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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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waren sie gegen den Ausgang dieses Jahrhunderts schon ziemlich verbreitet,
dagegen aber sonderbarerweise Trinkgläser eine große Seltenheit, die mit sehr
ansehnlichen Preisen"bezahlt wurden. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
waren papierne Fenster in Frankreich noch sehr verbreitet; sie fanden sich sogar
noch 1750 in den Palästen zu Mailand und Florenz; die nrmern Leute mußten
selbst bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Genüge sein lassen mit den
oft erwähnten Surrogaten des Glases; ja selbst heute noch finden wir diese
nicht allein überall noch hier oder dort vereinzelt in Gebrauch, sondern sogar
noch in weiten Länderstrecken. In Italien, wo einst die Glasfabrikation eine
so hohe Ausbildung besaß, in Spanien, Griechenland, Rußland u. s. w.
vertreten noch heute vielfach geöltes Papier, thierische Blase, dünne Horn¬
scheiden, Marienglas die Stelle des Glases; selbst in China, wo man doch
schon in so früher Zeit die Bereitung des Glases kannte, scheint man noch
heute das Tafelglas nicht zu kennen. Im Orient findet man nur in den
Quartieren der Franken Glasfenster und vereinzelt nur in den Palästen der
Großen. Alle übrigen Häuser haben statt der Fenster Holzgitter, die, wie in
den ältesten Zeiten, mit den anmuthigsten Mustern geschmückt sind. Im hohen
Norden bietet selbst das Eis einen Ersatz für das Glas.

Die ersten Glasfenster waren aus sehr kleinen, runden Scheiben, die in
der Mitte bedeutende Erhöhungen hatten, zusammengesetzt. Später ka¬
men sechs- und achteckige oder rautenförmige Scheiben zum Vorschein, die
durch bleierne Einfassungen zusammengehalten wurden. Im fünfzehnten
Jahrhundert treten zuerst die Glaser auf, -- Arbeiter, die sich eigends mit
dem Schneiden und Einsetzen des Glases befassen. Bei der erstern Arbeit be¬
diente man sich sehr harter Stahlstifte oder des Schmirgels oder eines glühen¬
den Eisens; erst seit dem sechzehnten Jahrhundert kamen die Diamantsplitter
in den Gebrauch.






Verantwortlicher Redacteur: 0. Moritz Busch -- Berlag.von F. L, Hervia.
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig,

waren sie gegen den Ausgang dieses Jahrhunderts schon ziemlich verbreitet,
dagegen aber sonderbarerweise Trinkgläser eine große Seltenheit, die mit sehr
ansehnlichen Preisen"bezahlt wurden. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
waren papierne Fenster in Frankreich noch sehr verbreitet; sie fanden sich sogar
noch 1750 in den Palästen zu Mailand und Florenz; die nrmern Leute mußten
selbst bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Genüge sein lassen mit den
oft erwähnten Surrogaten des Glases; ja selbst heute noch finden wir diese
nicht allein überall noch hier oder dort vereinzelt in Gebrauch, sondern sogar
noch in weiten Länderstrecken. In Italien, wo einst die Glasfabrikation eine
so hohe Ausbildung besaß, in Spanien, Griechenland, Rußland u. s. w.
vertreten noch heute vielfach geöltes Papier, thierische Blase, dünne Horn¬
scheiden, Marienglas die Stelle des Glases; selbst in China, wo man doch
schon in so früher Zeit die Bereitung des Glases kannte, scheint man noch
heute das Tafelglas nicht zu kennen. Im Orient findet man nur in den
Quartieren der Franken Glasfenster und vereinzelt nur in den Palästen der
Großen. Alle übrigen Häuser haben statt der Fenster Holzgitter, die, wie in
den ältesten Zeiten, mit den anmuthigsten Mustern geschmückt sind. Im hohen
Norden bietet selbst das Eis einen Ersatz für das Glas.

Die ersten Glasfenster waren aus sehr kleinen, runden Scheiben, die in
der Mitte bedeutende Erhöhungen hatten, zusammengesetzt. Später ka¬
men sechs- und achteckige oder rautenförmige Scheiben zum Vorschein, die
durch bleierne Einfassungen zusammengehalten wurden. Im fünfzehnten
Jahrhundert treten zuerst die Glaser auf, — Arbeiter, die sich eigends mit
dem Schneiden und Einsetzen des Glases befassen. Bei der erstern Arbeit be¬
diente man sich sehr harter Stahlstifte oder des Schmirgels oder eines glühen¬
den Eisens; erst seit dem sechzehnten Jahrhundert kamen die Diamantsplitter
in den Gebrauch.






Verantwortlicher Redacteur: 0. Moritz Busch — Berlag.von F. L, Hervia.
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/534>, abgerufen am 22.07.2024.