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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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hoben und daher nicht wenig aus die allgemeine Stimmung des Publicunis
einwirkten.

Dieselbe Idee bestimmte bald darauf sein Wirken in Frankfurt und sie
bildet gleichfalls den rothen Faden in seiner Lebensbeschreibung Yorks, einer
der besten Monographieen. welche die letzten Jahrzehnte hervorgebracht haben,
und die lebhaft bedauern läßt, daß der Verfasser nicht in ähnlicher Weise die
Papiere Schöns bearbeitet hat.

Aus dem Bedürfniß, diese vereinzelten Studien über die Bedeutung
Preußens zu einem organischen Ganzen zu verbinden, ist das gegenwärtige
Buch hervorgegangen. Im Allgemeinen richtet sich die Sympathie der Völker
mehr nach dem Eindruck, den große Persönlichkeiten auf die Phantasie aus¬
üben, als nach der Erwägung der Zustände, die mit innerer naturnothwendig,
keit wirken, unabhängig von dem Willen der Einzelnen. So steigt oder M
das Ansehen Preußens in Deutschland, je nachdem man von den regierende"
Persönlichkeiten des Staats befriedigt ist oder nicht; und viele ehrliche Vater¬
landsfreunde glauben etwas Erhebliches gesagt zu haben, wenn sie sich einen
neuen Friedrich den Großen wünschen, der mit der überlegnen Macht des
Genies die Thatsachen zurecht macht, die sich von selbst nicht fügen wollen-
Zu erklären ist diese Gesinnung wol. denn das Ansehen Preußens im Ausland
und die gute Meinung, die man davon hegt, rührt ausschließlich von zwei
bedeutenden Persönlichkeiten her: dem großen Churfürsten und dem große"
Könige. Aber es stünde sehr klüglich um Preußens Beruf, wenn auch sei"
innres Gewicht sich ausschließlich auf diese Erinnerungen gründete, den"
Preußen hat ebensowenig ein Privilegium auf große Regenten als irgend el"
"andrer Staat, und wenn nicht der innere Zusammenhang seiner Geschichte und
seiner Einrichtungen, wenigstens bis zu einem gewissen Grad, die schöpferische
Thätigkeit ersetzte, so wäre kein Grund vorhanden, warum Deutschland grade
hier seinen Helfer suchen sollte.

In der innern Naturbestimmtheit Preußens seine Zukunft zu begreift"
ist die Idee, von welcher Droysen ausging. Die meisten Leser werden beim
ersten Ansehn des Buchs enttäuscht worden sein, denn wo man ein allgemei¬
nes geistvolles Resume erwartete, findet man eine strenge monographische Fol'
schung. In dem Bedürfniß, überall auf die letzten Quellen zurückzugehn und
jede Behauptung zu vermeiden, die nur auf oberflächlicher Anschauung be¬
ruhte, hat Droysen in der That etwas anders hervorgebracht, als er Ursprung'
lich beabsichtigte, und wenn er die folgende Periode in gleicher Ausführlich^'
beHändeln wollte, so könnte leicht das Buch zu einem riesenmüßigen Umfang
anschwellen. Der Titel gibt ebensowenig von diesem Buche eine klare Vor¬
stellung, als der Titel eines frühern, der Geschichte der Freiheitskriege.

Schon über die Wahl des Moments, mit dem er sein Werkbeginn'


hoben und daher nicht wenig aus die allgemeine Stimmung des Publicunis
einwirkten.

Dieselbe Idee bestimmte bald darauf sein Wirken in Frankfurt und sie
bildet gleichfalls den rothen Faden in seiner Lebensbeschreibung Yorks, einer
der besten Monographieen. welche die letzten Jahrzehnte hervorgebracht haben,
und die lebhaft bedauern läßt, daß der Verfasser nicht in ähnlicher Weise die
Papiere Schöns bearbeitet hat.

Aus dem Bedürfniß, diese vereinzelten Studien über die Bedeutung
Preußens zu einem organischen Ganzen zu verbinden, ist das gegenwärtige
Buch hervorgegangen. Im Allgemeinen richtet sich die Sympathie der Völker
mehr nach dem Eindruck, den große Persönlichkeiten auf die Phantasie aus¬
üben, als nach der Erwägung der Zustände, die mit innerer naturnothwendig,
keit wirken, unabhängig von dem Willen der Einzelnen. So steigt oder M
das Ansehen Preußens in Deutschland, je nachdem man von den regierende"
Persönlichkeiten des Staats befriedigt ist oder nicht; und viele ehrliche Vater¬
landsfreunde glauben etwas Erhebliches gesagt zu haben, wenn sie sich einen
neuen Friedrich den Großen wünschen, der mit der überlegnen Macht des
Genies die Thatsachen zurecht macht, die sich von selbst nicht fügen wollen-
Zu erklären ist diese Gesinnung wol. denn das Ansehen Preußens im Ausland
und die gute Meinung, die man davon hegt, rührt ausschließlich von zwei
bedeutenden Persönlichkeiten her: dem großen Churfürsten und dem große"
Könige. Aber es stünde sehr klüglich um Preußens Beruf, wenn auch sei"
innres Gewicht sich ausschließlich auf diese Erinnerungen gründete, den"
Preußen hat ebensowenig ein Privilegium auf große Regenten als irgend el"
»andrer Staat, und wenn nicht der innere Zusammenhang seiner Geschichte und
seiner Einrichtungen, wenigstens bis zu einem gewissen Grad, die schöpferische
Thätigkeit ersetzte, so wäre kein Grund vorhanden, warum Deutschland grade
hier seinen Helfer suchen sollte.

In der innern Naturbestimmtheit Preußens seine Zukunft zu begreift"
ist die Idee, von welcher Droysen ausging. Die meisten Leser werden beim
ersten Ansehn des Buchs enttäuscht worden sein, denn wo man ein allgemei¬
nes geistvolles Resume erwartete, findet man eine strenge monographische Fol'
schung. In dem Bedürfniß, überall auf die letzten Quellen zurückzugehn und
jede Behauptung zu vermeiden, die nur auf oberflächlicher Anschauung be¬
ruhte, hat Droysen in der That etwas anders hervorgebracht, als er Ursprung'
lich beabsichtigte, und wenn er die folgende Periode in gleicher Ausführlich^'
beHändeln wollte, so könnte leicht das Buch zu einem riesenmüßigen Umfang
anschwellen. Der Titel gibt ebensowenig von diesem Buche eine klare Vor¬
stellung, als der Titel eines frühern, der Geschichte der Freiheitskriege.

Schon über die Wahl des Moments, mit dem er sein Werkbeginn'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/244>, abgerufen am 29.06.2024.