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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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das Glas sei ihm, als zu alltäglich, zuwider gewesen, weshalb er nur aus
goldnen Gefäßen habe trinken wollen.

Plinius hat uns die Beschreibung einer Glasfabrik hinterlassen. Eine
solche bestand aus mehren nebeneinander liegenden Oefen, die Ähnlichkeit
mit denen hatten, in welchen das Kupfer geschmolzen wurde. Zuerst schmolz
man in einem derselben zermahlencn Sand, der von der Mündung des Vul-
turnus herstammte, mit drei Theilen Nitrum (Pottasche oder Soda), dem
man Eisenoxyd und Muschelschalen hinzugefügt hatte, zusammen. Nach dem
Erkalten brachte man diese Masse in einen zweiten Ofen und hier erst erzielte
man ein durchsichtiges Glas, das theils durch Aufblasen oder durch Drehen
und Ciseliren wie die Metalle geformt wurde.

Die sämmtlichen Leistungen des Alterthums in diesem Industriezweige
können wir ebenso noch heute vollständig überschauen. Der bekannte orien¬
talische Tourist Freiherr H. v. Minutoli hat es sich während des größten
Theiles seines Lebens angelegen sein lassen, die bis auf uns gekommenen
Ueberreste der antiken Glasfabrikation zu sammeln. Seine Reisen im Orient
und im südlichen Europa haben ihm hinreichend Gelegenheit gegeben, eine
Sammlung von antiken Gläsern zu Stande zu bringen, die an Vollständigkeit
wol kaum von einer andern übertroffen werden dürfte. Da gibt es Glas¬
schlacken -- durchsichtige und opake --, Lagen, und überfangene Gläser, Nach¬
ahmungen von kostbaren Steinen, Murrhin und Millefiorcn, bandartig
zusammengefügte Gläser, Glasschmuck, Korallen und Halsbänder, Kugeln, grie¬
chische, ägyptische, etrurische und römische Gefäße und Gefäßtheile, Gemmen,
Cameen und Ningsteine und Glasmosaiken in großer Zahl, zusammen in
620 Nummern.

Die einfachen Glasschlacken und Flüsse gewähren insofern ein großes
Interesse, als sie auf die Anfänge dieser Kunst zurückweisen und auf die Dar¬
stellungsweise hinführen. Ein Theil gibt Aufschlüsse über die zur Färbung
benutzten Metalloxyde, ein andrer über die hohe Vollendung der Nachahmung
edler Gesteine und des Bernsteins. Zu dieser Nachahmung trieb der ungeheure
Luxus, der in dem allgewaltigen Rom herrschte. Die Marmor- und Edelstein¬
gruben ,in fast allen bekannten Welttheilen waren dem Luxus, den die Römer
in Bauten und andern Kunstwerken, in Geräthen und Schmuck mit der Aus¬
breitung ihrer Herrschaft immer mehr entwickelten, tribntär, aber die Ausbeute
reichte nicht aus oder die natürlichen Producte behagten dem Schönheitssinn
nicht mehr. Man verlangte nach noch schönerem und das mußte die Kunst
der Meuschen liefern. So entstanden jene Nachahmungen, mit denen det
Römer ihre Bauten und Werke der Künste und Gewerbe ausschmückten, und
welche mit Recht, wie fast alle Schriftsteller jener Zeit übereinstimmend be¬
kunden, die Bewunderung der Zeitgenossen auf sich zogen. Lange hat man


das Glas sei ihm, als zu alltäglich, zuwider gewesen, weshalb er nur aus
goldnen Gefäßen habe trinken wollen.

Plinius hat uns die Beschreibung einer Glasfabrik hinterlassen. Eine
solche bestand aus mehren nebeneinander liegenden Oefen, die Ähnlichkeit
mit denen hatten, in welchen das Kupfer geschmolzen wurde. Zuerst schmolz
man in einem derselben zermahlencn Sand, der von der Mündung des Vul-
turnus herstammte, mit drei Theilen Nitrum (Pottasche oder Soda), dem
man Eisenoxyd und Muschelschalen hinzugefügt hatte, zusammen. Nach dem
Erkalten brachte man diese Masse in einen zweiten Ofen und hier erst erzielte
man ein durchsichtiges Glas, das theils durch Aufblasen oder durch Drehen
und Ciseliren wie die Metalle geformt wurde.

Die sämmtlichen Leistungen des Alterthums in diesem Industriezweige
können wir ebenso noch heute vollständig überschauen. Der bekannte orien¬
talische Tourist Freiherr H. v. Minutoli hat es sich während des größten
Theiles seines Lebens angelegen sein lassen, die bis auf uns gekommenen
Ueberreste der antiken Glasfabrikation zu sammeln. Seine Reisen im Orient
und im südlichen Europa haben ihm hinreichend Gelegenheit gegeben, eine
Sammlung von antiken Gläsern zu Stande zu bringen, die an Vollständigkeit
wol kaum von einer andern übertroffen werden dürfte. Da gibt es Glas¬
schlacken — durchsichtige und opake —, Lagen, und überfangene Gläser, Nach¬
ahmungen von kostbaren Steinen, Murrhin und Millefiorcn, bandartig
zusammengefügte Gläser, Glasschmuck, Korallen und Halsbänder, Kugeln, grie¬
chische, ägyptische, etrurische und römische Gefäße und Gefäßtheile, Gemmen,
Cameen und Ningsteine und Glasmosaiken in großer Zahl, zusammen in
620 Nummern.

Die einfachen Glasschlacken und Flüsse gewähren insofern ein großes
Interesse, als sie auf die Anfänge dieser Kunst zurückweisen und auf die Dar¬
stellungsweise hinführen. Ein Theil gibt Aufschlüsse über die zur Färbung
benutzten Metalloxyde, ein andrer über die hohe Vollendung der Nachahmung
edler Gesteine und des Bernsteins. Zu dieser Nachahmung trieb der ungeheure
Luxus, der in dem allgewaltigen Rom herrschte. Die Marmor- und Edelstein¬
gruben ,in fast allen bekannten Welttheilen waren dem Luxus, den die Römer
in Bauten und andern Kunstwerken, in Geräthen und Schmuck mit der Aus¬
breitung ihrer Herrschaft immer mehr entwickelten, tribntär, aber die Ausbeute
reichte nicht aus oder die natürlichen Producte behagten dem Schönheitssinn
nicht mehr. Man verlangte nach noch schönerem und das mußte die Kunst
der Meuschen liefern. So entstanden jene Nachahmungen, mit denen det
Römer ihre Bauten und Werke der Künste und Gewerbe ausschmückten, und
welche mit Recht, wie fast alle Schriftsteller jener Zeit übereinstimmend be¬
kunden, die Bewunderung der Zeitgenossen auf sich zogen. Lange hat man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/526>, abgerufen am 22.07.2024.