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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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gegenwärtig in der That nicht controliren. dagegen sehr leicht umgehen läßt --
bleibt sie doch eine den Handel a priori sehr drückende Befreiung, da sie nur
zum Bezüge größerer, die Transportkosten ausgleichender Warenmengen auf¬
fordert. Und zwar werden diese aus Hamburg und Lübeck bezogen, wo man
sie steuerfrei erhält, nicht von den Kaufleuten des eignen Landes, welche sie
unter allen Umständen theuer versteuern mußten. Die Hintanstellung der ein¬
heimischen Kaufleute ist es eben, welche dem hiesigen Handel so tiefe Wunden
geschlagen hat und noch schlägt, während man es doch nur billigen könnte,
wenn er vornehmlich berücksichtigt und dem auswärtigen Handel mindestens
gleichgestellt würde.

Aber der einheimische Handel wird in jeder Beziehung gedrückt und in
seinen nächsten Interessen durch die Trennung der Landstädte von den See¬
städten verletzt. Die Ursache dieses Mißverhältnisses ist für Rostock in der ex-
clusiver Stellung zu suchen, welche es früher als Hansestadt behauptete und
später, durch eigne Schuld freilich, beibehielt, für Wismar darin, daß es bis
1803 zu Schweden gehörte und sich auch jetzt nur noch im nomineller Pfand¬
besitz Mecklenburgs befindet. Dadurch haben sich Scheidewände zwischen den
Seestädten und dem übrigen Lande gebildet, welche in einem dem Fortschritte
und der Ausgleichung motorischer Mißstände mehr huldigenden Staate aller¬
dings längst würden beseitigt sein, in Mecklenburg sich aber der Heilig¬
keit und Unantastbarkeit des "von Alters her" erfreuen und. trotzdem daß
sie durchaus antiquirt sind, doch bis aufs Aeußerste "conservirt" werden
müssen. Der Handel Mecklenburgs sollte, wenigstens in dem östlichen mitt¬
leren und nördlichen Theile des Landes, sich direct an die Seestädte schließen-
Sie sind seine natürlichen Einfuhrplätze, und nicht nur durch eine zahlreiche
und vortreffliche Rhederei von fast 400 Schiffen, sondern auch durch eine gün¬
stige Lage und gute Häfen vollkommen im Stande, unter gleichen Verhält¬
nissen mit denjenigen Handelsstädten, welche ihnen in neuester Zeit einen sehr
bedeutenden Verkehr entzogen haben, vornehmlich also mit Hamburg, zu con¬
curriren. Sollte dies auch hinsichtlich einzelner Artikel nicht der Fall sein (es
wird z. B. Hamburg bezüglich der Viehausfuhr aus Mecklenburg nach Mg-
land wegen des schnellern Transportes immer, bezüglich mancher Colonial-
waaren bedingungsweise im Vortheil sein), so bleibt doch eine unverhältniß-
mäßige Beschränkung der Landeshäfen absolut verwerflich, da sie diese hindert,
zur Benutzung ihrer natürlichen Hilfsmittel die richtigen, eventuell neue Weg^
aufzusuchen und was auf der einen Seite ihnen etwa entgehen würde, durch
mercantile Anstrengung auf der andern Seite wieder zu gewinnen. Diese Ver¬
hältnisse fordern ein etwas näheres Eingehn, zu welchem es auch einer Be¬
trachtung der einheimischen Production, mit welcher der Handel im genauestes
Zusammenhange steht, bedarf.


gegenwärtig in der That nicht controliren. dagegen sehr leicht umgehen läßt —
bleibt sie doch eine den Handel a priori sehr drückende Befreiung, da sie nur
zum Bezüge größerer, die Transportkosten ausgleichender Warenmengen auf¬
fordert. Und zwar werden diese aus Hamburg und Lübeck bezogen, wo man
sie steuerfrei erhält, nicht von den Kaufleuten des eignen Landes, welche sie
unter allen Umständen theuer versteuern mußten. Die Hintanstellung der ein¬
heimischen Kaufleute ist es eben, welche dem hiesigen Handel so tiefe Wunden
geschlagen hat und noch schlägt, während man es doch nur billigen könnte,
wenn er vornehmlich berücksichtigt und dem auswärtigen Handel mindestens
gleichgestellt würde.

Aber der einheimische Handel wird in jeder Beziehung gedrückt und in
seinen nächsten Interessen durch die Trennung der Landstädte von den See¬
städten verletzt. Die Ursache dieses Mißverhältnisses ist für Rostock in der ex-
clusiver Stellung zu suchen, welche es früher als Hansestadt behauptete und
später, durch eigne Schuld freilich, beibehielt, für Wismar darin, daß es bis
1803 zu Schweden gehörte und sich auch jetzt nur noch im nomineller Pfand¬
besitz Mecklenburgs befindet. Dadurch haben sich Scheidewände zwischen den
Seestädten und dem übrigen Lande gebildet, welche in einem dem Fortschritte
und der Ausgleichung motorischer Mißstände mehr huldigenden Staate aller¬
dings längst würden beseitigt sein, in Mecklenburg sich aber der Heilig¬
keit und Unantastbarkeit des „von Alters her" erfreuen und. trotzdem daß
sie durchaus antiquirt sind, doch bis aufs Aeußerste „conservirt" werden
müssen. Der Handel Mecklenburgs sollte, wenigstens in dem östlichen mitt¬
leren und nördlichen Theile des Landes, sich direct an die Seestädte schließen-
Sie sind seine natürlichen Einfuhrplätze, und nicht nur durch eine zahlreiche
und vortreffliche Rhederei von fast 400 Schiffen, sondern auch durch eine gün¬
stige Lage und gute Häfen vollkommen im Stande, unter gleichen Verhält¬
nissen mit denjenigen Handelsstädten, welche ihnen in neuester Zeit einen sehr
bedeutenden Verkehr entzogen haben, vornehmlich also mit Hamburg, zu con¬
curriren. Sollte dies auch hinsichtlich einzelner Artikel nicht der Fall sein (es
wird z. B. Hamburg bezüglich der Viehausfuhr aus Mecklenburg nach Mg-
land wegen des schnellern Transportes immer, bezüglich mancher Colonial-
waaren bedingungsweise im Vortheil sein), so bleibt doch eine unverhältniß-
mäßige Beschränkung der Landeshäfen absolut verwerflich, da sie diese hindert,
zur Benutzung ihrer natürlichen Hilfsmittel die richtigen, eventuell neue Weg^
aufzusuchen und was auf der einen Seite ihnen etwa entgehen würde, durch
mercantile Anstrengung auf der andern Seite wieder zu gewinnen. Diese Ver¬
hältnisse fordern ein etwas näheres Eingehn, zu welchem es auch einer Be¬
trachtung der einheimischen Production, mit welcher der Handel im genauestes
Zusammenhange steht, bedarf.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/216>, abgerufen am 29.06.2024.