Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Unser Plan gebot uns, am nächsten Tage den Jordan und dann das
todte Meer zu besuchen und die Nacht im Kloster Mar Saba zu schlafen, ein
nicht unbedeutendes Stück Arbeit in der sengenden Sonne, die uns erwartete.
Von Jericho bis zur Badestelle am Jordan sind es nicht ganz zwei, von dort
bis zum Nordende des todten Meeres anderthalb, von hier bis zum Kloster
reichlich sieben Stunden, und die letzte Strecke führt der Weg über ziemlich
mühsam zu ersteigendes brunnenloses Wüstengebirge. So mußten wir zeitig
im Sattel sein, und demgemäß wurden bereits vor drei Uhr die Zelte abge¬
brochen, die Pferde gezäumt und die Maulthiere beladen, und schon halb vier
Uhr bewegte sich unsere Karavane durch das dämmernde Gefilde an Jericho
vorüber und weiter hinab in das Thal.

Die Gegend wurde zuerst wieder oder, und wir trafen hier und da eine
dünne Kruste Salpeter, die den Boden etwa wie Reif bedeckte. Weiter nach
Osten zu finden sich wieder Nabkbäume und Aschersträucher,' das Gebüsch
am Wege wird dichter und höher, einzelne Tamarisken erscheinen und endlich
hat man einen schönen grünen Laubwald mit prächtigen Stämmen und vollen
breiten Wipfeln vor sich, durch den sich unter steilen Schlammufern ein rasch-
strömender Fluß drängt.

..schuf, ches scherint", siehe, die Tränkstelle, sagte unser Schech, mit dein
Ende seiner Lanze hinabzcigend. "lleeo it ^oiMno", erläuterte der Dragoman
des Spaniers, ein arabischer Christ, indem er sich ein großes Kreuz übet
Brust und Leib schlug.

Es war der Jordan. Wir badeten, mein Begleiter füllte als guter Kauf¬
mann mit der heiligen Flut die gestern Abend geleerte Bierflasche, die nach
Basel verkauft werden sollte, und mit deren Inhalt jetzt vielleicht schon ein
vornehmes Kind getauft worden ist; dann wurden Streifzüge durch das Dickicht
gemacht, in dem wilde Schweine und Panther Hausen sollen, endlich das in¬
zwischen zubereitete Frühstück eingenommen. Das Wasser ist trüb, so reißend,
daß auch gute Schwimmer wohl thun, sich nicht zu weit vom Rande zu ent¬
fernen, und an dieser Stelle -- es ist die, wo die Legende Jesum von Jo¬
hannes getauft werden läßt -- etwa achtzig Fuß breit. ' Die Tiefe des Flusses
soll in der Mitte zehn bis zwölf Fuß betragen.

Für Leser, welche nicht Muße hatten, Detailstudien in der palästinensische"
Geographie zu machen, sei noch bemerkt, daß der Jordan im Drusenlande
zwischen Nascheiah und Hasbeiah entspringt, durch den See von Tiberias wie
der Rhein durch den Vodensee hindurchgeht und, nachdem er von Ost und
West verschiedene Bäche ausgenommen hat, im todten Meer verschwindet.
Er hat ferner viele Krümmungen, gefahrvolle Stromschnellen, kleine Wasser
fälle und eine Anzahl von Inseln. Von einer Schiffahrt auf ihm ist M"''
wärtig so wenig die Rede, als von Benutzung des reichlichen Wnssns zur Be-


Unser Plan gebot uns, am nächsten Tage den Jordan und dann das
todte Meer zu besuchen und die Nacht im Kloster Mar Saba zu schlafen, ein
nicht unbedeutendes Stück Arbeit in der sengenden Sonne, die uns erwartete.
Von Jericho bis zur Badestelle am Jordan sind es nicht ganz zwei, von dort
bis zum Nordende des todten Meeres anderthalb, von hier bis zum Kloster
reichlich sieben Stunden, und die letzte Strecke führt der Weg über ziemlich
mühsam zu ersteigendes brunnenloses Wüstengebirge. So mußten wir zeitig
im Sattel sein, und demgemäß wurden bereits vor drei Uhr die Zelte abge¬
brochen, die Pferde gezäumt und die Maulthiere beladen, und schon halb vier
Uhr bewegte sich unsere Karavane durch das dämmernde Gefilde an Jericho
vorüber und weiter hinab in das Thal.

Die Gegend wurde zuerst wieder oder, und wir trafen hier und da eine
dünne Kruste Salpeter, die den Boden etwa wie Reif bedeckte. Weiter nach
Osten zu finden sich wieder Nabkbäume und Aschersträucher,' das Gebüsch
am Wege wird dichter und höher, einzelne Tamarisken erscheinen und endlich
hat man einen schönen grünen Laubwald mit prächtigen Stämmen und vollen
breiten Wipfeln vor sich, durch den sich unter steilen Schlammufern ein rasch-
strömender Fluß drängt.

..schuf, ches scherint", siehe, die Tränkstelle, sagte unser Schech, mit dein
Ende seiner Lanze hinabzcigend. „lleeo it ^oiMno«, erläuterte der Dragoman
des Spaniers, ein arabischer Christ, indem er sich ein großes Kreuz übet
Brust und Leib schlug.

Es war der Jordan. Wir badeten, mein Begleiter füllte als guter Kauf¬
mann mit der heiligen Flut die gestern Abend geleerte Bierflasche, die nach
Basel verkauft werden sollte, und mit deren Inhalt jetzt vielleicht schon ein
vornehmes Kind getauft worden ist; dann wurden Streifzüge durch das Dickicht
gemacht, in dem wilde Schweine und Panther Hausen sollen, endlich das in¬
zwischen zubereitete Frühstück eingenommen. Das Wasser ist trüb, so reißend,
daß auch gute Schwimmer wohl thun, sich nicht zu weit vom Rande zu ent¬
fernen, und an dieser Stelle — es ist die, wo die Legende Jesum von Jo¬
hannes getauft werden läßt — etwa achtzig Fuß breit. ' Die Tiefe des Flusses
soll in der Mitte zehn bis zwölf Fuß betragen.

Für Leser, welche nicht Muße hatten, Detailstudien in der palästinensische»
Geographie zu machen, sei noch bemerkt, daß der Jordan im Drusenlande
zwischen Nascheiah und Hasbeiah entspringt, durch den See von Tiberias wie
der Rhein durch den Vodensee hindurchgeht und, nachdem er von Ost und
West verschiedene Bäche ausgenommen hat, im todten Meer verschwindet.
Er hat ferner viele Krümmungen, gefahrvolle Stromschnellen, kleine Wasser
fälle und eine Anzahl von Inseln. Von einer Schiffahrt auf ihm ist M"''
wärtig so wenig die Rede, als von Benutzung des reichlichen Wnssns zur Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108030"/>
            <p xml:id="ID_1464"> Unser Plan gebot uns, am nächsten Tage den Jordan und dann das<lb/>
todte Meer zu besuchen und die Nacht im Kloster Mar Saba zu schlafen, ein<lb/>
nicht unbedeutendes Stück Arbeit in der sengenden Sonne, die uns erwartete.<lb/>
Von Jericho bis zur Badestelle am Jordan sind es nicht ganz zwei, von dort<lb/>
bis zum Nordende des todten Meeres anderthalb, von hier bis zum Kloster<lb/>
reichlich sieben Stunden, und die letzte Strecke führt der Weg über ziemlich<lb/>
mühsam zu ersteigendes brunnenloses Wüstengebirge. So mußten wir zeitig<lb/>
im Sattel sein, und demgemäß wurden bereits vor drei Uhr die Zelte abge¬<lb/>
brochen, die Pferde gezäumt und die Maulthiere beladen, und schon halb vier<lb/>
Uhr bewegte sich unsere Karavane durch das dämmernde Gefilde an Jericho<lb/>
vorüber und weiter hinab in das Thal.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1465"> Die Gegend wurde zuerst wieder oder, und wir trafen hier und da eine<lb/>
dünne Kruste Salpeter, die den Boden etwa wie Reif bedeckte. Weiter nach<lb/>
Osten zu finden sich wieder Nabkbäume und Aschersträucher,' das Gebüsch<lb/>
am Wege wird dichter und höher, einzelne Tamarisken erscheinen und endlich<lb/>
hat man einen schönen grünen Laubwald mit prächtigen Stämmen und vollen<lb/>
breiten Wipfeln vor sich, durch den sich unter steilen Schlammufern ein rasch-<lb/>
strömender Fluß drängt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1466"> ..schuf, ches scherint", siehe, die Tränkstelle, sagte unser Schech, mit dein<lb/>
Ende seiner Lanze hinabzcigend. &#x201E;lleeo it ^oiMno«, erläuterte der Dragoman<lb/>
des Spaniers, ein arabischer Christ, indem er sich ein großes Kreuz übet<lb/>
Brust und Leib schlug.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1467"> Es war der Jordan. Wir badeten, mein Begleiter füllte als guter Kauf¬<lb/>
mann mit der heiligen Flut die gestern Abend geleerte Bierflasche, die nach<lb/>
Basel verkauft werden sollte, und mit deren Inhalt jetzt vielleicht schon ein<lb/>
vornehmes Kind getauft worden ist; dann wurden Streifzüge durch das Dickicht<lb/>
gemacht, in dem wilde Schweine und Panther Hausen sollen, endlich das in¬<lb/>
zwischen zubereitete Frühstück eingenommen. Das Wasser ist trüb, so reißend,<lb/>
daß auch gute Schwimmer wohl thun, sich nicht zu weit vom Rande zu ent¬<lb/>
fernen, und an dieser Stelle &#x2014; es ist die, wo die Legende Jesum von Jo¬<lb/>
hannes getauft werden läßt &#x2014; etwa achtzig Fuß breit. ' Die Tiefe des Flusses<lb/>
soll in der Mitte zehn bis zwölf Fuß betragen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1468" next="#ID_1469"> Für Leser, welche nicht Muße hatten, Detailstudien in der palästinensische»<lb/>
Geographie zu machen, sei noch bemerkt, daß der Jordan im Drusenlande<lb/>
zwischen Nascheiah und Hasbeiah entspringt, durch den See von Tiberias wie<lb/>
der Rhein durch den Vodensee hindurchgeht und, nachdem er von Ost und<lb/>
West verschiedene Bäche ausgenommen hat, im todten Meer verschwindet.<lb/>
Er hat ferner viele Krümmungen, gefahrvolle Stromschnellen, kleine Wasser<lb/>
fälle und eine Anzahl von Inseln. Von einer Schiffahrt auf ihm ist M"''<lb/>
wärtig so wenig die Rede, als von Benutzung des reichlichen Wnssns zur Be-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0444] Unser Plan gebot uns, am nächsten Tage den Jordan und dann das todte Meer zu besuchen und die Nacht im Kloster Mar Saba zu schlafen, ein nicht unbedeutendes Stück Arbeit in der sengenden Sonne, die uns erwartete. Von Jericho bis zur Badestelle am Jordan sind es nicht ganz zwei, von dort bis zum Nordende des todten Meeres anderthalb, von hier bis zum Kloster reichlich sieben Stunden, und die letzte Strecke führt der Weg über ziemlich mühsam zu ersteigendes brunnenloses Wüstengebirge. So mußten wir zeitig im Sattel sein, und demgemäß wurden bereits vor drei Uhr die Zelte abge¬ brochen, die Pferde gezäumt und die Maulthiere beladen, und schon halb vier Uhr bewegte sich unsere Karavane durch das dämmernde Gefilde an Jericho vorüber und weiter hinab in das Thal. Die Gegend wurde zuerst wieder oder, und wir trafen hier und da eine dünne Kruste Salpeter, die den Boden etwa wie Reif bedeckte. Weiter nach Osten zu finden sich wieder Nabkbäume und Aschersträucher,' das Gebüsch am Wege wird dichter und höher, einzelne Tamarisken erscheinen und endlich hat man einen schönen grünen Laubwald mit prächtigen Stämmen und vollen breiten Wipfeln vor sich, durch den sich unter steilen Schlammufern ein rasch- strömender Fluß drängt. ..schuf, ches scherint", siehe, die Tränkstelle, sagte unser Schech, mit dein Ende seiner Lanze hinabzcigend. „lleeo it ^oiMno«, erläuterte der Dragoman des Spaniers, ein arabischer Christ, indem er sich ein großes Kreuz übet Brust und Leib schlug. Es war der Jordan. Wir badeten, mein Begleiter füllte als guter Kauf¬ mann mit der heiligen Flut die gestern Abend geleerte Bierflasche, die nach Basel verkauft werden sollte, und mit deren Inhalt jetzt vielleicht schon ein vornehmes Kind getauft worden ist; dann wurden Streifzüge durch das Dickicht gemacht, in dem wilde Schweine und Panther Hausen sollen, endlich das in¬ zwischen zubereitete Frühstück eingenommen. Das Wasser ist trüb, so reißend, daß auch gute Schwimmer wohl thun, sich nicht zu weit vom Rande zu ent¬ fernen, und an dieser Stelle — es ist die, wo die Legende Jesum von Jo¬ hannes getauft werden läßt — etwa achtzig Fuß breit. ' Die Tiefe des Flusses soll in der Mitte zehn bis zwölf Fuß betragen. Für Leser, welche nicht Muße hatten, Detailstudien in der palästinensische» Geographie zu machen, sei noch bemerkt, daß der Jordan im Drusenlande zwischen Nascheiah und Hasbeiah entspringt, durch den See von Tiberias wie der Rhein durch den Vodensee hindurchgeht und, nachdem er von Ost und West verschiedene Bäche ausgenommen hat, im todten Meer verschwindet. Er hat ferner viele Krümmungen, gefahrvolle Stromschnellen, kleine Wasser fälle und eine Anzahl von Inseln. Von einer Schiffahrt auf ihm ist M"'' wärtig so wenig die Rede, als von Benutzung des reichlichen Wnssns zur Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/444
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/444>, abgerufen am 23.07.2024.