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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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3. Juli capitulirte. Vor den Festungen an der Nordgrenze hatten sich die
Verbündeten nicht aufhalten lassen; sie ließen nur einzelne Abtheilungen zu
deren Beobachtung und schließlicher Belagerung zurück, während sie zu gleich"
Zeit die Entscheidung auf dem Punkte suchten, wo sie lag. Hiermit schließt
die neuere Geschichte des niederrheinischen Kricgstheciters wenigstens sür die
Verhältnisse ab. welche wir im Auge haben. Der Befreiungskampf der Belgier
und der mit ihnen verbündeten Franzosen gegen Holland kommt für uns nicht
in Betracht. Wir werden im Folgenden mehrfache Gelegenheit haben, uns
auf die vorstehende historische Zusammenstellung zu beziehen.


Wilhelm Nüstow.


Nachdem die Frage der deutschen Einheit einmal wieder vor das Forum der
öffentlichen Meinung getreten ist, versteht es sich von selbst, daß es an wohlmeinenden
Rathgebern nicht fehlt, die nach ihrem besten Wissen ein allgemeines Heilmittel se>-
die Schäden Deutschlands ersinnen und zu der schleunigen Anwendung desselben
rathen. So viel wir bemerkt, gehen in der letzten Zeit diese Rathgeber Hauptfach"
lich aus der großdeutschcn Partei hervor. Einer derselben ("Reformen der deutsche
Bundesacte" von, Notar Schübler, Stuttgart bei Reff), der weiter nichts ist al
ein Echo der süddeutschen Antipathie gegen Preußen, spricht sich kurz und resolut
aus- Einführung der absoluten Majorität ^im Bundestage, Vertretung'der einzel¬
nen Landstände bei demselben, da Oestreich doch wol die Gefälligkeit haben wird,
zum Behuf derselben Landstände einzuführen, und Ausdehnung der Befugnisse des
Rundes über alle möglichen Dinge. Ein anonymer Schriftsteller ("Ausführbare Vor¬
schläge zu einer Reform der deutschen Bundesverfassung", Leipzig, I. I. Weber), der, wen"
man nach seiner Vorliebe für die bayrische Großmacht urtheilen darf, ein Bayer ist, S")
gründlicher zu Werke. Er vermeidet außerdem jede gehässige Polemik und macht den,Ein¬
druck eines Mannes, dem es ernsthaft um die Sache zu thun ist. Er beginnt mit cimr
wissenschaftlichen Untersuchung über die Natur der deutschen Bundesacte, und korn"
zu dem Resultat, daß der deutsche Bund nicht ein Staatcnlmnd, sondern ein Bundes
Staat ist. So interessant diese Untersuchung in wissenschaftlicher Beziehung ^
mag, für die practische Anwendung wäre sie allenfalls zu umgehen, um so und^
da der Verfasser, der die Form des Bundesstaats beizubehalten gedenkt, dessen u"-
geachtet sehr weitgreifende Veränderungen sowohl in Bezug auf den Territorw ^
stand als auf die Bundesverfassung in Aussicht stellt. Was den ersten Punkt betrifft, l"


3. Juli capitulirte. Vor den Festungen an der Nordgrenze hatten sich die
Verbündeten nicht aufhalten lassen; sie ließen nur einzelne Abtheilungen zu
deren Beobachtung und schließlicher Belagerung zurück, während sie zu gleich"
Zeit die Entscheidung auf dem Punkte suchten, wo sie lag. Hiermit schließt
die neuere Geschichte des niederrheinischen Kricgstheciters wenigstens sür die
Verhältnisse ab. welche wir im Auge haben. Der Befreiungskampf der Belgier
und der mit ihnen verbündeten Franzosen gegen Holland kommt für uns nicht
in Betracht. Wir werden im Folgenden mehrfache Gelegenheit haben, uns
auf die vorstehende historische Zusammenstellung zu beziehen.


Wilhelm Nüstow.


Nachdem die Frage der deutschen Einheit einmal wieder vor das Forum der
öffentlichen Meinung getreten ist, versteht es sich von selbst, daß es an wohlmeinenden
Rathgebern nicht fehlt, die nach ihrem besten Wissen ein allgemeines Heilmittel se>-
die Schäden Deutschlands ersinnen und zu der schleunigen Anwendung desselben
rathen. So viel wir bemerkt, gehen in der letzten Zeit diese Rathgeber Hauptfach"
lich aus der großdeutschcn Partei hervor. Einer derselben („Reformen der deutsche
Bundesacte" von, Notar Schübler, Stuttgart bei Reff), der weiter nichts ist al
ein Echo der süddeutschen Antipathie gegen Preußen, spricht sich kurz und resolut
aus- Einführung der absoluten Majorität ^im Bundestage, Vertretung'der einzel¬
nen Landstände bei demselben, da Oestreich doch wol die Gefälligkeit haben wird,
zum Behuf derselben Landstände einzuführen, und Ausdehnung der Befugnisse des
Rundes über alle möglichen Dinge. Ein anonymer Schriftsteller („Ausführbare Vor¬
schläge zu einer Reform der deutschen Bundesverfassung", Leipzig, I. I. Weber), der, wen«
man nach seiner Vorliebe für die bayrische Großmacht urtheilen darf, ein Bayer ist, S")
gründlicher zu Werke. Er vermeidet außerdem jede gehässige Polemik und macht den,Ein¬
druck eines Mannes, dem es ernsthaft um die Sache zu thun ist. Er beginnt mit cimr
wissenschaftlichen Untersuchung über die Natur der deutschen Bundesacte, und korn»
zu dem Resultat, daß der deutsche Bund nicht ein Staatcnlmnd, sondern ein Bundes
Staat ist. So interessant diese Untersuchung in wissenschaftlicher Beziehung ^
mag, für die practische Anwendung wäre sie allenfalls zu umgehen, um so und^
da der Verfasser, der die Form des Bundesstaats beizubehalten gedenkt, dessen u«-
geachtet sehr weitgreifende Veränderungen sowohl in Bezug auf den Territorw ^
stand als auf die Bundesverfassung in Aussicht stellt. Was den ersten Punkt betrifft, l"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/288>, abgerufen am 29.06.2024.