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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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dieser Seite hin in viel gelindem Formen zu bewerkstelligen wäre, als eine
Bundesreform nach der entgegengesetzten Seite. Vorläufig handelt es sich
überhaupt gar nicht um eine wirkliche Entscheidung, sondern nur. die öffent¬
liche Meinung vorzubereiten: dies wird aber nicht gefördert, wenn man. um
der lieben Einigkeit willen. Welsen und Waiblinger in einen Topf bunt durch¬
1' 'I'' einanderwirft. ''




Ein Abenteuer mit Goethe.
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Die folgende Anekdote ist aus dem soeben bei I. I. Weber in Leipzig
erschienenen Buch Professor Lobes "Aus dem Leben eines Musikers"
entnommen. Lobe war in der Zeit, wo Goethe das Theater in Weimar leitete,
ein junger Mann, der in sich den Beruf zu einem großen Tondichter empfand,
eifrig componirte und studirte und sich lebhaft mit der Bühne beschäftigte.
Da wollte sein Unstern, daß zu den Sorgen um verbotene Octaven und falsche
Quinten und zu der Qual, die seinem jugendlichen Herzen der Generalbaß
wie seinen Geheimnissen bereitete, noch-" die Liebe trat. Eine kleine Schau¬
spielerin mit zweckmäßigem Gesicht wurde plötzlich der Gegenstand seiner Nei¬
gung, die er indeß nur durch Verfolgung der Angebeteten auf Schritt und
Tritt zu äußern wagte. Gab sie ihm bei einer Begegnung Gelegenheit, seinen
Gefühlen für sie Worte zu leihen, so verwandelte sich der angehende Don Juan
sofort in den steinernen Gast. Es half nichts, daß sie geduldig auf eine Er¬
klärung wartete, daß sie mit verschämt gesenkten Blicken stumm fragte, ob er
ihr etwas zu sagen hätte. Er hatte ihr nichts zu sagen. So ging sie end¬
lich sanft erröthend weiter. Da führte eines dunkeln Hcrbstabends ein böses
Schicksal die Katastrophe in diesem zarten Verhältniß herbei.

Es war eine Thcaterprove von Turanoot. Der Liebende hatte gehört,
daß die Geliebte in diesem Stück zum ersten Mal auftreten werde. Er mußte
der Probe beiwohnen. Durch ein Hinterfenster stieg er ins Orchester, von da
über die Barriere ins Parterre, wo er geheimnißvoll hinter einem Pfeiler ver¬
schwand. Wir lassen nun ihn selbst erzählen:

Es war finster, und nur die großherzogliche Loge, auf der andern Seite
des Hauses, der Bühne gegenüber, durch zwei matt flackernde Kerzen erhellt.
Wir befanden uns nämlich damals noch in der vorHund-aubrischen Zeit,
Goethe meist bei den Hauptproben zugegen zu sein pflegte.


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dieser Seite hin in viel gelindem Formen zu bewerkstelligen wäre, als eine
Bundesreform nach der entgegengesetzten Seite. Vorläufig handelt es sich
überhaupt gar nicht um eine wirkliche Entscheidung, sondern nur. die öffent¬
liche Meinung vorzubereiten: dies wird aber nicht gefördert, wenn man. um
der lieben Einigkeit willen. Welsen und Waiblinger in einen Topf bunt durch¬
1' 'I'' einanderwirft. ''




Ein Abenteuer mit Goethe.
'.- i.Ritt ,önö5it >"^><. .^71»-.^? ^.

Die folgende Anekdote ist aus dem soeben bei I. I. Weber in Leipzig
erschienenen Buch Professor Lobes „Aus dem Leben eines Musikers"
entnommen. Lobe war in der Zeit, wo Goethe das Theater in Weimar leitete,
ein junger Mann, der in sich den Beruf zu einem großen Tondichter empfand,
eifrig componirte und studirte und sich lebhaft mit der Bühne beschäftigte.
Da wollte sein Unstern, daß zu den Sorgen um verbotene Octaven und falsche
Quinten und zu der Qual, die seinem jugendlichen Herzen der Generalbaß
wie seinen Geheimnissen bereitete, noch-« die Liebe trat. Eine kleine Schau¬
spielerin mit zweckmäßigem Gesicht wurde plötzlich der Gegenstand seiner Nei¬
gung, die er indeß nur durch Verfolgung der Angebeteten auf Schritt und
Tritt zu äußern wagte. Gab sie ihm bei einer Begegnung Gelegenheit, seinen
Gefühlen für sie Worte zu leihen, so verwandelte sich der angehende Don Juan
sofort in den steinernen Gast. Es half nichts, daß sie geduldig auf eine Er¬
klärung wartete, daß sie mit verschämt gesenkten Blicken stumm fragte, ob er
ihr etwas zu sagen hätte. Er hatte ihr nichts zu sagen. So ging sie end¬
lich sanft erröthend weiter. Da führte eines dunkeln Hcrbstabends ein böses
Schicksal die Katastrophe in diesem zarten Verhältniß herbei.

Es war eine Thcaterprove von Turanoot. Der Liebende hatte gehört,
daß die Geliebte in diesem Stück zum ersten Mal auftreten werde. Er mußte
der Probe beiwohnen. Durch ein Hinterfenster stieg er ins Orchester, von da
über die Barriere ins Parterre, wo er geheimnißvoll hinter einem Pfeiler ver¬
schwand. Wir lassen nun ihn selbst erzählen:

Es war finster, und nur die großherzogliche Loge, auf der andern Seite
des Hauses, der Bühne gegenüber, durch zwei matt flackernde Kerzen erhellt.
Wir befanden uns nämlich damals noch in der vorHund-aubrischen Zeit,
Goethe meist bei den Hauptproben zugegen zu sein pflegte.


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[0207] dieser Seite hin in viel gelindem Formen zu bewerkstelligen wäre, als eine Bundesreform nach der entgegengesetzten Seite. Vorläufig handelt es sich überhaupt gar nicht um eine wirkliche Entscheidung, sondern nur. die öffent¬ liche Meinung vorzubereiten: dies wird aber nicht gefördert, wenn man. um der lieben Einigkeit willen. Welsen und Waiblinger in einen Topf bunt durch¬ 1' 'I'' einanderwirft. '' Ein Abenteuer mit Goethe. '.- i.Ritt ,önö5it >"^><. .^71»-.^? ^. Die folgende Anekdote ist aus dem soeben bei I. I. Weber in Leipzig erschienenen Buch Professor Lobes „Aus dem Leben eines Musikers" entnommen. Lobe war in der Zeit, wo Goethe das Theater in Weimar leitete, ein junger Mann, der in sich den Beruf zu einem großen Tondichter empfand, eifrig componirte und studirte und sich lebhaft mit der Bühne beschäftigte. Da wollte sein Unstern, daß zu den Sorgen um verbotene Octaven und falsche Quinten und zu der Qual, die seinem jugendlichen Herzen der Generalbaß wie seinen Geheimnissen bereitete, noch-« die Liebe trat. Eine kleine Schau¬ spielerin mit zweckmäßigem Gesicht wurde plötzlich der Gegenstand seiner Nei¬ gung, die er indeß nur durch Verfolgung der Angebeteten auf Schritt und Tritt zu äußern wagte. Gab sie ihm bei einer Begegnung Gelegenheit, seinen Gefühlen für sie Worte zu leihen, so verwandelte sich der angehende Don Juan sofort in den steinernen Gast. Es half nichts, daß sie geduldig auf eine Er¬ klärung wartete, daß sie mit verschämt gesenkten Blicken stumm fragte, ob er ihr etwas zu sagen hätte. Er hatte ihr nichts zu sagen. So ging sie end¬ lich sanft erröthend weiter. Da führte eines dunkeln Hcrbstabends ein böses Schicksal die Katastrophe in diesem zarten Verhältniß herbei. Es war eine Thcaterprove von Turanoot. Der Liebende hatte gehört, daß die Geliebte in diesem Stück zum ersten Mal auftreten werde. Er mußte der Probe beiwohnen. Durch ein Hinterfenster stieg er ins Orchester, von da über die Barriere ins Parterre, wo er geheimnißvoll hinter einem Pfeiler ver¬ schwand. Wir lassen nun ihn selbst erzählen: Es war finster, und nur die großherzogliche Loge, auf der andern Seite des Hauses, der Bühne gegenüber, durch zwei matt flackernde Kerzen erhellt. Wir befanden uns nämlich damals noch in der vorHund-aubrischen Zeit, Goethe meist bei den Hauptproben zugegen zu sein pflegte. 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/207>, abgerufen am 29.06.2024.