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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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die höchste Auszeichnung erlangte, die Bewunderung der Besucher. Sie er¬
reichten eine Höhe von hundertundfunfzig Zoll auf hundert Zoll Breite.

Ein geringeres^ Glas scheint jedoch schon früher in Frankreich gemacht
worden zu sein. Der Bericht über die französische Ausstellung von 184!"
führt eine Fabrik (zu Quiquengrogue im Departement Aisne) an, die bereits
seit 1290 bestehen soll. Sie fabricirt heute nur Bouteillen, beschäftigt aber
zweihundert Arbeiter. Im Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts übertrug
die französische Negierung dem Adel die Glassabrication als Vorrecht, d. h.
nur Adlige von Geburt dursten sich als arbeitende Künstler damit beschäf¬
tigen. Gleichzeitig waren mit diesem Privilegium noch andere bedeutende
Rechte und Vortheile verbunden, wodurch einzelne Familien bedeutende Reich¬
thümer erworben haben sollen. Einen weitem Zweck oder weitere Vortheile
scheint diese merkwürdige Maßregel indeß nicht gehabt zu haben, da unter
Ludwig dem Vierzehnten, wie wir gesehen, die Sache eine ganz andere Wen¬
dung nahm.

In England soll die erste Glasfabrik 1557 angelegt sein, und zwar in
der City von London, wo sie noch bis zu Anfange unseres Jahrhunderts be¬
stand. Es liegen aber Beweise vor, daß schon in früherer Zeit in England
Glas gemacht worden sein muß. Wahrscheinlich fertigte die Londoner Fabrik
nur ein besseres Glas an. Es ist nämlich ein Contract erhalten, den die
Gräfin Warwick 1439 mit einem Glaser, John Prudde von Westminster, schloß,
in welchem sich letzterer verpflichtet bei einem prachtvollen Grabmal sür den
Grafen kein in England fabricirtcs, sondern zur See eingeführtes Glas zu
verwenden. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wurden durch böhmische
Arbeiter in der Umgegend von Newcastle Glashütten errichtet und 1073 zog
der Herzog von Bnkingham auch Venetianer ins Land, um Spiegel zu fa-
briciren. Schon zu Anfang des achtzehnten Jahrhundert wurde das englische
Glas ein gefährlicher Concurrent gegen die Venetianer und Franzosen infolge
der wohldurchdachten und gesunderen Handelspolitik, die in England befolgt
wurde. Die englische Regierung erließ bei der Ausfuhr der Glaswaaren den
Fabrikanten nicht allein die Steuer, welche auf den Rohmaterialien lag, son¬
dern bewilligte ihnen noch eine ansehnliche baare Vergütigung, wodurch die
Fabrikanten in den Stand gesetzt wurden, aus den auswärtigen Märkten das
Glas um fünfundzwanzig und selbst fünfzig Procent billiger zu verkaufen als
die Franzosen und Venetianer. Freilich das eigene Land mußte für die Be¬
günstigung des auswärtigen Handels büßen. Die Glassnbritation sür den
inländischen Bedarf war mit nicht weniger denn vier verschiedenen Abgaben
belegt, die zusammen das Zwei- bis Dreifache des Werthes des Glases be¬
trugen. Diese übermäßige Besteuerung, so wie die Vergütigung bei der Aus¬
fuhr wurden erst neuerdings unter Rob. Peel's Ministerium ausgehoben, ^u-


die höchste Auszeichnung erlangte, die Bewunderung der Besucher. Sie er¬
reichten eine Höhe von hundertundfunfzig Zoll auf hundert Zoll Breite.

Ein geringeres^ Glas scheint jedoch schon früher in Frankreich gemacht
worden zu sein. Der Bericht über die französische Ausstellung von 184!»
führt eine Fabrik (zu Quiquengrogue im Departement Aisne) an, die bereits
seit 1290 bestehen soll. Sie fabricirt heute nur Bouteillen, beschäftigt aber
zweihundert Arbeiter. Im Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts übertrug
die französische Negierung dem Adel die Glassabrication als Vorrecht, d. h.
nur Adlige von Geburt dursten sich als arbeitende Künstler damit beschäf¬
tigen. Gleichzeitig waren mit diesem Privilegium noch andere bedeutende
Rechte und Vortheile verbunden, wodurch einzelne Familien bedeutende Reich¬
thümer erworben haben sollen. Einen weitem Zweck oder weitere Vortheile
scheint diese merkwürdige Maßregel indeß nicht gehabt zu haben, da unter
Ludwig dem Vierzehnten, wie wir gesehen, die Sache eine ganz andere Wen¬
dung nahm.

In England soll die erste Glasfabrik 1557 angelegt sein, und zwar in
der City von London, wo sie noch bis zu Anfange unseres Jahrhunderts be¬
stand. Es liegen aber Beweise vor, daß schon in früherer Zeit in England
Glas gemacht worden sein muß. Wahrscheinlich fertigte die Londoner Fabrik
nur ein besseres Glas an. Es ist nämlich ein Contract erhalten, den die
Gräfin Warwick 1439 mit einem Glaser, John Prudde von Westminster, schloß,
in welchem sich letzterer verpflichtet bei einem prachtvollen Grabmal sür den
Grafen kein in England fabricirtcs, sondern zur See eingeführtes Glas zu
verwenden. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wurden durch böhmische
Arbeiter in der Umgegend von Newcastle Glashütten errichtet und 1073 zog
der Herzog von Bnkingham auch Venetianer ins Land, um Spiegel zu fa-
briciren. Schon zu Anfang des achtzehnten Jahrhundert wurde das englische
Glas ein gefährlicher Concurrent gegen die Venetianer und Franzosen infolge
der wohldurchdachten und gesunderen Handelspolitik, die in England befolgt
wurde. Die englische Regierung erließ bei der Ausfuhr der Glaswaaren den
Fabrikanten nicht allein die Steuer, welche auf den Rohmaterialien lag, son¬
dern bewilligte ihnen noch eine ansehnliche baare Vergütigung, wodurch die
Fabrikanten in den Stand gesetzt wurden, aus den auswärtigen Märkten das
Glas um fünfundzwanzig und selbst fünfzig Procent billiger zu verkaufen als
die Franzosen und Venetianer. Freilich das eigene Land mußte für die Be¬
günstigung des auswärtigen Handels büßen. Die Glassnbritation sür den
inländischen Bedarf war mit nicht weniger denn vier verschiedenen Abgaben
belegt, die zusammen das Zwei- bis Dreifache des Werthes des Glases be¬
trugen. Diese übermäßige Besteuerung, so wie die Vergütigung bei der Aus¬
fuhr wurden erst neuerdings unter Rob. Peel's Ministerium ausgehoben, ^u-


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[0532] die höchste Auszeichnung erlangte, die Bewunderung der Besucher. Sie er¬ reichten eine Höhe von hundertundfunfzig Zoll auf hundert Zoll Breite. Ein geringeres^ Glas scheint jedoch schon früher in Frankreich gemacht worden zu sein. Der Bericht über die französische Ausstellung von 184!» führt eine Fabrik (zu Quiquengrogue im Departement Aisne) an, die bereits seit 1290 bestehen soll. Sie fabricirt heute nur Bouteillen, beschäftigt aber zweihundert Arbeiter. Im Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts übertrug die französische Negierung dem Adel die Glassabrication als Vorrecht, d. h. nur Adlige von Geburt dursten sich als arbeitende Künstler damit beschäf¬ tigen. Gleichzeitig waren mit diesem Privilegium noch andere bedeutende Rechte und Vortheile verbunden, wodurch einzelne Familien bedeutende Reich¬ thümer erworben haben sollen. Einen weitem Zweck oder weitere Vortheile scheint diese merkwürdige Maßregel indeß nicht gehabt zu haben, da unter Ludwig dem Vierzehnten, wie wir gesehen, die Sache eine ganz andere Wen¬ dung nahm. In England soll die erste Glasfabrik 1557 angelegt sein, und zwar in der City von London, wo sie noch bis zu Anfange unseres Jahrhunderts be¬ stand. Es liegen aber Beweise vor, daß schon in früherer Zeit in England Glas gemacht worden sein muß. Wahrscheinlich fertigte die Londoner Fabrik nur ein besseres Glas an. Es ist nämlich ein Contract erhalten, den die Gräfin Warwick 1439 mit einem Glaser, John Prudde von Westminster, schloß, in welchem sich letzterer verpflichtet bei einem prachtvollen Grabmal sür den Grafen kein in England fabricirtcs, sondern zur See eingeführtes Glas zu verwenden. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wurden durch böhmische Arbeiter in der Umgegend von Newcastle Glashütten errichtet und 1073 zog der Herzog von Bnkingham auch Venetianer ins Land, um Spiegel zu fa- briciren. Schon zu Anfang des achtzehnten Jahrhundert wurde das englische Glas ein gefährlicher Concurrent gegen die Venetianer und Franzosen infolge der wohldurchdachten und gesunderen Handelspolitik, die in England befolgt wurde. Die englische Regierung erließ bei der Ausfuhr der Glaswaaren den Fabrikanten nicht allein die Steuer, welche auf den Rohmaterialien lag, son¬ dern bewilligte ihnen noch eine ansehnliche baare Vergütigung, wodurch die Fabrikanten in den Stand gesetzt wurden, aus den auswärtigen Märkten das Glas um fünfundzwanzig und selbst fünfzig Procent billiger zu verkaufen als die Franzosen und Venetianer. Freilich das eigene Land mußte für die Be¬ günstigung des auswärtigen Handels büßen. Die Glassnbritation sür den inländischen Bedarf war mit nicht weniger denn vier verschiedenen Abgaben belegt, die zusammen das Zwei- bis Dreifache des Werthes des Glases be¬ trugen. Diese übermäßige Besteuerung, so wie die Vergütigung bei der Aus¬ fuhr wurden erst neuerdings unter Rob. Peel's Ministerium ausgehoben, ^u-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/532>, abgerufen am 22.07.2024.