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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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haben glaube, so finde man keinen Gegenstand vor. sondern immer nur sich
selbst und zwar hiervon auch nur die Hand, die darnach hasche. Einem andern
sprach er von der lächerlichen Neuerungssucht, wie Hudibras aus Sand einen
Strick drehen zu wollen. Auf jene öffentliche Erklärung antwortete Fichte
in einem Sendschreiben an Schelling: "Es ist in der Regel, während die Ver-
theidiger der Vorkantischen Metaphysik noch nicht aufgehört haben. Kant zu
sagen, er gebe sich mit fruchtlosen Spitzfindigkeiten ab. daß nun Kant uns
dasselbe sagt; es ist in der Regel, daß. während jene gegen Kant versichern,
ihre Metaphysik stände noch unbeschädigt, unverbesserlich und unveränderlich
für ewige Zeiten da. Kant dasselbe von der seinigen gegen uns versichert.
Wer weiß, wo jetzt schon der junge feurige Kopf arbeitet, der über die Prin-
cipien der Wissenschaftslehre hinauszugehn und dieser Unrichtigketten und Un-
vollkommenheiten nachzuweisen versuchen wird. Verleihe uns dann der Himmel
die Gnade, daß wir nicht bei der Versicherung, dies seien fruchtlose Spitzfindig¬
keiten, stehen bleiben, sondern daß einer von uns. oder wenn dies uns selbst
nicht mehr zuzumuthen sein sollte, statt unserer ein in unserer Schule Gebil¬
deter dastehe, der entweder die Nichtigkeit solcher neuen Entdeckungen wirklich
beweise, oder, wenn er dies nicht kann, sie in unserm Namen dankbar an¬
nehme."

Fichte schrieb in Berlin die Bestimmung des Menschen. Schellina.
in Jena das System des transcendentalen Idealismus. Beide
Bücher erschienen zur Ostermesse 1800. Fichtes Werk, für seine Gesinnung
das am meisten charakteristische, zerfällt in drei Abschnitte: nach den Irrfahr¬
ten des Spinozismus und Kriticismus findet der Mensch im rastlosen Schaffen
des praktischen Lebens seine wahre Bestimmung. Einen andern Weg nimmt
Schelling-. auch sein Buch zerfüllt in drei Abschnitte; der erste behandelt noch
der Methode der Wissenschaftslehre eine ideale Geschichte des Ich oder des
Selbstbewußtseins nach drei Epochen 1) von der ursprünglichen Empfindung
bis zur productiven Anschauung; 2) von der productiven Anschauung bis zur
Reflexion; g) von der Reflexion bis zum absoluten Willensact. Es bleibt hier
unentschieden, ob dieser Proceß ein in jedem Individuum wiederkehrender oder
"ne Geschichte des menschlichen Selbstbewußtseins, wie sie sich in der Philosophie
ausspncht. sein soll: eine Unklarheit, die in der spätern Phänomenologie auf
d'e Spitze getrieben wurde. Charakteristisch ist zweierlei: 1) daß das System der
Philosoph^, der Logik oder der Metaphysik, wie man es nehmen will, sich
als ein historischer Proceß darstellt, was in der Wissenschaftslehre noch keines¬
wegs so bestimmt hervorgetreten war; 2) daß durch die Geschichte des Selbst,
bewußtseins fortwährend die Kategorien der Naturphilosophie durchschimmern:
Sensibilität. Irritabilität. Magnetismus. Chemismus u. f. w. -- Der zweite
Abschnitt enthält die praktische Philosophie. Man hat es häufig getadelt, daß


Grenzboten III. 1859.

haben glaube, so finde man keinen Gegenstand vor. sondern immer nur sich
selbst und zwar hiervon auch nur die Hand, die darnach hasche. Einem andern
sprach er von der lächerlichen Neuerungssucht, wie Hudibras aus Sand einen
Strick drehen zu wollen. Auf jene öffentliche Erklärung antwortete Fichte
in einem Sendschreiben an Schelling: „Es ist in der Regel, während die Ver-
theidiger der Vorkantischen Metaphysik noch nicht aufgehört haben. Kant zu
sagen, er gebe sich mit fruchtlosen Spitzfindigkeiten ab. daß nun Kant uns
dasselbe sagt; es ist in der Regel, daß. während jene gegen Kant versichern,
ihre Metaphysik stände noch unbeschädigt, unverbesserlich und unveränderlich
für ewige Zeiten da. Kant dasselbe von der seinigen gegen uns versichert.
Wer weiß, wo jetzt schon der junge feurige Kopf arbeitet, der über die Prin-
cipien der Wissenschaftslehre hinauszugehn und dieser Unrichtigketten und Un-
vollkommenheiten nachzuweisen versuchen wird. Verleihe uns dann der Himmel
die Gnade, daß wir nicht bei der Versicherung, dies seien fruchtlose Spitzfindig¬
keiten, stehen bleiben, sondern daß einer von uns. oder wenn dies uns selbst
nicht mehr zuzumuthen sein sollte, statt unserer ein in unserer Schule Gebil¬
deter dastehe, der entweder die Nichtigkeit solcher neuen Entdeckungen wirklich
beweise, oder, wenn er dies nicht kann, sie in unserm Namen dankbar an¬
nehme."

Fichte schrieb in Berlin die Bestimmung des Menschen. Schellina.
in Jena das System des transcendentalen Idealismus. Beide
Bücher erschienen zur Ostermesse 1800. Fichtes Werk, für seine Gesinnung
das am meisten charakteristische, zerfällt in drei Abschnitte: nach den Irrfahr¬
ten des Spinozismus und Kriticismus findet der Mensch im rastlosen Schaffen
des praktischen Lebens seine wahre Bestimmung. Einen andern Weg nimmt
Schelling-. auch sein Buch zerfüllt in drei Abschnitte; der erste behandelt noch
der Methode der Wissenschaftslehre eine ideale Geschichte des Ich oder des
Selbstbewußtseins nach drei Epochen 1) von der ursprünglichen Empfindung
bis zur productiven Anschauung; 2) von der productiven Anschauung bis zur
Reflexion; g) von der Reflexion bis zum absoluten Willensact. Es bleibt hier
unentschieden, ob dieser Proceß ein in jedem Individuum wiederkehrender oder
«ne Geschichte des menschlichen Selbstbewußtseins, wie sie sich in der Philosophie
ausspncht. sein soll: eine Unklarheit, die in der spätern Phänomenologie auf
d'e Spitze getrieben wurde. Charakteristisch ist zweierlei: 1) daß das System der
Philosoph^, der Logik oder der Metaphysik, wie man es nehmen will, sich
als ein historischer Proceß darstellt, was in der Wissenschaftslehre noch keines¬
wegs so bestimmt hervorgetreten war; 2) daß durch die Geschichte des Selbst,
bewußtseins fortwährend die Kategorien der Naturphilosophie durchschimmern:
Sensibilität. Irritabilität. Magnetismus. Chemismus u. f. w. — Der zweite
Abschnitt enthält die praktische Philosophie. Man hat es häufig getadelt, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/71>, abgerufen am 28.12.2024.