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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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dessen scheint das Glas jetzt nicht mehr zu den bedeutenderen Ausfuhrartikeln
Englands zu gehören. Die Fabrikation hat namentliH in den mittleren
Grafschaften und im südwestlichen Theile des Landes ihren Hauptsitz; in den
ersteren ist Birmingham, im letzteren Bristol der Mittelpunkt.

In Schottland erhielt Lord Hau unter der Regierung Jacob des Vierten 1618
auf einunddreißig Jahre das ausschließliche Privilegium der Glasfabrikation
für das ganze Land. 1627 trat der Lord sein Recht für eine bedeutende Geld¬
summe an den Kleinhändler Robinson in London ab. und dieser überließ
° es wiederum für zweihundertundfunfzig Pfd. Sterl. an den Viceadmiral Sir
Robert Mamsell. Engländer waren es auch, die 1750 unter der Regierung
Johann des Fünften die erste Glashütte in Portugal! anlegten. Hier sowol
wie in Spanren gelangte dieser Industriezweig zu keiner sonderlichen Entwi¬
ckelung.

Schweden erhielt die erste Glashütte 1641; heute zahlt man deren sieb¬
zehn und in Norwegen drei. In Nordamerika wurde die erste Glashütte 1700
durch Robert Hewe's aus Boston im Walde von New-Hampshire angelegt.
Die ersten Versuche mißlangen, ebenso ein zweiter in Boston selbst. Als jedoch
1803 ein Deutscher die letztere Fabrik übernahm und der Staat sich verpflich¬
tete für jede Glastafel eine bestimmte Prämie zu zahlen, machte man binnen
kurzer Zeit bedeutende Fortschritte, so daß heute noch das Glas von Boston
als das beste in Amerika angesehen wird.

Die allgemeine Verbreitung der Glasfabrikation mußte endlich auch das
Fensterglas zu Tage fördern; freilich sehr spät und dabei äußerst langsam fand
diese Neuerung Verbreitung und Anwendung. Während die Glasspiegel selbst
Segen den Ausgang des dreizehnten Jahrhunderts schon ziemlich verbreitet
waren, galten im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert Fensterscheiben noch
für sehr große Seltenheiten. Es wird von den Chronisten als besondere Merk¬
würdigkeit hervorgehoben, daß um diese Zeit zu Basel bei einigen wenigen
Häusern an die Stelle des geölten Papiers oder Horns Glas getreten war.
Das Rathhaus zu Zürich hatte noch 1402 statt der Feuster Tuchvorhänge,
und die Wohnungen der französischen Könige waren wie die Kirchen mit
Fenstern aus buntem Glase verziert. Von dem Herzog von Northumberland,
dem Reichsten in England erzählt man, daß er (selbst in der Mitte des sieb¬
enten Jahrhunderts) die Fenster seines Schlosses jedes Mal herausnehmen
und sorgfältig verpacken ließ, so oft er verreiste. Sogar gegen Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts waren nur die Hauptgemächer der königlichen Schlösser
""t Fenstern aus farblosem Glase versehen. In den Schlössern des Adels
und den Häusern der vornehmen Bürger versah Flechtwerk aus Weidenruthen
oder feiner Eichenrinde die Stelle der Fenster.

In Wien datiren die ersten Glasfenster aus dem Jahr 1458; in Ungarn


dessen scheint das Glas jetzt nicht mehr zu den bedeutenderen Ausfuhrartikeln
Englands zu gehören. Die Fabrikation hat namentliH in den mittleren
Grafschaften und im südwestlichen Theile des Landes ihren Hauptsitz; in den
ersteren ist Birmingham, im letzteren Bristol der Mittelpunkt.

In Schottland erhielt Lord Hau unter der Regierung Jacob des Vierten 1618
auf einunddreißig Jahre das ausschließliche Privilegium der Glasfabrikation
für das ganze Land. 1627 trat der Lord sein Recht für eine bedeutende Geld¬
summe an den Kleinhändler Robinson in London ab. und dieser überließ
° es wiederum für zweihundertundfunfzig Pfd. Sterl. an den Viceadmiral Sir
Robert Mamsell. Engländer waren es auch, die 1750 unter der Regierung
Johann des Fünften die erste Glashütte in Portugal! anlegten. Hier sowol
wie in Spanren gelangte dieser Industriezweig zu keiner sonderlichen Entwi¬
ckelung.

Schweden erhielt die erste Glashütte 1641; heute zahlt man deren sieb¬
zehn und in Norwegen drei. In Nordamerika wurde die erste Glashütte 1700
durch Robert Hewe's aus Boston im Walde von New-Hampshire angelegt.
Die ersten Versuche mißlangen, ebenso ein zweiter in Boston selbst. Als jedoch
1803 ein Deutscher die letztere Fabrik übernahm und der Staat sich verpflich¬
tete für jede Glastafel eine bestimmte Prämie zu zahlen, machte man binnen
kurzer Zeit bedeutende Fortschritte, so daß heute noch das Glas von Boston
als das beste in Amerika angesehen wird.

Die allgemeine Verbreitung der Glasfabrikation mußte endlich auch das
Fensterglas zu Tage fördern; freilich sehr spät und dabei äußerst langsam fand
diese Neuerung Verbreitung und Anwendung. Während die Glasspiegel selbst
Segen den Ausgang des dreizehnten Jahrhunderts schon ziemlich verbreitet
waren, galten im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert Fensterscheiben noch
für sehr große Seltenheiten. Es wird von den Chronisten als besondere Merk¬
würdigkeit hervorgehoben, daß um diese Zeit zu Basel bei einigen wenigen
Häusern an die Stelle des geölten Papiers oder Horns Glas getreten war.
Das Rathhaus zu Zürich hatte noch 1402 statt der Feuster Tuchvorhänge,
und die Wohnungen der französischen Könige waren wie die Kirchen mit
Fenstern aus buntem Glase verziert. Von dem Herzog von Northumberland,
dem Reichsten in England erzählt man, daß er (selbst in der Mitte des sieb¬
enten Jahrhunderts) die Fenster seines Schlosses jedes Mal herausnehmen
und sorgfältig verpacken ließ, so oft er verreiste. Sogar gegen Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts waren nur die Hauptgemächer der königlichen Schlösser
""t Fenstern aus farblosem Glase versehen. In den Schlössern des Adels
und den Häusern der vornehmen Bürger versah Flechtwerk aus Weidenruthen
oder feiner Eichenrinde die Stelle der Fenster.

In Wien datiren die ersten Glasfenster aus dem Jahr 1458; in Ungarn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/533>, abgerufen am 22.07.2024.