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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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die Ueberreste dieser Kunst für wirkliche Edelsteine und Marmor gehalten und
erst ganz neuerdings hat man ihre wahre Natur erkannt. Alle Versuche der
Nachbildung unsrerseits sind ohne Erfolg geblieben und selbst das scheinbar
Unbedeutendste erregt noch heute die Bewunderung der Fachgenossen.

Plinius berichtet, daß unter der Regierung des Tiberius ein Glas er¬
funden sein soll, das ebenso dehnbar und biegsam gewesen sei, als Silber
und Gold, und sich daher hämmern und schneiden ließ. Ein Architekt näm¬
lich soll nach Vollendung eines prachtvollen Baues zwar von dem genannten
Kaiser reichlich belohnt, aber gleichzeitig in die Verbannung geschickt worden
sein. Um wieder die kaiserliche Gunst zu erlangen, soll er sich haben angelegen
sein lassen, eine außerordentliche Erfindung zu machen. Auf diese Weise ge¬
langte er zu dem merkwürdigen Glase. Mit einem sehr schönen Becher machte
er sich auf den Weg nach Rom und überreichte sein Geschenk dem Kaiser, der
schon das Machwerk an sich bewunderte. Aber noch höher stieg sein Erstau¬
nen, als der Architekt den Becher mit aller Gewalt zur Erde warf, ohne daß
derselbe in Stücken ging. Und als nun gar der Künstler einen kleinen Ham¬
mer hervorzog und dem verbogenen Becher durch wiederholte Schläge die frü¬
here Form wiedergab, da bemächtigte sich aller Anwesenden die größte Ver¬
wunderung. Tiberius fragte: ob diese Kunst schon Mehrer bekannt sei, und
als der Künstler mit Nein antwortete, daließ ihm der Kaiser sofort den Kopf
abhauen und die Werkstatt bis auf den Grund zerstören, damit nicht, wie
Tiberius befürchtete, Gold, Silber oder die Metalle überhaupt ihren Werth
ganz verlieren möchten.

Später haben sich Kunkel und zur Zeit des Cardinal Richelieu auch ein
Franzose eifrig, aber vergeblich mit der Aufsindung dieses Geheimnisses be¬
schäftigt. Aber trotzdem dürfen wir diese Erzählung des Plinius, die sich auch
Noch bei andern römischen Schriftstellern findet, nicht ganz in das Reich der
Fabel verweisen. An ein hämmerbares Glas ist allerdings nicht zu denken,
aber wohl an eine Verwechselung mit einer andern Substanz, die eine mehr
oder weniger entfernte Ähnlichkeit mit dem Glase besitzt. Eine solche ist
i- B. das geschmolzene Chlorsilber; dasselbe ist sast durchsichtig und dabei auch
wehr oder weniger plastisch.

Dagegen ist eine andere Nachricht des Plinius, daß nämlich das Glas
bei den Alten gedrechselt worden sei, mit Unrecht bezweifelt worden. Es sind
uns Stücke genug erhalten, an denen sich die Drcchslerarbeiten sehr deutlich
erkennen lassen.

Im höchsten Ansehen standen im Alterthum die sogenannten vaga mur-
rkwg,, die erst gegen das Ende der Republik nach Rom kamen und hier mit
den ansehnlichsten Preisen bezahlt wurden. Zum ersten Mal sah man sie hier
beim Triumphzug des Pompejus nach Beendigung des Pontischen Krieges.


Grenzboten III. 18S9. 65

die Ueberreste dieser Kunst für wirkliche Edelsteine und Marmor gehalten und
erst ganz neuerdings hat man ihre wahre Natur erkannt. Alle Versuche der
Nachbildung unsrerseits sind ohne Erfolg geblieben und selbst das scheinbar
Unbedeutendste erregt noch heute die Bewunderung der Fachgenossen.

Plinius berichtet, daß unter der Regierung des Tiberius ein Glas er¬
funden sein soll, das ebenso dehnbar und biegsam gewesen sei, als Silber
und Gold, und sich daher hämmern und schneiden ließ. Ein Architekt näm¬
lich soll nach Vollendung eines prachtvollen Baues zwar von dem genannten
Kaiser reichlich belohnt, aber gleichzeitig in die Verbannung geschickt worden
sein. Um wieder die kaiserliche Gunst zu erlangen, soll er sich haben angelegen
sein lassen, eine außerordentliche Erfindung zu machen. Auf diese Weise ge¬
langte er zu dem merkwürdigen Glase. Mit einem sehr schönen Becher machte
er sich auf den Weg nach Rom und überreichte sein Geschenk dem Kaiser, der
schon das Machwerk an sich bewunderte. Aber noch höher stieg sein Erstau¬
nen, als der Architekt den Becher mit aller Gewalt zur Erde warf, ohne daß
derselbe in Stücken ging. Und als nun gar der Künstler einen kleinen Ham¬
mer hervorzog und dem verbogenen Becher durch wiederholte Schläge die frü¬
here Form wiedergab, da bemächtigte sich aller Anwesenden die größte Ver¬
wunderung. Tiberius fragte: ob diese Kunst schon Mehrer bekannt sei, und
als der Künstler mit Nein antwortete, daließ ihm der Kaiser sofort den Kopf
abhauen und die Werkstatt bis auf den Grund zerstören, damit nicht, wie
Tiberius befürchtete, Gold, Silber oder die Metalle überhaupt ihren Werth
ganz verlieren möchten.

Später haben sich Kunkel und zur Zeit des Cardinal Richelieu auch ein
Franzose eifrig, aber vergeblich mit der Aufsindung dieses Geheimnisses be¬
schäftigt. Aber trotzdem dürfen wir diese Erzählung des Plinius, die sich auch
Noch bei andern römischen Schriftstellern findet, nicht ganz in das Reich der
Fabel verweisen. An ein hämmerbares Glas ist allerdings nicht zu denken,
aber wohl an eine Verwechselung mit einer andern Substanz, die eine mehr
oder weniger entfernte Ähnlichkeit mit dem Glase besitzt. Eine solche ist
i- B. das geschmolzene Chlorsilber; dasselbe ist sast durchsichtig und dabei auch
wehr oder weniger plastisch.

Dagegen ist eine andere Nachricht des Plinius, daß nämlich das Glas
bei den Alten gedrechselt worden sei, mit Unrecht bezweifelt worden. Es sind
uns Stücke genug erhalten, an denen sich die Drcchslerarbeiten sehr deutlich
erkennen lassen.

Im höchsten Ansehen standen im Alterthum die sogenannten vaga mur-
rkwg,, die erst gegen das Ende der Republik nach Rom kamen und hier mit
den ansehnlichsten Preisen bezahlt wurden. Zum ersten Mal sah man sie hier
beim Triumphzug des Pompejus nach Beendigung des Pontischen Krieges.


Grenzboten III. 18S9. 65
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[0527] die Ueberreste dieser Kunst für wirkliche Edelsteine und Marmor gehalten und erst ganz neuerdings hat man ihre wahre Natur erkannt. Alle Versuche der Nachbildung unsrerseits sind ohne Erfolg geblieben und selbst das scheinbar Unbedeutendste erregt noch heute die Bewunderung der Fachgenossen. Plinius berichtet, daß unter der Regierung des Tiberius ein Glas er¬ funden sein soll, das ebenso dehnbar und biegsam gewesen sei, als Silber und Gold, und sich daher hämmern und schneiden ließ. Ein Architekt näm¬ lich soll nach Vollendung eines prachtvollen Baues zwar von dem genannten Kaiser reichlich belohnt, aber gleichzeitig in die Verbannung geschickt worden sein. Um wieder die kaiserliche Gunst zu erlangen, soll er sich haben angelegen sein lassen, eine außerordentliche Erfindung zu machen. Auf diese Weise ge¬ langte er zu dem merkwürdigen Glase. Mit einem sehr schönen Becher machte er sich auf den Weg nach Rom und überreichte sein Geschenk dem Kaiser, der schon das Machwerk an sich bewunderte. Aber noch höher stieg sein Erstau¬ nen, als der Architekt den Becher mit aller Gewalt zur Erde warf, ohne daß derselbe in Stücken ging. Und als nun gar der Künstler einen kleinen Ham¬ mer hervorzog und dem verbogenen Becher durch wiederholte Schläge die frü¬ here Form wiedergab, da bemächtigte sich aller Anwesenden die größte Ver¬ wunderung. Tiberius fragte: ob diese Kunst schon Mehrer bekannt sei, und als der Künstler mit Nein antwortete, daließ ihm der Kaiser sofort den Kopf abhauen und die Werkstatt bis auf den Grund zerstören, damit nicht, wie Tiberius befürchtete, Gold, Silber oder die Metalle überhaupt ihren Werth ganz verlieren möchten. Später haben sich Kunkel und zur Zeit des Cardinal Richelieu auch ein Franzose eifrig, aber vergeblich mit der Aufsindung dieses Geheimnisses be¬ schäftigt. Aber trotzdem dürfen wir diese Erzählung des Plinius, die sich auch Noch bei andern römischen Schriftstellern findet, nicht ganz in das Reich der Fabel verweisen. An ein hämmerbares Glas ist allerdings nicht zu denken, aber wohl an eine Verwechselung mit einer andern Substanz, die eine mehr oder weniger entfernte Ähnlichkeit mit dem Glase besitzt. Eine solche ist i- B. das geschmolzene Chlorsilber; dasselbe ist sast durchsichtig und dabei auch wehr oder weniger plastisch. Dagegen ist eine andere Nachricht des Plinius, daß nämlich das Glas bei den Alten gedrechselt worden sei, mit Unrecht bezweifelt worden. Es sind uns Stücke genug erhalten, an denen sich die Drcchslerarbeiten sehr deutlich erkennen lassen. Im höchsten Ansehen standen im Alterthum die sogenannten vaga mur- rkwg,, die erst gegen das Ende der Republik nach Rom kamen und hier mit den ansehnlichsten Preisen bezahlt wurden. Zum ersten Mal sah man sie hier beim Triumphzug des Pompejus nach Beendigung des Pontischen Krieges. Grenzboten III. 18S9. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/527>, abgerufen am 22.07.2024.