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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Für ein Trinkglas, das noch nicht ein halbes Quart faßte, wurden bis über
45,000 Thaler bezahlt, und Nero taufte sogar einen Pocal für den enormen
Preis von 300 Talenten oder 192,000 Thalern, wahrend er für zwei kleine
Trinkgefäße von Glas nur 315 Thaler bezahlte. Diese Thatsache veranlaßte
Plinius zu der Frage: wie ein Vater des Vaterlandes es über sich gewinnen
könne, aus einem so theuern Gefäß zu trinken.

Ueber die Masse, aus der diese kostbaren Gefäße angefertigt, ist vielfach
gestritten. Einige Alterthumsforscher, denen aber sehr häufig die naturwissen¬
schaftlichen und technischen Kenntnisse abgehen, stimmen für Harz, andere für
edle Gesteine, wie Jaspis, Onyx, Obsidian; noch andere lassen sie aus den
Schalen einer Muschel bereiten und wiederum andere halten die Masse für
chinesisches Porzellan. Nach diesen sollen die Parther, von denen die Römer
die vasa, wurrlrlua, einhandelten, aus dem rothen Meere, über das der Han¬
delszug von Indien und China her seinen Weg nahiy, Seerüuberei getrieben
haben und dadurch in den Besitz der kostbaren Gefäße gelangt sein. In neue¬
rer Zeit hat man die Ansicht aufgestellt, daß diese Kostbarkeiten aus einem
opaken Glase angefertigt worden seien. Unter den verschiedenen Gründen,
die man zur Unterstützung anführt, findet sich auch der, daß Plinius selbst
von einem vitrum murrliinum spricht. Damit wird aber wenig bewiesen;
denn noch heute redet man von einem Rubin- und einem Krystallglase, wäh¬
rend doch weder der Rubin noch der Bergkrystall wirklich Glas ist. Zudem
führt ja Plinius ausdrücklich an, daß die Masse, aus der man die kostbaren
Gefäße bereite, aus der Erde ausgegraben werde und zwar an verschiedenen
Orten im Orient. Demnach muß man auf ein Mineral schließen. Die wei¬
teren Beschreibungen dieser Gesüße führen auf den Flußspat!), der noch heute
zu demselben Zweck verarbeitet wird. Bei der großen Geschicklichkeit, die dem
Alterthum in der Nachahmung der edlen Gesteine eigen war, ist es sehr wahr¬
scheinlich, daß man auch die vasa. mur-Miig. künstlich durch eine Glasmasse
nachzuahmen suchte und sicher forderten die enormen Preise, die für diese Ge-
räthe bezahlt wurden, dazu auf.

Durch die Römer wurden die Gallier und Germanen mit dem Glase be¬
kannt. Wie noch heute bei den uncivilistrten Völkern, hielten auch sie den
bunten Tand der Perlen und sonstigen Glasgeräthe für kostbare Güter. Zu
Plinius Zeiten sollen sogar in Gallien und Spanien Glasfabriken errichtet
worden sein. Der allgemeine Verfall der Cultur, der in den ersten Jahr¬
hunderten der christlichen Zeitrechnung hereinbrach, ließ natürlich die Glasfa-
brikation nicht unberührt. Von Jahrhundert zu Jahrhundert sank sie immer
tiefer herab; die Kunstfertigkeit wurde immer geringfügiger und erst gegen Ende
des 13. Jahrhundert blühte die Glasmacherei von Neuem wieder auf, und
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Für ein Trinkglas, das noch nicht ein halbes Quart faßte, wurden bis über
45,000 Thaler bezahlt, und Nero taufte sogar einen Pocal für den enormen
Preis von 300 Talenten oder 192,000 Thalern, wahrend er für zwei kleine
Trinkgefäße von Glas nur 315 Thaler bezahlte. Diese Thatsache veranlaßte
Plinius zu der Frage: wie ein Vater des Vaterlandes es über sich gewinnen
könne, aus einem so theuern Gefäß zu trinken.

Ueber die Masse, aus der diese kostbaren Gefäße angefertigt, ist vielfach
gestritten. Einige Alterthumsforscher, denen aber sehr häufig die naturwissen¬
schaftlichen und technischen Kenntnisse abgehen, stimmen für Harz, andere für
edle Gesteine, wie Jaspis, Onyx, Obsidian; noch andere lassen sie aus den
Schalen einer Muschel bereiten und wiederum andere halten die Masse für
chinesisches Porzellan. Nach diesen sollen die Parther, von denen die Römer
die vasa, wurrlrlua, einhandelten, aus dem rothen Meere, über das der Han¬
delszug von Indien und China her seinen Weg nahiy, Seerüuberei getrieben
haben und dadurch in den Besitz der kostbaren Gefäße gelangt sein. In neue¬
rer Zeit hat man die Ansicht aufgestellt, daß diese Kostbarkeiten aus einem
opaken Glase angefertigt worden seien. Unter den verschiedenen Gründen,
die man zur Unterstützung anführt, findet sich auch der, daß Plinius selbst
von einem vitrum murrliinum spricht. Damit wird aber wenig bewiesen;
denn noch heute redet man von einem Rubin- und einem Krystallglase, wäh¬
rend doch weder der Rubin noch der Bergkrystall wirklich Glas ist. Zudem
führt ja Plinius ausdrücklich an, daß die Masse, aus der man die kostbaren
Gefäße bereite, aus der Erde ausgegraben werde und zwar an verschiedenen
Orten im Orient. Demnach muß man auf ein Mineral schließen. Die wei¬
teren Beschreibungen dieser Gesüße führen auf den Flußspat!), der noch heute
zu demselben Zweck verarbeitet wird. Bei der großen Geschicklichkeit, die dem
Alterthum in der Nachahmung der edlen Gesteine eigen war, ist es sehr wahr¬
scheinlich, daß man auch die vasa. mur-Miig. künstlich durch eine Glasmasse
nachzuahmen suchte und sicher forderten die enormen Preise, die für diese Ge-
räthe bezahlt wurden, dazu auf.

Durch die Römer wurden die Gallier und Germanen mit dem Glase be¬
kannt. Wie noch heute bei den uncivilistrten Völkern, hielten auch sie den
bunten Tand der Perlen und sonstigen Glasgeräthe für kostbare Güter. Zu
Plinius Zeiten sollen sogar in Gallien und Spanien Glasfabriken errichtet
worden sein. Der allgemeine Verfall der Cultur, der in den ersten Jahr¬
hunderten der christlichen Zeitrechnung hereinbrach, ließ natürlich die Glasfa-
brikation nicht unberührt. Von Jahrhundert zu Jahrhundert sank sie immer
tiefer herab; die Kunstfertigkeit wurde immer geringfügiger und erst gegen Ende
des 13. Jahrhundert blühte die Glasmacherei von Neuem wieder auf, und
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/528>, abgerufen am 22.07.2024.