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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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kommen eine Salzkruste den Bart und die naß gewordenen Theile des Kopses
überzog. Wir sahen ferner mehre Raubvögel, Möven und Schwalben übe"
den See fliegen, und wir hatten es endlich durchaus nicht zu bereuen, als
wir auf den Einfall geriethen, das alte Bachr Lud als Kühlkessel für die bei¬
den Bierflaschen zu benutzen, die unser Mittagsbrod befeuchten sollten. Das
vaterländische Gebräu schmeckte darauf nur sehr kühl, aber nicht im mindesten
nach dem Fluche Sodoms und Gomorras.

Wenn das todte Meer einen gewissen schauerlichen Eindruck macht, ^'
geht das nicht aus dem Kolorit des Bildes, sondern daraus hervor, daß es
eben wirklich ein todtes ist, daß die Berge, die sich in ihm spiegeln, kahl
wie Gerippe sind, der sandige Strand im Norden ebenfalls ohne Baum,
Strauch, Gras oder Moos ist, die erwähnte Insel gleichermaßen blos dem
Steinreich angehört. Dazu kommen Erinnerungen an das, was die Sage
in ihm versenkt sein läßt, dazu der Gedanke, daß der schöne, waldumgrünte,
von raschem rüstigen Leben erfüllte Jordan so trübselig in den bittern trägen
Gewässern verkommen muß, dazu der Anblick der Bäume, die vom Fluß
den See hinabgeflößt, von diesem, nachdem er ihnen mit seiner Lauge die
Rinde abgefressen, sie zu Skeletten gebeizt und gebleicht hat, wieder an den
Strand geworfen worden sind. Dazu kommt vor alsen die großartige EM-
samkeit der Gegend, die dem Wanderer nirgend den Rauch eines Herdes,
nirgend ein Dorf oder Zeltlager, einen weidenden Hirten, einen rudernden
Schiffer erblicken, nirgend Zeichen der Nähe von Menschen hören läßt.

Die Länge des todten Meeres beträgt zehn, seine durchschnittliche Breite
ungefähr zwei deutsche Meilen. Als größte Tiefe hat man 1170 Fuß gesun¬
den. Am Südende, wohin sehr selten ein Reisender gelangte, soll man den
See durchwaten können. Bekannt ist, daß derselbe zwischen 1200 und
Fuß unter dem Spiegel des Mittelmeers liegt und höchst wahrscheinlich durch
einen Erdsturz, deu vulkanische Kräfte vorbereiteten, entstanden ist. Die Stein-
arten am User und im See selbst bestehen aus gewöhnlichem graugclbeM
Kalk- und Sandstein, bituminösem Mergelschiefer (auch Stinkschiefer genannt)
und Quarz. An der Ostküste fanden die Amerikaner vulkanische Bildungen
und Lava, und im Süden stießen sie auf einen Berg, der vom Fuß bis zum
Gipfel mit Schlacken und Lava bedeckt war. Oestlich von der Halbinsel Us-
dnm (Sodom) entdeckten sie über einer Schlucht und sechzig Fuß über dem
Wasser eine Eäule von Steinsalz, die eine Höhe von ungefähr vierzig
hatte. Sie wird für die Säule gehalten, in welche Loth Weib verwände
wurde, und wenn die Rabbinen recht haben, welche annehmen, daß die
sehen in alter Zeit größer als jetzt geriethen, Adam ein Riese von zweihund^
Schuh war, Abraham etwa fünfzehn Ellen maß, so läßt sich gegen die Sa )
wenig mehr einwenden.


kommen eine Salzkruste den Bart und die naß gewordenen Theile des Kopses
überzog. Wir sahen ferner mehre Raubvögel, Möven und Schwalben übe»
den See fliegen, und wir hatten es endlich durchaus nicht zu bereuen, als
wir auf den Einfall geriethen, das alte Bachr Lud als Kühlkessel für die bei¬
den Bierflaschen zu benutzen, die unser Mittagsbrod befeuchten sollten. Das
vaterländische Gebräu schmeckte darauf nur sehr kühl, aber nicht im mindesten
nach dem Fluche Sodoms und Gomorras.

Wenn das todte Meer einen gewissen schauerlichen Eindruck macht, ^'
geht das nicht aus dem Kolorit des Bildes, sondern daraus hervor, daß es
eben wirklich ein todtes ist, daß die Berge, die sich in ihm spiegeln, kahl
wie Gerippe sind, der sandige Strand im Norden ebenfalls ohne Baum,
Strauch, Gras oder Moos ist, die erwähnte Insel gleichermaßen blos dem
Steinreich angehört. Dazu kommen Erinnerungen an das, was die Sage
in ihm versenkt sein läßt, dazu der Gedanke, daß der schöne, waldumgrünte,
von raschem rüstigen Leben erfüllte Jordan so trübselig in den bittern trägen
Gewässern verkommen muß, dazu der Anblick der Bäume, die vom Fluß
den See hinabgeflößt, von diesem, nachdem er ihnen mit seiner Lauge die
Rinde abgefressen, sie zu Skeletten gebeizt und gebleicht hat, wieder an den
Strand geworfen worden sind. Dazu kommt vor alsen die großartige EM-
samkeit der Gegend, die dem Wanderer nirgend den Rauch eines Herdes,
nirgend ein Dorf oder Zeltlager, einen weidenden Hirten, einen rudernden
Schiffer erblicken, nirgend Zeichen der Nähe von Menschen hören läßt.

Die Länge des todten Meeres beträgt zehn, seine durchschnittliche Breite
ungefähr zwei deutsche Meilen. Als größte Tiefe hat man 1170 Fuß gesun¬
den. Am Südende, wohin sehr selten ein Reisender gelangte, soll man den
See durchwaten können. Bekannt ist, daß derselbe zwischen 1200 und
Fuß unter dem Spiegel des Mittelmeers liegt und höchst wahrscheinlich durch
einen Erdsturz, deu vulkanische Kräfte vorbereiteten, entstanden ist. Die Stein-
arten am User und im See selbst bestehen aus gewöhnlichem graugclbeM
Kalk- und Sandstein, bituminösem Mergelschiefer (auch Stinkschiefer genannt)
und Quarz. An der Ostküste fanden die Amerikaner vulkanische Bildungen
und Lava, und im Süden stießen sie auf einen Berg, der vom Fuß bis zum
Gipfel mit Schlacken und Lava bedeckt war. Oestlich von der Halbinsel Us-
dnm (Sodom) entdeckten sie über einer Schlucht und sechzig Fuß über dem
Wasser eine Eäule von Steinsalz, die eine Höhe von ungefähr vierzig
hatte. Sie wird für die Säule gehalten, in welche Loth Weib verwände
wurde, und wenn die Rabbinen recht haben, welche annehmen, daß die
sehen in alter Zeit größer als jetzt geriethen, Adam ein Riese von zweihund^
Schuh war, Abraham etwa fünfzehn Ellen maß, so läßt sich gegen die Sa )
wenig mehr einwenden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/446>, abgerufen am 23.07.2024.