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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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'scheu Gehalt, auf den spekulativen Zusammenhang der Thatsachen gerichtet,
wahrend Ranke viel mehr Sinn für das Eigenthümliche und Individuelle, man
wvchte sagen für das Anekdotische hat. und trotz des pathetischen Tons, den
^ zuweilen mit großem Erfolg anzuwenden weiß und der nicht etwa bloß
gemacht ist. sich im Grunde des Herzens gegen seine Gestalten ironisch
behält. Mit dieser Anschauung verträgt sich der Ton freilich viel besser, und
^ ist nicht zu leugnen, daß seine Kunstform einheitlicher aussieht.

Alle diese Bemerkungen sollen nur darauf aufmerksam machen, daß die
Lektüre des Buchs nicht bequem ist, man muß den Schriftsteller zuweilen cr-
auch wohl übersetzen; aber diese Anstrengung belohnt sich reichlich,
">ehe bloß durch die Vertiefung des Wissens, sondern auch durch die Läute¬
rung und Erhöhung des nationalen Gesühls. Was Droysen noch weiter zu
behandeln übrig bleibt, ist für die Darstelluung ungleich günstiger; denn nun
u'ne wirklich ein einheitlicher Staatsorganismus und damit eine auf sich selbst
^ruhende preußische Geschichte hervor.

Daß Droysen nicht blos als Schriftsteller, sondern auch als Universitäts¬
lehrer einen höchst segensreichen Einfluß ausübt, ist in Kiel und Jena allge¬
mein bekannt; die gelehrte Welt hat vor Kurzem ein sehr günstiges Zeugniß
dcivon erhalten in der musterhaft ausgeführten Monographie eines seiner
Schüler. Wilhelm Pückert: "Die churfürstliche Neutralität während des
baseler Consils; ein Beitrag zur deutschen Geschichte von 1438--1448" (Leip-
ö'S. Teubner).

Zwei vor kurzem vollendete Werke: Geschichte der Lande Braunschweig
"ud Lüneburg von Wilhelm Havemann, 3 Bde., Göttingen, Dieterich,
^53--1857; und Geschichte Ostfrieslands von Ouro Klopp, 3 Bde., Han-
^ver. Rümpler. 1354 -- 1858, behalten wir uns für eine ausführliche Be¬
sprechung vor; es ist höchst lehrreich zu verfolgen, wie hier die naturwüchsige
Grundlage eines deutschen Staats, die sächsische Stammgenossenschaft, wie
Herrscherhaus der Welsen, das zuerst die Unabhängigkeit Norddeutschlands
dem römisch-deutschen Kaiserreich zu erringen gesucht, durch die Macht der
Zustände und eigne Schuld aus der ersten Reihe zurückgedrängt, seinen Be¬
ruf an Preußen überlassen mußte, dem es nun wieder auf eine bedenkliche
^ise im Wege steht.

Wilhelm Giesebrechls "Geschichte der deutschen Kaiserzeit" hat eine
^ne Auflage erlebt. (1. Bd., Gründung des Kaiserthums, mit einer Ueber-
^chtskarte von H. Kiepert. Vrauuschweig. Schwetschke und Sohn.) Daß
,'°b der Einwendungen, die man gegen die Form der Darstellung machen
dieses Werk zu den hervorragendsten Leistungen unserer historischen Li-
^'"tur gehört, hat das Publicum richtig gewürdigt. Ueber die Umarbeitung
^'ehe sich der Verfasser dahin aus ; "Vornehmlich ist er bedacht gewesen, der


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'scheu Gehalt, auf den spekulativen Zusammenhang der Thatsachen gerichtet,
wahrend Ranke viel mehr Sinn für das Eigenthümliche und Individuelle, man
wvchte sagen für das Anekdotische hat. und trotz des pathetischen Tons, den
^ zuweilen mit großem Erfolg anzuwenden weiß und der nicht etwa bloß
gemacht ist. sich im Grunde des Herzens gegen seine Gestalten ironisch
behält. Mit dieser Anschauung verträgt sich der Ton freilich viel besser, und
^ ist nicht zu leugnen, daß seine Kunstform einheitlicher aussieht.

Alle diese Bemerkungen sollen nur darauf aufmerksam machen, daß die
Lektüre des Buchs nicht bequem ist, man muß den Schriftsteller zuweilen cr-
auch wohl übersetzen; aber diese Anstrengung belohnt sich reichlich,
">ehe bloß durch die Vertiefung des Wissens, sondern auch durch die Läute¬
rung und Erhöhung des nationalen Gesühls. Was Droysen noch weiter zu
behandeln übrig bleibt, ist für die Darstelluung ungleich günstiger; denn nun
u'ne wirklich ein einheitlicher Staatsorganismus und damit eine auf sich selbst
^ruhende preußische Geschichte hervor.

Daß Droysen nicht blos als Schriftsteller, sondern auch als Universitäts¬
lehrer einen höchst segensreichen Einfluß ausübt, ist in Kiel und Jena allge¬
mein bekannt; die gelehrte Welt hat vor Kurzem ein sehr günstiges Zeugniß
dcivon erhalten in der musterhaft ausgeführten Monographie eines seiner
Schüler. Wilhelm Pückert: „Die churfürstliche Neutralität während des
baseler Consils; ein Beitrag zur deutschen Geschichte von 1438—1448" (Leip-
ö'S. Teubner).

Zwei vor kurzem vollendete Werke: Geschichte der Lande Braunschweig
"ud Lüneburg von Wilhelm Havemann, 3 Bde., Göttingen, Dieterich,
^53—1857; und Geschichte Ostfrieslands von Ouro Klopp, 3 Bde., Han-
^ver. Rümpler. 1354 — 1858, behalten wir uns für eine ausführliche Be¬
sprechung vor; es ist höchst lehrreich zu verfolgen, wie hier die naturwüchsige
Grundlage eines deutschen Staats, die sächsische Stammgenossenschaft, wie
Herrscherhaus der Welsen, das zuerst die Unabhängigkeit Norddeutschlands
dem römisch-deutschen Kaiserreich zu erringen gesucht, durch die Macht der
Zustände und eigne Schuld aus der ersten Reihe zurückgedrängt, seinen Be¬
ruf an Preußen überlassen mußte, dem es nun wieder auf eine bedenkliche
^ise im Wege steht.

Wilhelm Giesebrechls „Geschichte der deutschen Kaiserzeit" hat eine
^ne Auflage erlebt. (1. Bd., Gründung des Kaiserthums, mit einer Ueber-
^chtskarte von H. Kiepert. Vrauuschweig. Schwetschke und Sohn.) Daß
,'°b der Einwendungen, die man gegen die Form der Darstellung machen
dieses Werk zu den hervorragendsten Leistungen unserer historischen Li-
^'"tur gehört, hat das Publicum richtig gewürdigt. Ueber die Umarbeitung
^'ehe sich der Verfasser dahin aus ; „Vornehmlich ist er bedacht gewesen, der


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[0247] 'scheu Gehalt, auf den spekulativen Zusammenhang der Thatsachen gerichtet, wahrend Ranke viel mehr Sinn für das Eigenthümliche und Individuelle, man wvchte sagen für das Anekdotische hat. und trotz des pathetischen Tons, den ^ zuweilen mit großem Erfolg anzuwenden weiß und der nicht etwa bloß gemacht ist. sich im Grunde des Herzens gegen seine Gestalten ironisch behält. Mit dieser Anschauung verträgt sich der Ton freilich viel besser, und ^ ist nicht zu leugnen, daß seine Kunstform einheitlicher aussieht. Alle diese Bemerkungen sollen nur darauf aufmerksam machen, daß die Lektüre des Buchs nicht bequem ist, man muß den Schriftsteller zuweilen cr- auch wohl übersetzen; aber diese Anstrengung belohnt sich reichlich, ">ehe bloß durch die Vertiefung des Wissens, sondern auch durch die Läute¬ rung und Erhöhung des nationalen Gesühls. Was Droysen noch weiter zu behandeln übrig bleibt, ist für die Darstelluung ungleich günstiger; denn nun u'ne wirklich ein einheitlicher Staatsorganismus und damit eine auf sich selbst ^ruhende preußische Geschichte hervor. Daß Droysen nicht blos als Schriftsteller, sondern auch als Universitäts¬ lehrer einen höchst segensreichen Einfluß ausübt, ist in Kiel und Jena allge¬ mein bekannt; die gelehrte Welt hat vor Kurzem ein sehr günstiges Zeugniß dcivon erhalten in der musterhaft ausgeführten Monographie eines seiner Schüler. Wilhelm Pückert: „Die churfürstliche Neutralität während des baseler Consils; ein Beitrag zur deutschen Geschichte von 1438—1448" (Leip- ö'S. Teubner). Zwei vor kurzem vollendete Werke: Geschichte der Lande Braunschweig "ud Lüneburg von Wilhelm Havemann, 3 Bde., Göttingen, Dieterich, ^53—1857; und Geschichte Ostfrieslands von Ouro Klopp, 3 Bde., Han- ^ver. Rümpler. 1354 — 1858, behalten wir uns für eine ausführliche Be¬ sprechung vor; es ist höchst lehrreich zu verfolgen, wie hier die naturwüchsige Grundlage eines deutschen Staats, die sächsische Stammgenossenschaft, wie Herrscherhaus der Welsen, das zuerst die Unabhängigkeit Norddeutschlands dem römisch-deutschen Kaiserreich zu erringen gesucht, durch die Macht der Zustände und eigne Schuld aus der ersten Reihe zurückgedrängt, seinen Be¬ ruf an Preußen überlassen mußte, dem es nun wieder auf eine bedenkliche ^ise im Wege steht. Wilhelm Giesebrechls „Geschichte der deutschen Kaiserzeit" hat eine ^ne Auflage erlebt. (1. Bd., Gründung des Kaiserthums, mit einer Ueber- ^chtskarte von H. Kiepert. Vrauuschweig. Schwetschke und Sohn.) Daß ,'°b der Einwendungen, die man gegen die Form der Darstellung machen dieses Werk zu den hervorragendsten Leistungen unserer historischen Li- ^'"tur gehört, hat das Publicum richtig gewürdigt. Ueber die Umarbeitung ^'ehe sich der Verfasser dahin aus ; „Vornehmlich ist er bedacht gewesen, der 30*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/247>, abgerufen am 28.09.2024.