrenzen zusammenfallen läßt, und es ist wider
alle Vernunft, wenn man z. B. dahin strebt, den Ostseehäfen Mecklenburgs
das ganze Land bis zur äußersten Ecke tributär zu erhalten. Von diesem
Vorwurfe ist das Project eines fiscalischen Grcnzzolleö nicht frei; jene Ansicht
findet sich in Mecklenburg noch viel häusiger, als gut ist, zumal bei den Be¬
wohnern Rostocks, und kann diesen noch einst unermeßlichen Schaden thun. Ver¬
nünftiger Weise können die Ostseehäfen nur auf die Zufuhr von denjenigen Orten,
welche bis zu ihnen hin den billigsten Transport haben, rechnen; was darüber
hinaus liegt, was sie nicht haben können, sollten sie in Ruhe fahren lassen und
dafür erstreben, was ihnen die Lage des Verkehrs im Allgemeinen bietet.
Wenn es auch jetzt gelänge, zum Nachtheile der Production die Grenzen zu
schließen und den größten Theil des Verkehrs innerhalb der Lcmdesprodnction
dadurch an sich heranzuziehen, so ist hieraus doch ein dauernder Gewinn nickt
möglich, der auswärtige Verkehr dadurch gehemmt, fast alle Durchfuhr auf¬
gehoben. Der Anschluß an den Zollverein aber erhält, indem er die Pro¬
duktion fördert, den Seehäfen den fruchtbarsten nördlichen Theil des Lan¬
des, Rostock speciell auch den ganzen östlichen Theil, fügt diesem, da die Zoll¬
schranken fallen, einen großen Theil Vorpommerns hinzu, macht den Verkehr
im Innern des Landes und auf der Berlin-Hamburger Eisenbahn frei von
allen Fesseln und öffnet dadurch eben dem Durchfuhrhandel die skandinavisch'
mitteldeutsche Route. Seit Jahren klagt der Handelsstand, daß ihm die Ge-
legenheit zu günstigem Transitohandel entzogen sei; wie kann er da den
Gedanken fassen, den Verkehr durch neue Grcnzfesseln zu binden, wo durch
den .Anschluß an den Zollverein die Möglichkeit seiner Befreiung in Aus¬
sicht gestellt ist? Auch in letzterem Falle werden die Seestädte, da als¬
dann die Getreidcsteucr für die Ausfuhr aufhört, für die zur Verschiffung aus
ihnen geeigneten Producte Höhere Preise bezahlen und eine größere Zufuhr
an sich ziehen können, als sie jetzt vermögen. Die höheren Zollsätze des Ver¬
eins für einzelne Eingangswaaren schaden ihnen gar nicht, wenn zugleich ih^
Markt sich weitet und sie ihren Blick von dem eigenen Lande dahin richten,
wo der Schwerpunkt für ihren zukünftigen Handel liegt.

Bisher hat England, zumal in früheren Zeiten, diesen Punkt gebildet;
derselbe wendet sich aber mehr nach Skandinavien und dem östlichen Rußland
hin. Denn der Handel Englands mit Deutschland durch die Ostsee w>rd
jährlich geringer, zieht sich jährlich mehr — und besonders für alle werthvolleren
Waaren — in die deutschen Nordseehäfen, von hieraus das fast vollendete
norddeutsche Schienensystem einschlagend statt des langwierigen und gesat)^
vollen, deshalb auch durch höhere Assccuranzprämien vcrtheuerten Weges durck


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[0304] Bedeutung bemessener Rayon gegeben werde. Es ist eine eins der Vorzeit überkommene ungerechtfertigte und unhaltbare Ansicht, welche die natürlichen Handelsgrcnzen mit den Landesgrenzen zusammenfallen läßt, und es ist wider alle Vernunft, wenn man z. B. dahin strebt, den Ostseehäfen Mecklenburgs das ganze Land bis zur äußersten Ecke tributär zu erhalten. Von diesem Vorwurfe ist das Project eines fiscalischen Grcnzzolleö nicht frei; jene Ansicht findet sich in Mecklenburg noch viel häusiger, als gut ist, zumal bei den Be¬ wohnern Rostocks, und kann diesen noch einst unermeßlichen Schaden thun. Ver¬ nünftiger Weise können die Ostseehäfen nur auf die Zufuhr von denjenigen Orten, welche bis zu ihnen hin den billigsten Transport haben, rechnen; was darüber hinaus liegt, was sie nicht haben können, sollten sie in Ruhe fahren lassen und dafür erstreben, was ihnen die Lage des Verkehrs im Allgemeinen bietet. Wenn es auch jetzt gelänge, zum Nachtheile der Production die Grenzen zu schließen und den größten Theil des Verkehrs innerhalb der Lcmdesprodnction dadurch an sich heranzuziehen, so ist hieraus doch ein dauernder Gewinn nickt möglich, der auswärtige Verkehr dadurch gehemmt, fast alle Durchfuhr auf¬ gehoben. Der Anschluß an den Zollverein aber erhält, indem er die Pro¬ duktion fördert, den Seehäfen den fruchtbarsten nördlichen Theil des Lan¬ des, Rostock speciell auch den ganzen östlichen Theil, fügt diesem, da die Zoll¬ schranken fallen, einen großen Theil Vorpommerns hinzu, macht den Verkehr im Innern des Landes und auf der Berlin-Hamburger Eisenbahn frei von allen Fesseln und öffnet dadurch eben dem Durchfuhrhandel die skandinavisch' mitteldeutsche Route. Seit Jahren klagt der Handelsstand, daß ihm die Ge- legenheit zu günstigem Transitohandel entzogen sei; wie kann er da den Gedanken fassen, den Verkehr durch neue Grcnzfesseln zu binden, wo durch den .Anschluß an den Zollverein die Möglichkeit seiner Befreiung in Aus¬ sicht gestellt ist? Auch in letzterem Falle werden die Seestädte, da als¬ dann die Getreidcsteucr für die Ausfuhr aufhört, für die zur Verschiffung aus ihnen geeigneten Producte Höhere Preise bezahlen und eine größere Zufuhr an sich ziehen können, als sie jetzt vermögen. Die höheren Zollsätze des Ver¬ eins für einzelne Eingangswaaren schaden ihnen gar nicht, wenn zugleich ih^ Markt sich weitet und sie ihren Blick von dem eigenen Lande dahin richten, wo der Schwerpunkt für ihren zukünftigen Handel liegt. Bisher hat England, zumal in früheren Zeiten, diesen Punkt gebildet; derselbe wendet sich aber mehr nach Skandinavien und dem östlichen Rußland hin. Denn der Handel Englands mit Deutschland durch die Ostsee w>rd jährlich geringer, zieht sich jährlich mehr — und besonders für alle werthvolleren Waaren — in die deutschen Nordseehäfen, von hieraus das fast vollendete norddeutsche Schienensystem einschlagend statt des langwierigen und gesat)^ vollen, deshalb auch durch höhere Assccuranzprämien vcrtheuerten Weges durck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/304>, abgerufen am 29.06.2024.