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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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vertheilen, um die Hülfsarmee derjenigen Verbündeten zu erwarten, auf welche
Belgien, von Frankreich angegriffen, wohl stets wird zählen können. Indeß
bei dieser Zersplitterung würde es schwierig sein, im rechten Augenblick die Armee
dann wieder zu concentriren, um in wirksamer Weise ihre Thätigkeit mit der
des erwarteten Verbündeten zu vereinigen. Man hat es deshalb vor-
gezogen, einen einzigen Platz auszuwählen und diesen durch Anlage eines
verschanzten Lagers und Fürsorge sür Magazine so einzurichten, das; die ganze
verfügbare Feldarmee -- nach Abzug der Besatzungen für die Grenzfcstungen
-- sich in ihn zurückziehen und die weitern Unternehmungen des Feindes s^
wol als der Verbündeten hier erwarten kann. Antwerpen, welches dazu be¬
stimmt wurde, liegt in der gleichnamige" Provinz, am rechten Ufer der Scheide.
Die reiche Handelsstadt, welche 90000 Einwohner zählt hat eine bastionirte
Umfassung, welche, unter Karl dem Fünften erbaut, durch ihre langen Cur-
tinen und kleinen Bastionen schon unserm alten deutschen Kriegsbaumeister
Daniel Speckle Anlaß zu nützlichen Betrachtungen gab. Die Citadelle vo"
Antwerpen wurde 1507 auf Befehl des Herzogs von Alba durch Paciotto von
Urbino nach neuer italienischer Manier erbaut. Sie ist ein bastionirtes Fünf'
cet und liegt oberhalb der Stadt, welche im Zaum zu halten, ihre Ursprünge
liebe Bestimmung war. An der Scheide unterhalb der Stadt liegen noch
mehrere Forts, um die Verbindung mit dem Meere offen zu erhalten, von
denen wir nur die beiden haupsächlichsten: Lillo am rechten und Liefkenshoek
am linken Ufer erwähnen wollen. In der berühmten Vertheidigung gegen
den Angriff des Herzogs von Parma 1584 erprobte Antwerpen mehr d>e
Kraft und den Freiheitssinn seiner Bürger als die Stärke seiner Befestigungen-
1746 nahmen die Franzosen unter dem Marschall von Sachsen die Citadelle
in sieben Tagen; 1821 hielt sich dieselbe unter Chasse gegen die Franzosen
vier Wochen. Seitdem ist Antwerpen eine belgische Stadt. Die Neubauten,
durch welche es für seine neue Bestimmung geeignet gemacht werden so^>
müssen in detachirten Forts bestehen, welche die Stadt umgeben und nicht blos
am rechten Scheldeufer, sondern auch am linken sich ausdehnen, um der Be¬
satzung oder der in und um Antwerpen aufgestellten belgischen Armee die Ver¬
bindung mit dem linken Ufer zu sichern; so daß dieselbe ihre Kräfte, je nach
Bedarf, aus der einen oder der andern Seite des Stromes concentriren und >n
Folge der Möglichkeit, das Ufer zu wechseln, von allen Vortheilen Gebrauch
machen kann, welche zu ergreifen der Feind, der sich rings um die Stadt
ausbreitet, ihr Gelegenheit gibt. Es ist -- in und außer Belgien -- viel dar¬
über gestritten worden, ob Antwerpen für den Zweck, den man dabei im Auge
hatte, der rechte Punkt sei. Da die Erörterung dieser Frage uns Gelegenheit
bietet, Manches, was für unsere, gegenwärtige Aufgabe von großem Belang
ist, näher zu erläutern, so scheint es passend, auf sie des Weiteren einzutreten-


vertheilen, um die Hülfsarmee derjenigen Verbündeten zu erwarten, auf welche
Belgien, von Frankreich angegriffen, wohl stets wird zählen können. Indeß
bei dieser Zersplitterung würde es schwierig sein, im rechten Augenblick die Armee
dann wieder zu concentriren, um in wirksamer Weise ihre Thätigkeit mit der
des erwarteten Verbündeten zu vereinigen. Man hat es deshalb vor-
gezogen, einen einzigen Platz auszuwählen und diesen durch Anlage eines
verschanzten Lagers und Fürsorge sür Magazine so einzurichten, das; die ganze
verfügbare Feldarmee — nach Abzug der Besatzungen für die Grenzfcstungen
— sich in ihn zurückziehen und die weitern Unternehmungen des Feindes s^
wol als der Verbündeten hier erwarten kann. Antwerpen, welches dazu be¬
stimmt wurde, liegt in der gleichnamige» Provinz, am rechten Ufer der Scheide.
Die reiche Handelsstadt, welche 90000 Einwohner zählt hat eine bastionirte
Umfassung, welche, unter Karl dem Fünften erbaut, durch ihre langen Cur-
tinen und kleinen Bastionen schon unserm alten deutschen Kriegsbaumeister
Daniel Speckle Anlaß zu nützlichen Betrachtungen gab. Die Citadelle vo»
Antwerpen wurde 1507 auf Befehl des Herzogs von Alba durch Paciotto von
Urbino nach neuer italienischer Manier erbaut. Sie ist ein bastionirtes Fünf'
cet und liegt oberhalb der Stadt, welche im Zaum zu halten, ihre Ursprünge
liebe Bestimmung war. An der Scheide unterhalb der Stadt liegen noch
mehrere Forts, um die Verbindung mit dem Meere offen zu erhalten, von
denen wir nur die beiden haupsächlichsten: Lillo am rechten und Liefkenshoek
am linken Ufer erwähnen wollen. In der berühmten Vertheidigung gegen
den Angriff des Herzogs von Parma 1584 erprobte Antwerpen mehr d>e
Kraft und den Freiheitssinn seiner Bürger als die Stärke seiner Befestigungen-
1746 nahmen die Franzosen unter dem Marschall von Sachsen die Citadelle
in sieben Tagen; 1821 hielt sich dieselbe unter Chasse gegen die Franzosen
vier Wochen. Seitdem ist Antwerpen eine belgische Stadt. Die Neubauten,
durch welche es für seine neue Bestimmung geeignet gemacht werden so^>
müssen in detachirten Forts bestehen, welche die Stadt umgeben und nicht blos
am rechten Scheldeufer, sondern auch am linken sich ausdehnen, um der Be¬
satzung oder der in und um Antwerpen aufgestellten belgischen Armee die Ver¬
bindung mit dem linken Ufer zu sichern; so daß dieselbe ihre Kräfte, je nach
Bedarf, aus der einen oder der andern Seite des Stromes concentriren und >n
Folge der Möglichkeit, das Ufer zu wechseln, von allen Vortheilen Gebrauch
machen kann, welche zu ergreifen der Feind, der sich rings um die Stadt
ausbreitet, ihr Gelegenheit gibt. Es ist — in und außer Belgien — viel dar¬
über gestritten worden, ob Antwerpen für den Zweck, den man dabei im Auge
hatte, der rechte Punkt sei. Da die Erörterung dieser Frage uns Gelegenheit
bietet, Manches, was für unsere, gegenwärtige Aufgabe von großem Belang
ist, näher zu erläutern, so scheint es passend, auf sie des Weiteren einzutreten-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/230>, abgerufen am 29.06.2024.