Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stand. Wäre dieser Angriff entschieden durchgeführt worden und wäre er ge¬
glückt, so würde die französische Armee, von ihren natürlichen Nückzugspunkten
abgedrängt, gegen den Rhein hin getrieben und völliger Vernichtung Preis ge¬
geben worden sein. Indessen blieb es bei dein Anlauf. Die strategische Umgehung
hatte das Resultat, welches man von ihr erwartete, Rückzug Dumouriezs auf
Chalons und Paris nicht gehabt; die Schlacht, welche nun das gründlichere
Resultat: Zurückdrängen der Franzosen gegen den Rhein, haben konnte, ward
nicht geliefert, sie blieb in dem Stadium einer unfruchtbaren Kanonade, welche
in der Kriegsgeschichte unter dem Namen der Kanonade von Valmy bekannt
ist. Nach derselben blieb alles vorerst beim Alten. Doch gab der Nichterfolg
dem französischen Oberbefehlshaber das Recht, Unterhandlungen anzuknüpfen,
welche die Wiederherstellung der königlichen Macht im ^Hintergründe sehen
ließen, mit denen es ihm aber jetzt sicherlich nicht Ernst war, welche in¬
dessen der Zwiespalt zwischen den östreichischen und preußischen Führern, Repräsen¬
tanten des politischen Dualismus, zu eurem vortrefflichen Resultate führte. Als
Custine, der am Oberrhein 15,000 Mann gesammelt hatte, mit diesen Landau
entsetzte, am 30. September Speyer nahm und nun den Rhein abwärts auf
Mainz vordrang, da schloß der Herzog von Braunschweig alsbald mit dem
Revolutivnsgeneral eine Convention ab. welche ihm gestattete, wenigstens un-
belästigt von feindlichen Truppen, wenn auch nicht von Hunger und Krank¬
heiten, von letzteren namentlich in Folge der miserabeln Bekleidung der Sol¬
daten, an den Rhein auf Coblenz zurückzugehen.

Dieser Feldzug von 1792 spiegelt alle spätern wieder ab, welche die Deut¬
schen gegen Frankreich führten, sofern sie dabei nicht entschieden glücklich waren.
Er sollte einmal der heute lebenden Generation genauer und mit besonderer
Berücksichtigung des damaligen Verhältnisses zwischen Preußen und Oestreich vor¬
geführt werden. Am 20. September 1792 war der Nationalconvent zu Pa¬
ris zusammengetreten. Er traf seine Maßregeln sogleich mit jener Kraft und
mit jenem instinktiven Scharfblick, den nur Thoren ihm absprechen können-
Nur Kellermann mit der sogenannten Moselarmee sollte den Preußen folgen,
um sie, die vorerst ungefährlichen, zu beobachten; dagegen wurden drei Armeen
gegen die östreichischen Niederlande in Bewegung gesetzt. Labourdonnaye,
der im Verein mit dem von Dumouriez entsendeten Beurnonville am 8. October
Lille, welches der Herzog von SachscmTcschen seit dem 29. September belagerte,
entsetzt, sollte mit 18000 Mann der Nordarmee, an der Scheide abwärts
operiren; Dumouriez mit der Armee von Belgien. 45,000 Mann, an der
Sambre, Valence mit der Ardennenarmee, 15,000 Mann, an der Maas vor¬
gehen. Die eigenthümliche Stellung der beiden deutschen Großmächte hatte
es schon jetzt den Franzosen möglich gemacht, den Kampf der Hauptsache nach
zu ihren Gunsten zu localisiren. Das,Zcrsplitterungssystem der östreichischen Gen^


stand. Wäre dieser Angriff entschieden durchgeführt worden und wäre er ge¬
glückt, so würde die französische Armee, von ihren natürlichen Nückzugspunkten
abgedrängt, gegen den Rhein hin getrieben und völliger Vernichtung Preis ge¬
geben worden sein. Indessen blieb es bei dein Anlauf. Die strategische Umgehung
hatte das Resultat, welches man von ihr erwartete, Rückzug Dumouriezs auf
Chalons und Paris nicht gehabt; die Schlacht, welche nun das gründlichere
Resultat: Zurückdrängen der Franzosen gegen den Rhein, haben konnte, ward
nicht geliefert, sie blieb in dem Stadium einer unfruchtbaren Kanonade, welche
in der Kriegsgeschichte unter dem Namen der Kanonade von Valmy bekannt
ist. Nach derselben blieb alles vorerst beim Alten. Doch gab der Nichterfolg
dem französischen Oberbefehlshaber das Recht, Unterhandlungen anzuknüpfen,
welche die Wiederherstellung der königlichen Macht im ^Hintergründe sehen
ließen, mit denen es ihm aber jetzt sicherlich nicht Ernst war, welche in¬
dessen der Zwiespalt zwischen den östreichischen und preußischen Führern, Repräsen¬
tanten des politischen Dualismus, zu eurem vortrefflichen Resultate führte. Als
Custine, der am Oberrhein 15,000 Mann gesammelt hatte, mit diesen Landau
entsetzte, am 30. September Speyer nahm und nun den Rhein abwärts auf
Mainz vordrang, da schloß der Herzog von Braunschweig alsbald mit dem
Revolutivnsgeneral eine Convention ab. welche ihm gestattete, wenigstens un-
belästigt von feindlichen Truppen, wenn auch nicht von Hunger und Krank¬
heiten, von letzteren namentlich in Folge der miserabeln Bekleidung der Sol¬
daten, an den Rhein auf Coblenz zurückzugehen.

Dieser Feldzug von 1792 spiegelt alle spätern wieder ab, welche die Deut¬
schen gegen Frankreich führten, sofern sie dabei nicht entschieden glücklich waren.
Er sollte einmal der heute lebenden Generation genauer und mit besonderer
Berücksichtigung des damaligen Verhältnisses zwischen Preußen und Oestreich vor¬
geführt werden. Am 20. September 1792 war der Nationalconvent zu Pa¬
ris zusammengetreten. Er traf seine Maßregeln sogleich mit jener Kraft und
mit jenem instinktiven Scharfblick, den nur Thoren ihm absprechen können-
Nur Kellermann mit der sogenannten Moselarmee sollte den Preußen folgen,
um sie, die vorerst ungefährlichen, zu beobachten; dagegen wurden drei Armeen
gegen die östreichischen Niederlande in Bewegung gesetzt. Labourdonnaye,
der im Verein mit dem von Dumouriez entsendeten Beurnonville am 8. October
Lille, welches der Herzog von SachscmTcschen seit dem 29. September belagerte,
entsetzt, sollte mit 18000 Mann der Nordarmee, an der Scheide abwärts
operiren; Dumouriez mit der Armee von Belgien. 45,000 Mann, an der
Sambre, Valence mit der Ardennenarmee, 15,000 Mann, an der Maas vor¬
gehen. Die eigenthümliche Stellung der beiden deutschen Großmächte hatte
es schon jetzt den Franzosen möglich gemacht, den Kampf der Hauptsache nach
zu ihren Gunsten zu localisiren. Das,Zcrsplitterungssystem der östreichischen Gen^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108406"/>
              <p xml:id="ID_932" prev="#ID_931"> stand. Wäre dieser Angriff entschieden durchgeführt worden und wäre er ge¬<lb/>
glückt, so würde die französische Armee, von ihren natürlichen Nückzugspunkten<lb/>
abgedrängt, gegen den Rhein hin getrieben und völliger Vernichtung Preis ge¬<lb/>
geben worden sein. Indessen blieb es bei dein Anlauf. Die strategische Umgehung<lb/>
hatte das Resultat, welches man von ihr erwartete, Rückzug Dumouriezs auf<lb/>
Chalons und Paris nicht gehabt; die Schlacht, welche nun das gründlichere<lb/>
Resultat: Zurückdrängen der Franzosen gegen den Rhein, haben konnte, ward<lb/>
nicht geliefert, sie blieb in dem Stadium einer unfruchtbaren Kanonade, welche<lb/>
in der Kriegsgeschichte unter dem Namen der Kanonade von Valmy bekannt<lb/>
ist. Nach derselben blieb alles vorerst beim Alten. Doch gab der Nichterfolg<lb/>
dem französischen Oberbefehlshaber das Recht, Unterhandlungen anzuknüpfen,<lb/>
welche die Wiederherstellung der königlichen Macht im ^Hintergründe sehen<lb/>
ließen, mit denen es ihm aber jetzt sicherlich nicht Ernst war, welche in¬<lb/>
dessen der Zwiespalt zwischen den östreichischen und preußischen Führern, Repräsen¬<lb/>
tanten des politischen Dualismus, zu eurem vortrefflichen Resultate führte. Als<lb/>
Custine, der am Oberrhein 15,000 Mann gesammelt hatte, mit diesen Landau<lb/>
entsetzte, am 30. September Speyer nahm und nun den Rhein abwärts auf<lb/>
Mainz vordrang, da schloß der Herzog von Braunschweig alsbald mit dem<lb/>
Revolutivnsgeneral eine Convention ab. welche ihm gestattete, wenigstens un-<lb/>
belästigt von feindlichen Truppen, wenn auch nicht von Hunger und Krank¬<lb/>
heiten, von letzteren namentlich in Folge der miserabeln Bekleidung der Sol¬<lb/>
daten, an den Rhein auf Coblenz zurückzugehen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_933" next="#ID_934"> Dieser Feldzug von 1792 spiegelt alle spätern wieder ab, welche die Deut¬<lb/>
schen gegen Frankreich führten, sofern sie dabei nicht entschieden glücklich waren.<lb/>
Er sollte einmal der heute lebenden Generation genauer und mit besonderer<lb/>
Berücksichtigung des damaligen Verhältnisses zwischen Preußen und Oestreich vor¬<lb/>
geführt werden. Am 20. September 1792 war der Nationalconvent zu Pa¬<lb/>
ris zusammengetreten. Er traf seine Maßregeln sogleich mit jener Kraft und<lb/>
mit jenem instinktiven Scharfblick, den nur Thoren ihm absprechen können-<lb/>
Nur Kellermann mit der sogenannten Moselarmee sollte den Preußen folgen,<lb/>
um sie, die vorerst ungefährlichen, zu beobachten; dagegen wurden drei Armeen<lb/>
gegen die östreichischen Niederlande in Bewegung gesetzt. Labourdonnaye,<lb/>
der im Verein mit dem von Dumouriez entsendeten Beurnonville am 8. October<lb/>
Lille, welches der Herzog von SachscmTcschen seit dem 29. September belagerte,<lb/>
entsetzt, sollte mit 18000 Mann der Nordarmee, an der Scheide abwärts<lb/>
operiren; Dumouriez mit der Armee von Belgien. 45,000 Mann, an der<lb/>
Sambre, Valence mit der Ardennenarmee, 15,000 Mann, an der Maas vor¬<lb/>
gehen. Die eigenthümliche Stellung der beiden deutschen Großmächte hatte<lb/>
es schon jetzt den Franzosen möglich gemacht, den Kampf der Hauptsache nach<lb/>
zu ihren Gunsten zu localisiren. Das,Zcrsplitterungssystem der östreichischen Gen^</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0276] stand. Wäre dieser Angriff entschieden durchgeführt worden und wäre er ge¬ glückt, so würde die französische Armee, von ihren natürlichen Nückzugspunkten abgedrängt, gegen den Rhein hin getrieben und völliger Vernichtung Preis ge¬ geben worden sein. Indessen blieb es bei dein Anlauf. Die strategische Umgehung hatte das Resultat, welches man von ihr erwartete, Rückzug Dumouriezs auf Chalons und Paris nicht gehabt; die Schlacht, welche nun das gründlichere Resultat: Zurückdrängen der Franzosen gegen den Rhein, haben konnte, ward nicht geliefert, sie blieb in dem Stadium einer unfruchtbaren Kanonade, welche in der Kriegsgeschichte unter dem Namen der Kanonade von Valmy bekannt ist. Nach derselben blieb alles vorerst beim Alten. Doch gab der Nichterfolg dem französischen Oberbefehlshaber das Recht, Unterhandlungen anzuknüpfen, welche die Wiederherstellung der königlichen Macht im ^Hintergründe sehen ließen, mit denen es ihm aber jetzt sicherlich nicht Ernst war, welche in¬ dessen der Zwiespalt zwischen den östreichischen und preußischen Führern, Repräsen¬ tanten des politischen Dualismus, zu eurem vortrefflichen Resultate führte. Als Custine, der am Oberrhein 15,000 Mann gesammelt hatte, mit diesen Landau entsetzte, am 30. September Speyer nahm und nun den Rhein abwärts auf Mainz vordrang, da schloß der Herzog von Braunschweig alsbald mit dem Revolutivnsgeneral eine Convention ab. welche ihm gestattete, wenigstens un- belästigt von feindlichen Truppen, wenn auch nicht von Hunger und Krank¬ heiten, von letzteren namentlich in Folge der miserabeln Bekleidung der Sol¬ daten, an den Rhein auf Coblenz zurückzugehen. Dieser Feldzug von 1792 spiegelt alle spätern wieder ab, welche die Deut¬ schen gegen Frankreich führten, sofern sie dabei nicht entschieden glücklich waren. Er sollte einmal der heute lebenden Generation genauer und mit besonderer Berücksichtigung des damaligen Verhältnisses zwischen Preußen und Oestreich vor¬ geführt werden. Am 20. September 1792 war der Nationalconvent zu Pa¬ ris zusammengetreten. Er traf seine Maßregeln sogleich mit jener Kraft und mit jenem instinktiven Scharfblick, den nur Thoren ihm absprechen können- Nur Kellermann mit der sogenannten Moselarmee sollte den Preußen folgen, um sie, die vorerst ungefährlichen, zu beobachten; dagegen wurden drei Armeen gegen die östreichischen Niederlande in Bewegung gesetzt. Labourdonnaye, der im Verein mit dem von Dumouriez entsendeten Beurnonville am 8. October Lille, welches der Herzog von SachscmTcschen seit dem 29. September belagerte, entsetzt, sollte mit 18000 Mann der Nordarmee, an der Scheide abwärts operiren; Dumouriez mit der Armee von Belgien. 45,000 Mann, an der Sambre, Valence mit der Ardennenarmee, 15,000 Mann, an der Maas vor¬ gehen. Die eigenthümliche Stellung der beiden deutschen Großmächte hatte es schon jetzt den Franzosen möglich gemacht, den Kampf der Hauptsache nach zu ihren Gunsten zu localisiren. Das,Zcrsplitterungssystem der östreichischen Gen^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/276
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/276>, abgerufen am 28.09.2024.