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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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zwar auf italischen Baden, aber in einer ganz anderen Art, da die Bedürf¬
nisse der Zeit ja auch andere waren.

Indessen veranlaßte das Christenthum schon frühzeitig eine neue Ver¬
wendung des Glases. Um die Frommen bei der Verrichtung ihrer Andacht
ganz von dem sündigen Treiben der Welt fern zu halten, verschloß man die
kleinen Oeffnungen, die in den Kirchen die Stelle der Fenster vertraten durch
bunte Vorhänge. Von wirtlichen Fenstern konnte zu jener Zeit wegen des
enormen Preises des Glases keine Rede sein. Ueberhaupt waren solche bei
dem milden Klima jener Gegenden, in denen die Wiege der Menschheit ge¬
standen hat, auch weniger Bedürfniß, und wo man ein solches fühlte, da ver¬
schloß man die Oeffnungen durch Läden. Damit behalf man sich auch lange
Zeit'in den Kirchen. Noch bis tief in das jetzige Jahrhundert hinein konnte
man in der Kirche zu Torcello diese ersten Stellvertreter der heutigen Fenster
sehen. Es waren Marmorblöcke, die an starken eisernen Angeln hingen, und
damit wurden die Oeffnungen verschlossen, wenn man des Lichtes grade nicht
bedürfte. Im dritten Jahrhundert endlich schmückte man die großen Kirchen
mit Fenstern, aber nicht von farblosem, sondern von buntem Glase. Man
kittete allerlei buntfarbige Glassiückc. wie Johannes Philippinus berichtet,
mittelst Gips zu einer Tafel zusammen und verschloß mit dieser die Oeffnun-
gen. welche die Fenster vorstellten. Die Sophienkirche zu Byzanz. der
Dom zu Rom, Ravenna waren die ersten, welche man auf diese Art mit Fen¬
stern versah. Im sechsten Jahrhundert schmückte auch der Frankenkönig Chil-
debert im eigenen Lande eine Kirche mit bunten Fenstern. Bischof Wilfred
der Jüngere holte 670 für die Peterskirche in York dergleichen Fenster aus
Frankreich; dies sind die ersten, die man in England sah. Doch schon wenige
Jahre darauf zog der Abt Benedict Männer in das Land, die in der Anferti¬
gung und Zusammenfügung der bunten Glasstückc geschickt waren, um das
Kloster und die Kirche zu Wearmouth mit einem solchen Schmuck zu versehen.
Der Lateran wurde erst um das Jahr 800 durch Papst Leo den Dritten mit
bunten Glasfenstern versehen.

Und wiederum blieben die bunten Glasfenster. die einzigen, welche exi-
stirten. durch Jahrhunderte hindurch ausschließliches Vorrecht der Kloster und
Kirchen. Wer sich sonst im Innern seiner Wohnung gegen die Einflüsse der
Witterung schützen wollte, der mußte die kleinen Oeffnungen mit anderen,
wenn auch nicht'durchsichtigen, so doch durchscheinenden Substanzen verschließen,
um nicht ganz des Lichtes zu entbehren. Hierzu brauchte man in dem ersten
Jahrhundert nach Chr. Geb. in Italien das Marienglas, das vorzugsweise
von der Insel Cypern bezogen wurde. Im zweiten Jahrhundert kam dünnes
Horn in den Gebrauch und später dünngeschabtcs Leder. Pergament oder ge¬
öltes Papier.


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zwar auf italischen Baden, aber in einer ganz anderen Art, da die Bedürf¬
nisse der Zeit ja auch andere waren.

Indessen veranlaßte das Christenthum schon frühzeitig eine neue Ver¬
wendung des Glases. Um die Frommen bei der Verrichtung ihrer Andacht
ganz von dem sündigen Treiben der Welt fern zu halten, verschloß man die
kleinen Oeffnungen, die in den Kirchen die Stelle der Fenster vertraten durch
bunte Vorhänge. Von wirtlichen Fenstern konnte zu jener Zeit wegen des
enormen Preises des Glases keine Rede sein. Ueberhaupt waren solche bei
dem milden Klima jener Gegenden, in denen die Wiege der Menschheit ge¬
standen hat, auch weniger Bedürfniß, und wo man ein solches fühlte, da ver¬
schloß man die Oeffnungen durch Läden. Damit behalf man sich auch lange
Zeit'in den Kirchen. Noch bis tief in das jetzige Jahrhundert hinein konnte
man in der Kirche zu Torcello diese ersten Stellvertreter der heutigen Fenster
sehen. Es waren Marmorblöcke, die an starken eisernen Angeln hingen, und
damit wurden die Oeffnungen verschlossen, wenn man des Lichtes grade nicht
bedürfte. Im dritten Jahrhundert endlich schmückte man die großen Kirchen
mit Fenstern, aber nicht von farblosem, sondern von buntem Glase. Man
kittete allerlei buntfarbige Glassiückc. wie Johannes Philippinus berichtet,
mittelst Gips zu einer Tafel zusammen und verschloß mit dieser die Oeffnun-
gen. welche die Fenster vorstellten. Die Sophienkirche zu Byzanz. der
Dom zu Rom, Ravenna waren die ersten, welche man auf diese Art mit Fen¬
stern versah. Im sechsten Jahrhundert schmückte auch der Frankenkönig Chil-
debert im eigenen Lande eine Kirche mit bunten Fenstern. Bischof Wilfred
der Jüngere holte 670 für die Peterskirche in York dergleichen Fenster aus
Frankreich; dies sind die ersten, die man in England sah. Doch schon wenige
Jahre darauf zog der Abt Benedict Männer in das Land, die in der Anferti¬
gung und Zusammenfügung der bunten Glasstückc geschickt waren, um das
Kloster und die Kirche zu Wearmouth mit einem solchen Schmuck zu versehen.
Der Lateran wurde erst um das Jahr 800 durch Papst Leo den Dritten mit
bunten Glasfenstern versehen.

Und wiederum blieben die bunten Glasfenster. die einzigen, welche exi-
stirten. durch Jahrhunderte hindurch ausschließliches Vorrecht der Kloster und
Kirchen. Wer sich sonst im Innern seiner Wohnung gegen die Einflüsse der
Witterung schützen wollte, der mußte die kleinen Oeffnungen mit anderen,
wenn auch nicht'durchsichtigen, so doch durchscheinenden Substanzen verschließen,
um nicht ganz des Lichtes zu entbehren. Hierzu brauchte man in dem ersten
Jahrhundert nach Chr. Geb. in Italien das Marienglas, das vorzugsweise
von der Insel Cypern bezogen wurde. Im zweiten Jahrhundert kam dünnes
Horn in den Gebrauch und später dünngeschabtcs Leder. Pergament oder ge¬
öltes Papier.


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[0529] zwar auf italischen Baden, aber in einer ganz anderen Art, da die Bedürf¬ nisse der Zeit ja auch andere waren. Indessen veranlaßte das Christenthum schon frühzeitig eine neue Ver¬ wendung des Glases. Um die Frommen bei der Verrichtung ihrer Andacht ganz von dem sündigen Treiben der Welt fern zu halten, verschloß man die kleinen Oeffnungen, die in den Kirchen die Stelle der Fenster vertraten durch bunte Vorhänge. Von wirtlichen Fenstern konnte zu jener Zeit wegen des enormen Preises des Glases keine Rede sein. Ueberhaupt waren solche bei dem milden Klima jener Gegenden, in denen die Wiege der Menschheit ge¬ standen hat, auch weniger Bedürfniß, und wo man ein solches fühlte, da ver¬ schloß man die Oeffnungen durch Läden. Damit behalf man sich auch lange Zeit'in den Kirchen. Noch bis tief in das jetzige Jahrhundert hinein konnte man in der Kirche zu Torcello diese ersten Stellvertreter der heutigen Fenster sehen. Es waren Marmorblöcke, die an starken eisernen Angeln hingen, und damit wurden die Oeffnungen verschlossen, wenn man des Lichtes grade nicht bedürfte. Im dritten Jahrhundert endlich schmückte man die großen Kirchen mit Fenstern, aber nicht von farblosem, sondern von buntem Glase. Man kittete allerlei buntfarbige Glassiückc. wie Johannes Philippinus berichtet, mittelst Gips zu einer Tafel zusammen und verschloß mit dieser die Oeffnun- gen. welche die Fenster vorstellten. Die Sophienkirche zu Byzanz. der Dom zu Rom, Ravenna waren die ersten, welche man auf diese Art mit Fen¬ stern versah. Im sechsten Jahrhundert schmückte auch der Frankenkönig Chil- debert im eigenen Lande eine Kirche mit bunten Fenstern. Bischof Wilfred der Jüngere holte 670 für die Peterskirche in York dergleichen Fenster aus Frankreich; dies sind die ersten, die man in England sah. Doch schon wenige Jahre darauf zog der Abt Benedict Männer in das Land, die in der Anferti¬ gung und Zusammenfügung der bunten Glasstückc geschickt waren, um das Kloster und die Kirche zu Wearmouth mit einem solchen Schmuck zu versehen. Der Lateran wurde erst um das Jahr 800 durch Papst Leo den Dritten mit bunten Glasfenstern versehen. Und wiederum blieben die bunten Glasfenster. die einzigen, welche exi- stirten. durch Jahrhunderte hindurch ausschließliches Vorrecht der Kloster und Kirchen. Wer sich sonst im Innern seiner Wohnung gegen die Einflüsse der Witterung schützen wollte, der mußte die kleinen Oeffnungen mit anderen, wenn auch nicht'durchsichtigen, so doch durchscheinenden Substanzen verschließen, um nicht ganz des Lichtes zu entbehren. Hierzu brauchte man in dem ersten Jahrhundert nach Chr. Geb. in Italien das Marienglas, das vorzugsweise von der Insel Cypern bezogen wurde. Im zweiten Jahrhundert kam dünnes Horn in den Gebrauch und später dünngeschabtcs Leder. Pergament oder ge¬ öltes Papier. 65*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/529>, abgerufen am 22.07.2024.