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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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mal zu voller Klarheit gebracht werden soll. Nicht so die Ritterschaft; sie
siebt -- wie wir zugestehen können. von ihrem Standpunkte aus mit Recht
-- durch solchen Anschluß ihre Stellung, ihre staatliche Bedeutung in hohem
Grade afficirt. Theils würden, indem sich ohne Zweifel Fabriken bildeten,
die ländlichen, wie alle Arbeiter des Landes in einigem Maße selbstständiger
werden, das "patriarchalische Verhältniß zwischen Herrn und Leuten", worauf
man so großes Gewicht legt, sich lockern, theils würden die Gutsbesitzer selbst,
indem sie zur Anlage von Fabriken verschiedener Art schritten, einer Staats-
controle unterliegen, kurz, das alte "heilige", "von Alters her" bestehende
Patrimonialwesen würde einen bedeutenden Bruch erleiden und -- Kio lilwckis,
Ille salta! Die Ritterschaft in ihrem adeligen Theile, (auch einige bürger¬
liche Individuen) in ihr wird dem Anschlusse Mecklenburgs an den Zollvereine
niemals freiwillig zustimmen, weil sie dadurch den ersten Schritt zu ihrer
factischen Auflösung thun würde. Das ist unvermeidlich, das muß sich jeder
Freund des Zollvereins und Jeder, welcher die Einführung eines parlamen¬
tarischen Systems wünscht, klar machen, wie es die Ritterschaft thut, und
das zeigt dem liberalen Theile der Gutsbesitzer, beiläufig gesagt, den Weg
zur Erreichung ihres Zieles. "Die mecklenburgische Verfassung ist mit dem
principialiter geltenden sogenannten directen Abgabensysteme auf das Innigste
verwachsen", so daß sie durch die Einführung eines indirecten Systems ge-
schwächt resp, aufgelöst würde. Denn ihre Kraft beruht "auf der immer neu zu
gewährenden Bewilligung genau zu berechnender Steuern", d. h. mit anderen
Worten darauf, daß die Ritter- und Landschaft dem Staate die jedesmal nöthigen
Summen immer erst bewilligen muß und ihn so von sich in Abhängigkeit erhält.

Handelt es sich um eine Reform der mecklenburgischen Abgaben, so liegt
dem Blicke der Anschluß an den Zollverein selbstverständlich am nächsten-
Deshalb mußten wir hier zeigen, wie die Ritterschaft während sie die Pflicht
gegen das Land zu jener treibt, durch die Rücksicht der Selbsterhaltung von diesen'
abgemahnt wird. Dadurch entsteht natürlich ein Conflict und die Frage: Huicl
inne? Diese aber hat man nun aus der Mitte der Ritterschaft durch den Entwurf
eines Erhebungssystems zu lösen versucht, welchen man ohne unsere Vorgänge
Darlegung jedenfalls mißversteh" würde, wie sofort gezeigt werden soll. Man
hat nämlich vorgeschlagen, "die bisherigen directen Abgaben (Personal-. Grund-,
Einkommen-, Häusersteuer) beizubehalten, die bisherigen indirecten aber weg'
fallen zu lassen und dafür einen Grenzzoll einzurichten, dessen Höhe so genus
sei, daß sie nicht zur Defraude locke, aber doch die erforderliche Auskunft decke -
Dies Project liegt nun seit fast.einem Decennium als offene Frage da. Ueber se'^
nen ersten Theil, die Beibehaltung der directen Abgaben, einigten sich die C^'
missarien leicht, ebenso über die Nothwendigkeit des Wegfalles der indirecten
Abgaben. Der Grenzzoll aber, dessen Höhe anfänglich zu V.- Thlr. von 1^


mal zu voller Klarheit gebracht werden soll. Nicht so die Ritterschaft; sie
siebt — wie wir zugestehen können. von ihrem Standpunkte aus mit Recht
— durch solchen Anschluß ihre Stellung, ihre staatliche Bedeutung in hohem
Grade afficirt. Theils würden, indem sich ohne Zweifel Fabriken bildeten,
die ländlichen, wie alle Arbeiter des Landes in einigem Maße selbstständiger
werden, das „patriarchalische Verhältniß zwischen Herrn und Leuten", worauf
man so großes Gewicht legt, sich lockern, theils würden die Gutsbesitzer selbst,
indem sie zur Anlage von Fabriken verschiedener Art schritten, einer Staats-
controle unterliegen, kurz, das alte „heilige", „von Alters her" bestehende
Patrimonialwesen würde einen bedeutenden Bruch erleiden und — Kio lilwckis,
Ille salta! Die Ritterschaft in ihrem adeligen Theile, (auch einige bürger¬
liche Individuen) in ihr wird dem Anschlusse Mecklenburgs an den Zollvereine
niemals freiwillig zustimmen, weil sie dadurch den ersten Schritt zu ihrer
factischen Auflösung thun würde. Das ist unvermeidlich, das muß sich jeder
Freund des Zollvereins und Jeder, welcher die Einführung eines parlamen¬
tarischen Systems wünscht, klar machen, wie es die Ritterschaft thut, und
das zeigt dem liberalen Theile der Gutsbesitzer, beiläufig gesagt, den Weg
zur Erreichung ihres Zieles. „Die mecklenburgische Verfassung ist mit dem
principialiter geltenden sogenannten directen Abgabensysteme auf das Innigste
verwachsen", so daß sie durch die Einführung eines indirecten Systems ge-
schwächt resp, aufgelöst würde. Denn ihre Kraft beruht „auf der immer neu zu
gewährenden Bewilligung genau zu berechnender Steuern", d. h. mit anderen
Worten darauf, daß die Ritter- und Landschaft dem Staate die jedesmal nöthigen
Summen immer erst bewilligen muß und ihn so von sich in Abhängigkeit erhält.

Handelt es sich um eine Reform der mecklenburgischen Abgaben, so liegt
dem Blicke der Anschluß an den Zollverein selbstverständlich am nächsten-
Deshalb mußten wir hier zeigen, wie die Ritterschaft während sie die Pflicht
gegen das Land zu jener treibt, durch die Rücksicht der Selbsterhaltung von diesen'
abgemahnt wird. Dadurch entsteht natürlich ein Conflict und die Frage: Huicl
inne? Diese aber hat man nun aus der Mitte der Ritterschaft durch den Entwurf
eines Erhebungssystems zu lösen versucht, welchen man ohne unsere Vorgänge
Darlegung jedenfalls mißversteh» würde, wie sofort gezeigt werden soll. Man
hat nämlich vorgeschlagen, „die bisherigen directen Abgaben (Personal-. Grund-,
Einkommen-, Häusersteuer) beizubehalten, die bisherigen indirecten aber weg'
fallen zu lassen und dafür einen Grenzzoll einzurichten, dessen Höhe so genus
sei, daß sie nicht zur Defraude locke, aber doch die erforderliche Auskunft decke -
Dies Project liegt nun seit fast.einem Decennium als offene Frage da. Ueber se'^
nen ersten Theil, die Beibehaltung der directen Abgaben, einigten sich die C^'
missarien leicht, ebenso über die Nothwendigkeit des Wegfalles der indirecten
Abgaben. Der Grenzzoll aber, dessen Höhe anfänglich zu V.- Thlr. von 1^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/268>, abgerufen am 29.06.2024.