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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Anderem mehr die Rede, und die verschiedensten Gerüchte kreuzten sich. Nach
dem einen kam er in Begleitung des Königs von Griechenland. Andere wu߬
ten, er habe so reiche Geschenke mitgebracht, daß man in Jaffa dreihundert
Kameele habe miethen müssen, um sie fortzuschaffen. Wieder andere hatten ge¬
hört, er werde eine große Demonstration gegen die Türken oder die Lateiner
machen, und die griechische und russische Einwohner- und Pilgerschaft werde
dabei den zukünftigen Pantokrator der Levante kräftigst unterstützen.

Von diesen Erwartungen erfüllte sich keine. Der Großfürst kam allerdings
nicht in so einfachem Auszug wie der Prinz Alfred von England, der drei
Wochen vorher die heiligen Stätten besucht hatte, und nicht als Privatmann
wie der Herzog von Brabant und der Erzherzog Ferdinand Maximilian, die
vor diesem erschienen waren. Aber eigentliche Demonstrationen unterblieben,
und auch die Türken bereiteten ihm keinen glänzender" Empfang als jenen
fürstlichen Personen; im Gegentheil, es war von Stambul die Weisung ein¬
getroffen, genau dasselbe Cermoniel einzuhalten wie beim Einzug des eng¬
lischen Prinzen.

Der Großfürst hatte die Nacht in Zelten nicht weit von Abu Gosch zu¬
gebracht, und sollte gegen zehn Uhr vor dem Jaffathor erscheinen. Ich ging
eine Stunde früher hinaus und fand zunächst in der Nahe des Castells alle
Mauern und Dächer mit langen Reihen weißverhülltcr, dicht aneinander ge¬
säuerter Frauen besetzt, von denen viele sich mit rothen oder blauen Regen¬
schirmen gegen die Sonne schützten, und die mit ihrem Drängen, Aufstehen
und Wiederniederhocken und ihren lauten grellen Stimmen den Eindruck mach¬
ten, als ob sich einer der ungeheuren Tauben- oder Jbisschwärme. welche
über dem Nil schweben" auf die Stadt niedergelassen hätte. Auch vor dem Thor
war das schöne Geschlecht zahlreich vertreten. Ueberall standen oder saßen
auf der steinbesäeten Ebne Trupps weißer Frauen, bald Mohammedanerinnen,
am Schleier kenntlich, bald Jüdinnen, durch den dicken turbanartigen Kopf¬
bund des Chalcbi bezeichnet, bald arabische und griechische Christinnen. Zwi¬
schen den weißen Tauben schritten wie Krähen schwarz gekleidete Russinnen
hin. Hier und da hatten sich, Vögeln mit rothen Köpfen und Füßen ver¬
gleichbar, Türken und Araber in Tarbuschen und Babuschcn aufgestellt. Dazwi¬
schen tummelten sich mit dem Schritt radschlagender Pfauen heute doppelt stolz
einherwandelnde Griechen, mit Sperlingshast hin und her fahrende Juden in
Zobelmütze und Seidenkaftcm, fränkische Trachten und die braun- und weiß'
gestreiften Abajen von Baschibosuks. Gelegentlich flog wie ein Flamingo ein
feuerrother Consulatskawasch durch das übrige Gesieder hin.

Ein Stück weiter hinaus lagerte eine Abtheilung reguläres türkisches
Militär hinter ihren in Pyramiden aufgestellten Flinten. Sie sahen sehr
wenig parademäßig aus. Einige trugen grüne, andere dunkelblaue Jacken


Anderem mehr die Rede, und die verschiedensten Gerüchte kreuzten sich. Nach
dem einen kam er in Begleitung des Königs von Griechenland. Andere wu߬
ten, er habe so reiche Geschenke mitgebracht, daß man in Jaffa dreihundert
Kameele habe miethen müssen, um sie fortzuschaffen. Wieder andere hatten ge¬
hört, er werde eine große Demonstration gegen die Türken oder die Lateiner
machen, und die griechische und russische Einwohner- und Pilgerschaft werde
dabei den zukünftigen Pantokrator der Levante kräftigst unterstützen.

Von diesen Erwartungen erfüllte sich keine. Der Großfürst kam allerdings
nicht in so einfachem Auszug wie der Prinz Alfred von England, der drei
Wochen vorher die heiligen Stätten besucht hatte, und nicht als Privatmann
wie der Herzog von Brabant und der Erzherzog Ferdinand Maximilian, die
vor diesem erschienen waren. Aber eigentliche Demonstrationen unterblieben,
und auch die Türken bereiteten ihm keinen glänzender» Empfang als jenen
fürstlichen Personen; im Gegentheil, es war von Stambul die Weisung ein¬
getroffen, genau dasselbe Cermoniel einzuhalten wie beim Einzug des eng¬
lischen Prinzen.

Der Großfürst hatte die Nacht in Zelten nicht weit von Abu Gosch zu¬
gebracht, und sollte gegen zehn Uhr vor dem Jaffathor erscheinen. Ich ging
eine Stunde früher hinaus und fand zunächst in der Nahe des Castells alle
Mauern und Dächer mit langen Reihen weißverhülltcr, dicht aneinander ge¬
säuerter Frauen besetzt, von denen viele sich mit rothen oder blauen Regen¬
schirmen gegen die Sonne schützten, und die mit ihrem Drängen, Aufstehen
und Wiederniederhocken und ihren lauten grellen Stimmen den Eindruck mach¬
ten, als ob sich einer der ungeheuren Tauben- oder Jbisschwärme. welche
über dem Nil schweben» auf die Stadt niedergelassen hätte. Auch vor dem Thor
war das schöne Geschlecht zahlreich vertreten. Ueberall standen oder saßen
auf der steinbesäeten Ebne Trupps weißer Frauen, bald Mohammedanerinnen,
am Schleier kenntlich, bald Jüdinnen, durch den dicken turbanartigen Kopf¬
bund des Chalcbi bezeichnet, bald arabische und griechische Christinnen. Zwi¬
schen den weißen Tauben schritten wie Krähen schwarz gekleidete Russinnen
hin. Hier und da hatten sich, Vögeln mit rothen Köpfen und Füßen ver¬
gleichbar, Türken und Araber in Tarbuschen und Babuschcn aufgestellt. Dazwi¬
schen tummelten sich mit dem Schritt radschlagender Pfauen heute doppelt stolz
einherwandelnde Griechen, mit Sperlingshast hin und her fahrende Juden in
Zobelmütze und Seidenkaftcm, fränkische Trachten und die braun- und weiß'
gestreiften Abajen von Baschibosuks. Gelegentlich flog wie ein Flamingo ein
feuerrother Consulatskawasch durch das übrige Gesieder hin.

Ein Stück weiter hinaus lagerte eine Abtheilung reguläres türkisches
Militär hinter ihren in Pyramiden aufgestellten Flinten. Sie sahen sehr
wenig parademäßig aus. Einige trugen grüne, andere dunkelblaue Jacken


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[0478] Anderem mehr die Rede, und die verschiedensten Gerüchte kreuzten sich. Nach dem einen kam er in Begleitung des Königs von Griechenland. Andere wu߬ ten, er habe so reiche Geschenke mitgebracht, daß man in Jaffa dreihundert Kameele habe miethen müssen, um sie fortzuschaffen. Wieder andere hatten ge¬ hört, er werde eine große Demonstration gegen die Türken oder die Lateiner machen, und die griechische und russische Einwohner- und Pilgerschaft werde dabei den zukünftigen Pantokrator der Levante kräftigst unterstützen. Von diesen Erwartungen erfüllte sich keine. Der Großfürst kam allerdings nicht in so einfachem Auszug wie der Prinz Alfred von England, der drei Wochen vorher die heiligen Stätten besucht hatte, und nicht als Privatmann wie der Herzog von Brabant und der Erzherzog Ferdinand Maximilian, die vor diesem erschienen waren. Aber eigentliche Demonstrationen unterblieben, und auch die Türken bereiteten ihm keinen glänzender» Empfang als jenen fürstlichen Personen; im Gegentheil, es war von Stambul die Weisung ein¬ getroffen, genau dasselbe Cermoniel einzuhalten wie beim Einzug des eng¬ lischen Prinzen. Der Großfürst hatte die Nacht in Zelten nicht weit von Abu Gosch zu¬ gebracht, und sollte gegen zehn Uhr vor dem Jaffathor erscheinen. Ich ging eine Stunde früher hinaus und fand zunächst in der Nahe des Castells alle Mauern und Dächer mit langen Reihen weißverhülltcr, dicht aneinander ge¬ säuerter Frauen besetzt, von denen viele sich mit rothen oder blauen Regen¬ schirmen gegen die Sonne schützten, und die mit ihrem Drängen, Aufstehen und Wiederniederhocken und ihren lauten grellen Stimmen den Eindruck mach¬ ten, als ob sich einer der ungeheuren Tauben- oder Jbisschwärme. welche über dem Nil schweben» auf die Stadt niedergelassen hätte. Auch vor dem Thor war das schöne Geschlecht zahlreich vertreten. Ueberall standen oder saßen auf der steinbesäeten Ebne Trupps weißer Frauen, bald Mohammedanerinnen, am Schleier kenntlich, bald Jüdinnen, durch den dicken turbanartigen Kopf¬ bund des Chalcbi bezeichnet, bald arabische und griechische Christinnen. Zwi¬ schen den weißen Tauben schritten wie Krähen schwarz gekleidete Russinnen hin. Hier und da hatten sich, Vögeln mit rothen Köpfen und Füßen ver¬ gleichbar, Türken und Araber in Tarbuschen und Babuschcn aufgestellt. Dazwi¬ schen tummelten sich mit dem Schritt radschlagender Pfauen heute doppelt stolz einherwandelnde Griechen, mit Sperlingshast hin und her fahrende Juden in Zobelmütze und Seidenkaftcm, fränkische Trachten und die braun- und weiß' gestreiften Abajen von Baschibosuks. Gelegentlich flog wie ein Flamingo ein feuerrother Consulatskawasch durch das übrige Gesieder hin. Ein Stück weiter hinaus lagerte eine Abtheilung reguläres türkisches Militär hinter ihren in Pyramiden aufgestellten Flinten. Sie sahen sehr wenig parademäßig aus. Einige trugen grüne, andere dunkelblaue Jacken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/478>, abgerufen am 29.12.2024.