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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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In den deutschen Klöstern soll bereits im siebenten Jahrhundert die Fa¬
brikation der bunten Perlen und Glasstückchen vielfach betrieben worden sein
und von hier soll auch der Gedanke stammen, die teppichartigen Muster der
Glasmosaik durch wirkliche bildliche Darstellungen zu ersetzen. Das gab einen
neuen Schmuck für die großen Kirchen. Die Wände, Nischen und Kuppeln
dienten zur Ausnahme von Scenen aus dem alten und neuen Testament; auf
gleiche Weise putzte man auch die Gänge in den Klöstern aus. Aber bald
sanden auch die Mächtigen der Erde Gefallen an diesen schimmernden Bild¬
werken, die ihnen ein stattlicher Schmuck sür die Paläste dünkten. Theodorich
und Karl der Große ließen Scenen aus der profanen Geschichte, zumeist ihre
eigenen Heldenthaten oder die ihrer Vorfahren, in großen Bildern aus bunt¬
farbigen Glasstücken zusammensetzen. Eine solche Arbeit ist uns auf dem
Marienburger Ordensschlosse noch erhalten, ein Marienbild, das in der Giebel¬
nische des Ordenshauses angebracht ist.

Die venetianischen Gläser erlangten ihre große Berühmtheit durch die
Feinheit des Glases und durch die Schönheit der Formen. Sie nehmen noch
heute ein großes Interesse dadurch in Anspruch, daß sie die Uebergänge der
antiken Glasmacherkunst zu der modernen bilden. Diese sämmtlichen kunst¬
vollen Arbeiten, von denen man solche, die dem Mittelalter angehören, noch
häufig in Sammlungen findet, gewähren durch ihre vollendete Technik, sowie
durch die Pracht der Farben, die Einsprengungen und Gold-Incrustationen
nicht minderes Interesse, wie die verwandten Ueberreste aus dem classischen
Alterthum. In der Musterung kommen sie allerdings nicht immer den an¬
tiken gleich, da sie nicht alle oder nicht in allen Theilen den Stempel der höchsten
Vollendung an sich tragen, aber dafür sind die Darstellungswcisen bei weitem
mannigfaltiger und der Farbenreichthum ein ungleich größerer.

Als etwas Neues treten unter den venetianischen Glaswaaren die Spiegel
auf, die hier zuerst verfertigt wurden. Allerdings ließen sich die zu damaliger
Zeit gebräuchlichen Metallspiegel, die wenigstens den Vortheil der Unzerstör-
barkeit hatten, nicht sogleich verdrängen, aber der Ausdauer und Geschicklich-
keit der Venetianer gelang es mit der Zeit doch, daß die auf der Hinterseite
mit Metall belegten Glasplatten durch ganz Europa die Oberhand erhielten.
Wenn auch Venedig seinen Ruhm nicht in seiner ganzen Ausdehnung bis
heute bewahrt hat, so gilt es doch noch immer sür einen Hauptort der Glas¬
fabrikation.

Venedig war die Lehrmeisterin für das gesammte Europa; von hier aus
verbreitete sich die Glasfabrikation weiter, zunächst nach Böhmen. Den ersten
Unterricht ertheilten venetianische Glasmacher; sie fanden sehr gelehrige Schüler,
und unterstützt von den vortrefflichsten Materialien brachten es die Böhmen
bald sehr weit in dieser Kunst. Zunächst schloß man sich hier, wie im ub-


In den deutschen Klöstern soll bereits im siebenten Jahrhundert die Fa¬
brikation der bunten Perlen und Glasstückchen vielfach betrieben worden sein
und von hier soll auch der Gedanke stammen, die teppichartigen Muster der
Glasmosaik durch wirkliche bildliche Darstellungen zu ersetzen. Das gab einen
neuen Schmuck für die großen Kirchen. Die Wände, Nischen und Kuppeln
dienten zur Ausnahme von Scenen aus dem alten und neuen Testament; auf
gleiche Weise putzte man auch die Gänge in den Klöstern aus. Aber bald
sanden auch die Mächtigen der Erde Gefallen an diesen schimmernden Bild¬
werken, die ihnen ein stattlicher Schmuck sür die Paläste dünkten. Theodorich
und Karl der Große ließen Scenen aus der profanen Geschichte, zumeist ihre
eigenen Heldenthaten oder die ihrer Vorfahren, in großen Bildern aus bunt¬
farbigen Glasstücken zusammensetzen. Eine solche Arbeit ist uns auf dem
Marienburger Ordensschlosse noch erhalten, ein Marienbild, das in der Giebel¬
nische des Ordenshauses angebracht ist.

Die venetianischen Gläser erlangten ihre große Berühmtheit durch die
Feinheit des Glases und durch die Schönheit der Formen. Sie nehmen noch
heute ein großes Interesse dadurch in Anspruch, daß sie die Uebergänge der
antiken Glasmacherkunst zu der modernen bilden. Diese sämmtlichen kunst¬
vollen Arbeiten, von denen man solche, die dem Mittelalter angehören, noch
häufig in Sammlungen findet, gewähren durch ihre vollendete Technik, sowie
durch die Pracht der Farben, die Einsprengungen und Gold-Incrustationen
nicht minderes Interesse, wie die verwandten Ueberreste aus dem classischen
Alterthum. In der Musterung kommen sie allerdings nicht immer den an¬
tiken gleich, da sie nicht alle oder nicht in allen Theilen den Stempel der höchsten
Vollendung an sich tragen, aber dafür sind die Darstellungswcisen bei weitem
mannigfaltiger und der Farbenreichthum ein ungleich größerer.

Als etwas Neues treten unter den venetianischen Glaswaaren die Spiegel
auf, die hier zuerst verfertigt wurden. Allerdings ließen sich die zu damaliger
Zeit gebräuchlichen Metallspiegel, die wenigstens den Vortheil der Unzerstör-
barkeit hatten, nicht sogleich verdrängen, aber der Ausdauer und Geschicklich-
keit der Venetianer gelang es mit der Zeit doch, daß die auf der Hinterseite
mit Metall belegten Glasplatten durch ganz Europa die Oberhand erhielten.
Wenn auch Venedig seinen Ruhm nicht in seiner ganzen Ausdehnung bis
heute bewahrt hat, so gilt es doch noch immer sür einen Hauptort der Glas¬
fabrikation.

Venedig war die Lehrmeisterin für das gesammte Europa; von hier aus
verbreitete sich die Glasfabrikation weiter, zunächst nach Böhmen. Den ersten
Unterricht ertheilten venetianische Glasmacher; sie fanden sehr gelehrige Schüler,
und unterstützt von den vortrefflichsten Materialien brachten es die Böhmen
bald sehr weit in dieser Kunst. Zunächst schloß man sich hier, wie im ub-


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[0530] In den deutschen Klöstern soll bereits im siebenten Jahrhundert die Fa¬ brikation der bunten Perlen und Glasstückchen vielfach betrieben worden sein und von hier soll auch der Gedanke stammen, die teppichartigen Muster der Glasmosaik durch wirkliche bildliche Darstellungen zu ersetzen. Das gab einen neuen Schmuck für die großen Kirchen. Die Wände, Nischen und Kuppeln dienten zur Ausnahme von Scenen aus dem alten und neuen Testament; auf gleiche Weise putzte man auch die Gänge in den Klöstern aus. Aber bald sanden auch die Mächtigen der Erde Gefallen an diesen schimmernden Bild¬ werken, die ihnen ein stattlicher Schmuck sür die Paläste dünkten. Theodorich und Karl der Große ließen Scenen aus der profanen Geschichte, zumeist ihre eigenen Heldenthaten oder die ihrer Vorfahren, in großen Bildern aus bunt¬ farbigen Glasstücken zusammensetzen. Eine solche Arbeit ist uns auf dem Marienburger Ordensschlosse noch erhalten, ein Marienbild, das in der Giebel¬ nische des Ordenshauses angebracht ist. Die venetianischen Gläser erlangten ihre große Berühmtheit durch die Feinheit des Glases und durch die Schönheit der Formen. Sie nehmen noch heute ein großes Interesse dadurch in Anspruch, daß sie die Uebergänge der antiken Glasmacherkunst zu der modernen bilden. Diese sämmtlichen kunst¬ vollen Arbeiten, von denen man solche, die dem Mittelalter angehören, noch häufig in Sammlungen findet, gewähren durch ihre vollendete Technik, sowie durch die Pracht der Farben, die Einsprengungen und Gold-Incrustationen nicht minderes Interesse, wie die verwandten Ueberreste aus dem classischen Alterthum. In der Musterung kommen sie allerdings nicht immer den an¬ tiken gleich, da sie nicht alle oder nicht in allen Theilen den Stempel der höchsten Vollendung an sich tragen, aber dafür sind die Darstellungswcisen bei weitem mannigfaltiger und der Farbenreichthum ein ungleich größerer. Als etwas Neues treten unter den venetianischen Glaswaaren die Spiegel auf, die hier zuerst verfertigt wurden. Allerdings ließen sich die zu damaliger Zeit gebräuchlichen Metallspiegel, die wenigstens den Vortheil der Unzerstör- barkeit hatten, nicht sogleich verdrängen, aber der Ausdauer und Geschicklich- keit der Venetianer gelang es mit der Zeit doch, daß die auf der Hinterseite mit Metall belegten Glasplatten durch ganz Europa die Oberhand erhielten. Wenn auch Venedig seinen Ruhm nicht in seiner ganzen Ausdehnung bis heute bewahrt hat, so gilt es doch noch immer sür einen Hauptort der Glas¬ fabrikation. Venedig war die Lehrmeisterin für das gesammte Europa; von hier aus verbreitete sich die Glasfabrikation weiter, zunächst nach Böhmen. Den ersten Unterricht ertheilten venetianische Glasmacher; sie fanden sehr gelehrige Schüler, und unterstützt von den vortrefflichsten Materialien brachten es die Böhmen bald sehr weit in dieser Kunst. Zunächst schloß man sich hier, wie im ub-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/530>, abgerufen am 28.12.2024.