Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

2Vz, in Wismar über 2Vs Thlr. (nach dem Satze für Weizen, welcher den
Hauptexportartikel ausmacht) entrichtet, wozu dann die Hafenkosten u. s. w.
kommen. Nach genauester Berechnung ist der Getreidepreis in Rostock unter
übrigens gleichen Verhältnissen etwas billiger, als in Hamburg, ein Abschlag,
welcher besonders dadurch fühlbar wird, daß die vielen großen Güter so sehr
bedeutende Massen (auch an andern Producten) sortsenden. Ist nun ferner
dem Landmann in Hamburg die Gelegenheit gegeben, für seine Haushaltung
steuerfrei Waaren einzukaufen und mitzunehmen, was er in Rostock nicht kann,
weil er hier die vom Kaufmann erlegte Steuer mit zu bezahlen hat, so neigt
sich die Chance unstreitig zu Gunsten Hamburgs.

Der Handelstand der Seestädte ist aber nicht nur in Hinsicht des Exports
einheimischer Producte und des Wiederverkaufs fremder Waaren an die Pro¬
ducenten gedrückt, sondern auch in Hinsicht des Imports und des Verschleißes
importirter Waaren an die Kaufleute der Landstädte. Will beispielsweise ein
solcher Kaufmann der Landstadt für 100 Thlr. Waaren erstehen, so bereiten
ihm diese, wurden sie zur See bezogen, in runder Summe

in Rostock 4"/.- Thlr.,
in Wismar 7^/24 " wurden sie aber zu Lande bezogen,
in Wismar 4Vis " dagegen
in Hamburg nur 3Vs<> " Steuerkosten.

Das macht zwischen Wismar zur See und Hamburg einen Steuerunter¬
schied von 160 °/o. Das Sonderbare an der hierbei normirenden Steuerweise
ist, daß die schon beim Importe in die Seestadt vorschriftsmäßig versteuerten
und verzollten Waaren, wenn sie in den Besitz eines landstädtischen Kauf¬
mannes übergehen, nochmals die sogenannte Landstadtnachstcuer und daneben
die Landzölle ze. der Hebestellen, welche sie passiren, zu tragen haben. Die
Landstadtnachsteuer beträgt, wenn die Waare von Rostock bezogen wird, V° Pi-'
wenn von Wismar aus, IV" Pf. von jedem Thaler des Werthes und der
schon in der Seestadt erlegten Steuer, so daß von letzterer sogar wieder eine
Steuer erhoben wird. Ist nun dieser Betrag schon nicht gerade gering, so ist
es nur um so natürlicher, daß der Kaufmann seine Waare gewöhnlich dort
sucht, wo er sie mit den geringsten Kosten und möglichst frei von Vexationen
haben kann, demnach Wismar und Rostock gegenüber in Hamburg. Der bil¬
ligere Bezug aus letzterem Orte ist durchschnittlich auf IV2 bis 3 Procent
zu berechnen. Will nun ein Großhändler der Seestadt Commissionswaaren
aus Hamburg beziehen, um sie gegen die Commission direct von dort an den
kleinstädtischen Kaufmann zu überlassen, so kann er dies nur heimlich thun,
weil er sonst für diese Waare in jedem Falle die Steuer bezahlen muß, welche
sie, nach Rostock bezogen, hätte erlegen müssen. Hierdurch wird verhindert,
daß der Credit des Großhändlers einen billigeren Waarenbezug von Seiten


2Vz, in Wismar über 2Vs Thlr. (nach dem Satze für Weizen, welcher den
Hauptexportartikel ausmacht) entrichtet, wozu dann die Hafenkosten u. s. w.
kommen. Nach genauester Berechnung ist der Getreidepreis in Rostock unter
übrigens gleichen Verhältnissen etwas billiger, als in Hamburg, ein Abschlag,
welcher besonders dadurch fühlbar wird, daß die vielen großen Güter so sehr
bedeutende Massen (auch an andern Producten) sortsenden. Ist nun ferner
dem Landmann in Hamburg die Gelegenheit gegeben, für seine Haushaltung
steuerfrei Waaren einzukaufen und mitzunehmen, was er in Rostock nicht kann,
weil er hier die vom Kaufmann erlegte Steuer mit zu bezahlen hat, so neigt
sich die Chance unstreitig zu Gunsten Hamburgs.

Der Handelstand der Seestädte ist aber nicht nur in Hinsicht des Exports
einheimischer Producte und des Wiederverkaufs fremder Waaren an die Pro¬
ducenten gedrückt, sondern auch in Hinsicht des Imports und des Verschleißes
importirter Waaren an die Kaufleute der Landstädte. Will beispielsweise ein
solcher Kaufmann der Landstadt für 100 Thlr. Waaren erstehen, so bereiten
ihm diese, wurden sie zur See bezogen, in runder Summe

in Rostock 4"/.- Thlr.,
in Wismar 7^/24 „ wurden sie aber zu Lande bezogen,
in Wismar 4Vis „ dagegen
in Hamburg nur 3Vs<> „ Steuerkosten.

Das macht zwischen Wismar zur See und Hamburg einen Steuerunter¬
schied von 160 °/o. Das Sonderbare an der hierbei normirenden Steuerweise
ist, daß die schon beim Importe in die Seestadt vorschriftsmäßig versteuerten
und verzollten Waaren, wenn sie in den Besitz eines landstädtischen Kauf¬
mannes übergehen, nochmals die sogenannte Landstadtnachstcuer und daneben
die Landzölle ze. der Hebestellen, welche sie passiren, zu tragen haben. Die
Landstadtnachsteuer beträgt, wenn die Waare von Rostock bezogen wird, V° Pi-'
wenn von Wismar aus, IV» Pf. von jedem Thaler des Werthes und der
schon in der Seestadt erlegten Steuer, so daß von letzterer sogar wieder eine
Steuer erhoben wird. Ist nun dieser Betrag schon nicht gerade gering, so ist
es nur um so natürlicher, daß der Kaufmann seine Waare gewöhnlich dort
sucht, wo er sie mit den geringsten Kosten und möglichst frei von Vexationen
haben kann, demnach Wismar und Rostock gegenüber in Hamburg. Der bil¬
ligere Bezug aus letzterem Orte ist durchschnittlich auf IV2 bis 3 Procent
zu berechnen. Will nun ein Großhändler der Seestadt Commissionswaaren
aus Hamburg beziehen, um sie gegen die Commission direct von dort an den
kleinstädtischen Kaufmann zu überlassen, so kann er dies nur heimlich thun,
weil er sonst für diese Waare in jedem Falle die Steuer bezahlen muß, welche
sie, nach Rostock bezogen, hätte erlegen müssen. Hierdurch wird verhindert,
daß der Credit des Großhändlers einen billigeren Waarenbezug von Seiten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108348"/>
            <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> 2Vz, in Wismar über 2Vs Thlr. (nach dem Satze für Weizen, welcher den<lb/>
Hauptexportartikel ausmacht) entrichtet, wozu dann die Hafenkosten u. s. w.<lb/>
kommen. Nach genauester Berechnung ist der Getreidepreis in Rostock unter<lb/>
übrigens gleichen Verhältnissen etwas billiger, als in Hamburg, ein Abschlag,<lb/>
welcher besonders dadurch fühlbar wird, daß die vielen großen Güter so sehr<lb/>
bedeutende Massen (auch an andern Producten) sortsenden. Ist nun ferner<lb/>
dem Landmann in Hamburg die Gelegenheit gegeben, für seine Haushaltung<lb/>
steuerfrei Waaren einzukaufen und mitzunehmen, was er in Rostock nicht kann,<lb/>
weil er hier die vom Kaufmann erlegte Steuer mit zu bezahlen hat, so neigt<lb/>
sich die Chance unstreitig zu Gunsten Hamburgs.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_751"> Der Handelstand der Seestädte ist aber nicht nur in Hinsicht des Exports<lb/>
einheimischer Producte und des Wiederverkaufs fremder Waaren an die Pro¬<lb/>
ducenten gedrückt, sondern auch in Hinsicht des Imports und des Verschleißes<lb/>
importirter Waaren an die Kaufleute der Landstädte. Will beispielsweise ein<lb/>
solcher Kaufmann der Landstadt für 100 Thlr. Waaren erstehen, so bereiten<lb/>
ihm diese, wurden sie zur See bezogen, in runder Summe</p><lb/>
            <list>
              <item> in Rostock 4"/.- Thlr.,</item>
              <item> in Wismar    7^/24  &#x201E;  wurden sie aber zu Lande bezogen,</item>
              <item> in Wismar    4Vis  &#x201E; dagegen</item>
              <item> in Hamburg nur 3Vs&lt;&gt; &#x201E; Steuerkosten.</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Das macht zwischen Wismar zur See und Hamburg einen Steuerunter¬<lb/>
schied von 160 °/o. Das Sonderbare an der hierbei normirenden Steuerweise<lb/>
ist, daß die schon beim Importe in die Seestadt vorschriftsmäßig versteuerten<lb/>
und verzollten Waaren, wenn sie in den Besitz eines landstädtischen Kauf¬<lb/>
mannes übergehen, nochmals die sogenannte Landstadtnachstcuer und daneben<lb/>
die Landzölle ze. der Hebestellen, welche sie passiren, zu tragen haben. Die<lb/>
Landstadtnachsteuer beträgt, wenn die Waare von Rostock bezogen wird, V° Pi-'<lb/>
wenn von Wismar aus, IV» Pf. von jedem Thaler des Werthes und der<lb/>
schon in der Seestadt erlegten Steuer, so daß von letzterer sogar wieder eine<lb/>
Steuer erhoben wird. Ist nun dieser Betrag schon nicht gerade gering, so ist<lb/>
es nur um so natürlicher, daß der Kaufmann seine Waare gewöhnlich dort<lb/>
sucht, wo er sie mit den geringsten Kosten und möglichst frei von Vexationen<lb/>
haben kann, demnach Wismar und Rostock gegenüber in Hamburg. Der bil¬<lb/>
ligere Bezug aus letzterem Orte ist durchschnittlich auf IV2 bis 3 Procent<lb/>
zu berechnen. Will nun ein Großhändler der Seestadt Commissionswaaren<lb/>
aus Hamburg beziehen, um sie gegen die Commission direct von dort an den<lb/>
kleinstädtischen Kaufmann zu überlassen, so kann er dies nur heimlich thun,<lb/>
weil er sonst für diese Waare in jedem Falle die Steuer bezahlen muß, welche<lb/>
sie, nach Rostock bezogen, hätte erlegen müssen. Hierdurch wird verhindert,<lb/>
daß der Credit des Großhändlers einen billigeren Waarenbezug von Seiten</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] 2Vz, in Wismar über 2Vs Thlr. (nach dem Satze für Weizen, welcher den Hauptexportartikel ausmacht) entrichtet, wozu dann die Hafenkosten u. s. w. kommen. Nach genauester Berechnung ist der Getreidepreis in Rostock unter übrigens gleichen Verhältnissen etwas billiger, als in Hamburg, ein Abschlag, welcher besonders dadurch fühlbar wird, daß die vielen großen Güter so sehr bedeutende Massen (auch an andern Producten) sortsenden. Ist nun ferner dem Landmann in Hamburg die Gelegenheit gegeben, für seine Haushaltung steuerfrei Waaren einzukaufen und mitzunehmen, was er in Rostock nicht kann, weil er hier die vom Kaufmann erlegte Steuer mit zu bezahlen hat, so neigt sich die Chance unstreitig zu Gunsten Hamburgs. Der Handelstand der Seestädte ist aber nicht nur in Hinsicht des Exports einheimischer Producte und des Wiederverkaufs fremder Waaren an die Pro¬ ducenten gedrückt, sondern auch in Hinsicht des Imports und des Verschleißes importirter Waaren an die Kaufleute der Landstädte. Will beispielsweise ein solcher Kaufmann der Landstadt für 100 Thlr. Waaren erstehen, so bereiten ihm diese, wurden sie zur See bezogen, in runder Summe in Rostock 4"/.- Thlr., in Wismar 7^/24 „ wurden sie aber zu Lande bezogen, in Wismar 4Vis „ dagegen in Hamburg nur 3Vs<> „ Steuerkosten. Das macht zwischen Wismar zur See und Hamburg einen Steuerunter¬ schied von 160 °/o. Das Sonderbare an der hierbei normirenden Steuerweise ist, daß die schon beim Importe in die Seestadt vorschriftsmäßig versteuerten und verzollten Waaren, wenn sie in den Besitz eines landstädtischen Kauf¬ mannes übergehen, nochmals die sogenannte Landstadtnachstcuer und daneben die Landzölle ze. der Hebestellen, welche sie passiren, zu tragen haben. Die Landstadtnachsteuer beträgt, wenn die Waare von Rostock bezogen wird, V° Pi-' wenn von Wismar aus, IV» Pf. von jedem Thaler des Werthes und der schon in der Seestadt erlegten Steuer, so daß von letzterer sogar wieder eine Steuer erhoben wird. Ist nun dieser Betrag schon nicht gerade gering, so ist es nur um so natürlicher, daß der Kaufmann seine Waare gewöhnlich dort sucht, wo er sie mit den geringsten Kosten und möglichst frei von Vexationen haben kann, demnach Wismar und Rostock gegenüber in Hamburg. Der bil¬ ligere Bezug aus letzterem Orte ist durchschnittlich auf IV2 bis 3 Procent zu berechnen. Will nun ein Großhändler der Seestadt Commissionswaaren aus Hamburg beziehen, um sie gegen die Commission direct von dort an den kleinstädtischen Kaufmann zu überlassen, so kann er dies nur heimlich thun, weil er sonst für diese Waare in jedem Falle die Steuer bezahlen muß, welche sie, nach Rostock bezogen, hätte erlegen müssen. Hierdurch wird verhindert, daß der Credit des Großhändlers einen billigeren Waarenbezug von Seiten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/218>, abgerufen am 29.06.2024.