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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Wässerung seines Thales. Die Beduinen des Ostufers machen alles das un¬
möglich. Im Walde am Ufer fand ich wilde Lorbeerbäume, Eichen, Tana- -
After, Akazien, Weiden und andere, mir unbekannte Bäume und Sträucher.
Am Gestade wuchs Gras und Klee, in Palästina Seltenheiten. In den
Gipfeln ließen wilde Tauben ihr melancholisches Girren hören. Ueber dem
Gaffer schwebten einige Störche und ein Entenschwarm. Das Bild der Taus-
^lie macht mit dem blauen Himmel darüber, aus den? die heilige Taube
uni. em<in durchaus angenehmen Eindruck, und wenn die Legende irgendwo
'!"'en Ort gut gewühlt hat, so ist es hier.

Vom Jordan bis an das Nordende des todten Meeres reitet man
"ber fast von aller Vegetation entblößten, mit Salpeter geschwängerten Boden.
Das Meer oder vielmehr der See macht, da man im Süden kein Ufer sieht,
Eindruck eines Meerbusens. Zu pietistischen Ueberschwenglichkeiten Hin-
Agende Reisende haben die Schrecken dieser Gegend sehr übertrieben. Das
^"Iser soll "wie eine weit hingegossene Bleimasse" aussehen, die Sonne sich
"wdtenbleich" darin spiegeln; die Berge Moabs sollen sich als "dunkle Kegel"
darüber erheben. Was man nicht alles sieht, wenn man die Pastorenbrille
aufsetzt! Das Bachr Lud hat die Farbe des Himmels der sich über ihm wölbt,
genau so wie jeder andere See Palästinas, es ist also in der Regel, d. h.
^um nicht Wolken darüber stehen, vom schönsten Dunkelblau.^ Die Sonne
'Regelt sich in ihm nicht todtenbleich. schon weil sie nicht erschrecken kann, wie
er. welcher sie erblaßt gesehen haben will. Die Moabiterberge aber sind nur bei
^ehe dunkel, und das geht allen Bergen so. Am Tage haben sie grade so
^ ihre nördlichen Nachbarn, die auf der Ostseite des Jordan hinstreichenden
^erge Ammons, eine röthlichgelbe, in den Schluchten und Fernen eine blau-
"che Farbe.

Früher glaubte man gar den Mönchen, der Asphaltsee hauche einen
Übelriechenden giftigen Odem aus, er dulde kein lebendes Wesen in seinen
^Ulm und ersticke selbst die Vögel, die über ihn zu fliegen versuchten. Hier-
ist wahr, daß das stark mit Salz und Asphalt geschwängerte Wasser
Weder Pflanzen, noch Fische, noch Würmer oder Muscheln in sich birgt, daß
^ einen scharfen bittersalzigen Geschmack hat und daß es Badenden an Wur¬
m Stellen des Leibes ein heftiges Brennen verursacht. Was darüber hin-
""s behauptet wird, ist Aberglaube. Der See hat keinen Geruch. Eine
Amerikanische Expedition, die ihn vor einigen Jahren vermaß, hielt sich ohne
ehaden drei volle Wochen hier aus. Wir badeten in dem. beiläufig krystall-
^ellen Wasser fast eine halbe Stunde und fanden nichts Erstaunliches, als
wir beim Hinüberschwimmen nach der kleinen, dem Nordende gegenüber
gelegenen Insel wie Korke gehoben wurden und Mühe hatten, bei horizon-
^er Lage die Beine unter Wasser zu behalten, und daß uns beim Heraus-


Wässerung seines Thales. Die Beduinen des Ostufers machen alles das un¬
möglich. Im Walde am Ufer fand ich wilde Lorbeerbäume, Eichen, Tana- -
After, Akazien, Weiden und andere, mir unbekannte Bäume und Sträucher.
Am Gestade wuchs Gras und Klee, in Palästina Seltenheiten. In den
Gipfeln ließen wilde Tauben ihr melancholisches Girren hören. Ueber dem
Gaffer schwebten einige Störche und ein Entenschwarm. Das Bild der Taus-
^lie macht mit dem blauen Himmel darüber, aus den? die heilige Taube
uni. em<in durchaus angenehmen Eindruck, und wenn die Legende irgendwo
'!"'en Ort gut gewühlt hat, so ist es hier.

Vom Jordan bis an das Nordende des todten Meeres reitet man
"ber fast von aller Vegetation entblößten, mit Salpeter geschwängerten Boden.
Das Meer oder vielmehr der See macht, da man im Süden kein Ufer sieht,
Eindruck eines Meerbusens. Zu pietistischen Ueberschwenglichkeiten Hin-
Agende Reisende haben die Schrecken dieser Gegend sehr übertrieben. Das
^"Iser soll „wie eine weit hingegossene Bleimasse" aussehen, die Sonne sich
"wdtenbleich" darin spiegeln; die Berge Moabs sollen sich als „dunkle Kegel"
darüber erheben. Was man nicht alles sieht, wenn man die Pastorenbrille
aufsetzt! Das Bachr Lud hat die Farbe des Himmels der sich über ihm wölbt,
genau so wie jeder andere See Palästinas, es ist also in der Regel, d. h.
^um nicht Wolken darüber stehen, vom schönsten Dunkelblau.^ Die Sonne
'Regelt sich in ihm nicht todtenbleich. schon weil sie nicht erschrecken kann, wie
er. welcher sie erblaßt gesehen haben will. Die Moabiterberge aber sind nur bei
^ehe dunkel, und das geht allen Bergen so. Am Tage haben sie grade so
^ ihre nördlichen Nachbarn, die auf der Ostseite des Jordan hinstreichenden
^erge Ammons, eine röthlichgelbe, in den Schluchten und Fernen eine blau-
"che Farbe.

Früher glaubte man gar den Mönchen, der Asphaltsee hauche einen
Übelriechenden giftigen Odem aus, er dulde kein lebendes Wesen in seinen
^Ulm und ersticke selbst die Vögel, die über ihn zu fliegen versuchten. Hier-
ist wahr, daß das stark mit Salz und Asphalt geschwängerte Wasser
Weder Pflanzen, noch Fische, noch Würmer oder Muscheln in sich birgt, daß
^ einen scharfen bittersalzigen Geschmack hat und daß es Badenden an Wur¬
m Stellen des Leibes ein heftiges Brennen verursacht. Was darüber hin-
""s behauptet wird, ist Aberglaube. Der See hat keinen Geruch. Eine
Amerikanische Expedition, die ihn vor einigen Jahren vermaß, hielt sich ohne
ehaden drei volle Wochen hier aus. Wir badeten in dem. beiläufig krystall-
^ellen Wasser fast eine halbe Stunde und fanden nichts Erstaunliches, als
wir beim Hinüberschwimmen nach der kleinen, dem Nordende gegenüber
gelegenen Insel wie Korke gehoben wurden und Mühe hatten, bei horizon-
^er Lage die Beine unter Wasser zu behalten, und daß uns beim Heraus-


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[0445] Wässerung seines Thales. Die Beduinen des Ostufers machen alles das un¬ möglich. Im Walde am Ufer fand ich wilde Lorbeerbäume, Eichen, Tana- - After, Akazien, Weiden und andere, mir unbekannte Bäume und Sträucher. Am Gestade wuchs Gras und Klee, in Palästina Seltenheiten. In den Gipfeln ließen wilde Tauben ihr melancholisches Girren hören. Ueber dem Gaffer schwebten einige Störche und ein Entenschwarm. Das Bild der Taus- ^lie macht mit dem blauen Himmel darüber, aus den? die heilige Taube uni. em<in durchaus angenehmen Eindruck, und wenn die Legende irgendwo '!"'en Ort gut gewühlt hat, so ist es hier. Vom Jordan bis an das Nordende des todten Meeres reitet man "ber fast von aller Vegetation entblößten, mit Salpeter geschwängerten Boden. Das Meer oder vielmehr der See macht, da man im Süden kein Ufer sieht, Eindruck eines Meerbusens. Zu pietistischen Ueberschwenglichkeiten Hin- Agende Reisende haben die Schrecken dieser Gegend sehr übertrieben. Das ^"Iser soll „wie eine weit hingegossene Bleimasse" aussehen, die Sonne sich "wdtenbleich" darin spiegeln; die Berge Moabs sollen sich als „dunkle Kegel" darüber erheben. Was man nicht alles sieht, wenn man die Pastorenbrille aufsetzt! Das Bachr Lud hat die Farbe des Himmels der sich über ihm wölbt, genau so wie jeder andere See Palästinas, es ist also in der Regel, d. h. ^um nicht Wolken darüber stehen, vom schönsten Dunkelblau.^ Die Sonne 'Regelt sich in ihm nicht todtenbleich. schon weil sie nicht erschrecken kann, wie er. welcher sie erblaßt gesehen haben will. Die Moabiterberge aber sind nur bei ^ehe dunkel, und das geht allen Bergen so. Am Tage haben sie grade so ^ ihre nördlichen Nachbarn, die auf der Ostseite des Jordan hinstreichenden ^erge Ammons, eine röthlichgelbe, in den Schluchten und Fernen eine blau- "che Farbe. Früher glaubte man gar den Mönchen, der Asphaltsee hauche einen Übelriechenden giftigen Odem aus, er dulde kein lebendes Wesen in seinen ^Ulm und ersticke selbst die Vögel, die über ihn zu fliegen versuchten. Hier- ist wahr, daß das stark mit Salz und Asphalt geschwängerte Wasser Weder Pflanzen, noch Fische, noch Würmer oder Muscheln in sich birgt, daß ^ einen scharfen bittersalzigen Geschmack hat und daß es Badenden an Wur¬ m Stellen des Leibes ein heftiges Brennen verursacht. Was darüber hin- ""s behauptet wird, ist Aberglaube. Der See hat keinen Geruch. Eine Amerikanische Expedition, die ihn vor einigen Jahren vermaß, hielt sich ohne ehaden drei volle Wochen hier aus. Wir badeten in dem. beiläufig krystall- ^ellen Wasser fast eine halbe Stunde und fanden nichts Erstaunliches, als wir beim Hinüberschwimmen nach der kleinen, dem Nordende gegenüber gelegenen Insel wie Korke gehoben wurden und Mühe hatten, bei horizon- ^er Lage die Beine unter Wasser zu behalten, und daß uns beim Heraus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/445>, abgerufen am 23.07.2024.