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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Wo die untergegangenen Städte (außer Sodom und Gomorrha werden
"vn der Genesis noch Adania und Zeboim genannt) gestanden haben, ist un¬
bekannt, die Entdeckung der Stelle durch den pariser Orientalisten de Saulcy
°>n Humbug, an den man unter Gelehrten des neunzehnten Jahrhunderts
uicht mehr glauben sollte. Schließlich ist zu bemerken, das die Umgebung des
Sees nur da dürr und ohne Vegetation ist, wo es an süßem Wasser mangelt.
Der Jordan behält bis an seine Mündung Ufersäume von Bäumen und
Sträuchern, und in der Schlucht Endschiddi, (vielleicht das Engeddi, wo David
steh einst vor Sand verbarg und mit dessen Traube die Sulamith des Hohen¬
lieds ihren Geliebten vergleicht) wachsen neben der Quelle, die den Ort be¬
ziffert, außer Schilf, Tamarisken und Gurrabäumen auch Palmen. Flüssiges
^dharz wird in der Nachbarschaft des Sees nirgend gesunden, wol aber der
sogenannte Moses- oder Asphaltstein.

Als wir uns zum Frühstück setzten, bemerkten wir verwundert, daß unser
Diener, der Webergesell, uns abhanden gekommen war, und als wir uns
"ach ihm umschauten, sahen wir ihn schon in weiter Ferne mit dem Mukkari,
Maulthieren und zwei Beduinen, welche gleich ihm zu Fuß waren, die Berge
^"aufsteigen, welche wir zu überschreiten hatten, um nach Mar Saba zu ge-
^ngen. Er hatte, wie er sich später äußerte, nicht mit uns essen wollen,
^eil es sich seiner Erfahrung nach mit vollem Magen schlecht marschire.
Wenn das richtig ist, so gewann er dazu bald die andere Erfahrung, daß es
s^es in der Wüste noch schlechter marschirt, wenn man vorher nicht genug ge¬
sunken hat und kein Wasser mit sich führt.

Auch der Spanier war mit seinem Dragoman verschwunden. Er hatte
"'ehe im See gebadet, vielleicht aus Furcht vor seinem Gifte, vielleicht um
den Segen, den ihm das Bad im Jordan gebracht, in dem verfluchten Wasser
"'ehe abzuspülen.

Wir folgten den Vorausgegangenen mit unsern beiden berittenen Beduinen,
Reichten nach einer halben Stunde die mit Schilf und Tamarisken umgebene
Quelle Ain Ed Dschahir, deren schwachsalziges Wasser sich mit etwas Orangen-
^se trinken ließ, und begannen am Südende des Wadi Daber, einer tiefen
Bodensenkung, welche sich mit steilen, zum Theil felsigen Wänden wie ein un¬
geheurer Festungsgraoen zwischen dem Gebirg und der Jordanebene hinzieht,
Ebenfalls die Höhe zu ersteigen. Unter uns gähnte das Wadi Abu Dis,
^nnn stiegen wir in das Wadi Kunetereh hinab. In der Ferne zeigte sich
Nebbi Musa, eine Höhe, auf deren Spitze die Ruinen einer kleinen
Moschee den Mohammedanern das Grab Mosis bezeichnet.*)



, ') Es lag nach der Bibel früher allerdings jenseit des Jordan im Gebirge Moav, aber
" Derwisch wünschte es aus Besehl Mohammeds vor einigen Jahrhunderten in diese Gegend,
das Grab konnte nicht umhin, zu gehorchen.
Grenzboten III. 18S9. SS

Wo die untergegangenen Städte (außer Sodom und Gomorrha werden
"vn der Genesis noch Adania und Zeboim genannt) gestanden haben, ist un¬
bekannt, die Entdeckung der Stelle durch den pariser Orientalisten de Saulcy
°>n Humbug, an den man unter Gelehrten des neunzehnten Jahrhunderts
uicht mehr glauben sollte. Schließlich ist zu bemerken, das die Umgebung des
Sees nur da dürr und ohne Vegetation ist, wo es an süßem Wasser mangelt.
Der Jordan behält bis an seine Mündung Ufersäume von Bäumen und
Sträuchern, und in der Schlucht Endschiddi, (vielleicht das Engeddi, wo David
steh einst vor Sand verbarg und mit dessen Traube die Sulamith des Hohen¬
lieds ihren Geliebten vergleicht) wachsen neben der Quelle, die den Ort be¬
ziffert, außer Schilf, Tamarisken und Gurrabäumen auch Palmen. Flüssiges
^dharz wird in der Nachbarschaft des Sees nirgend gesunden, wol aber der
sogenannte Moses- oder Asphaltstein.

Als wir uns zum Frühstück setzten, bemerkten wir verwundert, daß unser
Diener, der Webergesell, uns abhanden gekommen war, und als wir uns
"ach ihm umschauten, sahen wir ihn schon in weiter Ferne mit dem Mukkari,
Maulthieren und zwei Beduinen, welche gleich ihm zu Fuß waren, die Berge
^«aufsteigen, welche wir zu überschreiten hatten, um nach Mar Saba zu ge-
^ngen. Er hatte, wie er sich später äußerte, nicht mit uns essen wollen,
^eil es sich seiner Erfahrung nach mit vollem Magen schlecht marschire.
Wenn das richtig ist, so gewann er dazu bald die andere Erfahrung, daß es
s^es in der Wüste noch schlechter marschirt, wenn man vorher nicht genug ge¬
sunken hat und kein Wasser mit sich führt.

Auch der Spanier war mit seinem Dragoman verschwunden. Er hatte
"'ehe im See gebadet, vielleicht aus Furcht vor seinem Gifte, vielleicht um
den Segen, den ihm das Bad im Jordan gebracht, in dem verfluchten Wasser
"'ehe abzuspülen.

Wir folgten den Vorausgegangenen mit unsern beiden berittenen Beduinen,
Reichten nach einer halben Stunde die mit Schilf und Tamarisken umgebene
Quelle Ain Ed Dschahir, deren schwachsalziges Wasser sich mit etwas Orangen-
^se trinken ließ, und begannen am Südende des Wadi Daber, einer tiefen
Bodensenkung, welche sich mit steilen, zum Theil felsigen Wänden wie ein un¬
geheurer Festungsgraoen zwischen dem Gebirg und der Jordanebene hinzieht,
Ebenfalls die Höhe zu ersteigen. Unter uns gähnte das Wadi Abu Dis,
^nnn stiegen wir in das Wadi Kunetereh hinab. In der Ferne zeigte sich
Nebbi Musa, eine Höhe, auf deren Spitze die Ruinen einer kleinen
Moschee den Mohammedanern das Grab Mosis bezeichnet.*)



, ') Es lag nach der Bibel früher allerdings jenseit des Jordan im Gebirge Moav, aber
» Derwisch wünschte es aus Besehl Mohammeds vor einigen Jahrhunderten in diese Gegend,
das Grab konnte nicht umhin, zu gehorchen.
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[0447] Wo die untergegangenen Städte (außer Sodom und Gomorrha werden "vn der Genesis noch Adania und Zeboim genannt) gestanden haben, ist un¬ bekannt, die Entdeckung der Stelle durch den pariser Orientalisten de Saulcy °>n Humbug, an den man unter Gelehrten des neunzehnten Jahrhunderts uicht mehr glauben sollte. Schließlich ist zu bemerken, das die Umgebung des Sees nur da dürr und ohne Vegetation ist, wo es an süßem Wasser mangelt. Der Jordan behält bis an seine Mündung Ufersäume von Bäumen und Sträuchern, und in der Schlucht Endschiddi, (vielleicht das Engeddi, wo David steh einst vor Sand verbarg und mit dessen Traube die Sulamith des Hohen¬ lieds ihren Geliebten vergleicht) wachsen neben der Quelle, die den Ort be¬ ziffert, außer Schilf, Tamarisken und Gurrabäumen auch Palmen. Flüssiges ^dharz wird in der Nachbarschaft des Sees nirgend gesunden, wol aber der sogenannte Moses- oder Asphaltstein. Als wir uns zum Frühstück setzten, bemerkten wir verwundert, daß unser Diener, der Webergesell, uns abhanden gekommen war, und als wir uns "ach ihm umschauten, sahen wir ihn schon in weiter Ferne mit dem Mukkari, Maulthieren und zwei Beduinen, welche gleich ihm zu Fuß waren, die Berge ^«aufsteigen, welche wir zu überschreiten hatten, um nach Mar Saba zu ge- ^ngen. Er hatte, wie er sich später äußerte, nicht mit uns essen wollen, ^eil es sich seiner Erfahrung nach mit vollem Magen schlecht marschire. Wenn das richtig ist, so gewann er dazu bald die andere Erfahrung, daß es s^es in der Wüste noch schlechter marschirt, wenn man vorher nicht genug ge¬ sunken hat und kein Wasser mit sich führt. Auch der Spanier war mit seinem Dragoman verschwunden. Er hatte "'ehe im See gebadet, vielleicht aus Furcht vor seinem Gifte, vielleicht um den Segen, den ihm das Bad im Jordan gebracht, in dem verfluchten Wasser "'ehe abzuspülen. Wir folgten den Vorausgegangenen mit unsern beiden berittenen Beduinen, Reichten nach einer halben Stunde die mit Schilf und Tamarisken umgebene Quelle Ain Ed Dschahir, deren schwachsalziges Wasser sich mit etwas Orangen- ^se trinken ließ, und begannen am Südende des Wadi Daber, einer tiefen Bodensenkung, welche sich mit steilen, zum Theil felsigen Wänden wie ein un¬ geheurer Festungsgraoen zwischen dem Gebirg und der Jordanebene hinzieht, Ebenfalls die Höhe zu ersteigen. Unter uns gähnte das Wadi Abu Dis, ^nnn stiegen wir in das Wadi Kunetereh hinab. In der Ferne zeigte sich Nebbi Musa, eine Höhe, auf deren Spitze die Ruinen einer kleinen Moschee den Mohammedanern das Grab Mosis bezeichnet.*) , ') Es lag nach der Bibel früher allerdings jenseit des Jordan im Gebirge Moav, aber » Derwisch wünschte es aus Besehl Mohammeds vor einigen Jahrhunderten in diese Gegend, das Grab konnte nicht umhin, zu gehorchen. Grenzboten III. 18S9. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/447>, abgerufen am 29.12.2024.