Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

^gten, dabei aber immer wie vorher in dichtgeschlossner Reihe zwei Schritt
bor und zwei zurückschwankten, bis das Schauspiel damit endigte, daß sie
k'"er nach dein andern ihre Pistolen abfeuerten. Was ihre Pantomime be¬
hüte, war nicht zu errathen. Ihre wilden Gestalten aber, ihre rothangestrahl¬
ten Gesichter mit den dunkeln Barten und den blitzenden schwarzen Augen.
d>e Weißen Zähne, mit denen sie uns angrinsten, stehen mir noch jetzt lebhaft
vor der Seele.

Nach dem Tanze wurde von uns Europäern ein Bad im Bache genom¬
men, welches bei der selbst in der Nacht fast ungeschwncht fortdauernden Hitze
trotz der geringen Kühle des Wassers ungemein erfrischte. Dann wurden die
Schlafteppiche über die Sättel gebreitet, die als Kopfkissen dienen sollten, und
^ir versucht en zu schlummern. Allein bei aller Ermüdung brachte es keiner
^'r Bewohner unsres Zeltes zu wirklichem Schlaf. Zu der Schwüle, die
unter dem Leinwanddach weit drückender war, als draußen, kam bald ein
Kribbeln und Stechen, ein Jucken und Brennen, welches unerträglich war.
unser Nachtlicht schwirrten große, seltsam gestaltete Mücken und Fliegen,
den Zeltwänden kletterten lichtfreundliche Käfer von der Größe unsrer
Schröter. Neben uns wälzten hastig dahineilende Scarabäen geschäftig die
^üngerkugeln , in die sie ihre Eier legen, und als ich aufstand, um nach der
Ursache des Kribbelns und Jnckens zu leuchten, fand ich, daß der beim Schlaf¬
trunk verbrauchte Zucker uns ein Volk bissiger Ameisen auf den Leib gelockt
^ete. Die ganze Bettdecke war von den kleinen schwarzen Quälgeistern über¬
laufen. Ich dankte dem Himmel, daß sich nicht auch Skorpionen und Vier-
ö'Mße eingefunden hatten, eine Brut, die hier unten im tropischen Glutthal
^l>r häusig und besonders giftig sein soll, und zog es vor, die übrigen Stun¬
den der Nacht anßer dem Zelt zuzubringen.

Hier hörte ich im halben Traum dem Quarren der Frösche zu, in welches
gelegentlich, bald fern, bald nah, ein Schakal sein Geheul mischte, und ließ mich
von jenem an das eintönig gedankenlose Singen der Mönche in Jerusalem, von
diese man das klaffende Geschrei der Beduinensantasia erinnern, als ich plötzlich
durch einen Ton wach wurde, der mir wie der Schlag einer Nachtigall klang.

^ War sie es wirklich oder nicht, die Königin der deutschen Waldsänger?
sie wär es, die Holde: "Jo, iho, iho, iho! Trioto, trioto. totobrix"
flötete sie, wie in den hellenischen Myrthenhainen, wo Aristophanes ihre
Sprache lernte, wie in den Buchengcbüschen, in denen ich daheim zuerst ihrer
Lieder gelauscht. Habe Dank mock> jetzt, süßer Vogel, für dein trostvolles
S'Ngen in schwüler Wüstenrande! Mögest du auch andern deutschen Pilgern
Freude der Heimath zurückrufen unter den plärrenden Fröschen, den Mön¬
chen dieser Einöde, unter den nach Beute bellenden Schakalen, ihren vier-
füßigen Beduinen!


^gten, dabei aber immer wie vorher in dichtgeschlossner Reihe zwei Schritt
bor und zwei zurückschwankten, bis das Schauspiel damit endigte, daß sie
k'"er nach dein andern ihre Pistolen abfeuerten. Was ihre Pantomime be¬
hüte, war nicht zu errathen. Ihre wilden Gestalten aber, ihre rothangestrahl¬
ten Gesichter mit den dunkeln Barten und den blitzenden schwarzen Augen.
d>e Weißen Zähne, mit denen sie uns angrinsten, stehen mir noch jetzt lebhaft
vor der Seele.

Nach dem Tanze wurde von uns Europäern ein Bad im Bache genom¬
men, welches bei der selbst in der Nacht fast ungeschwncht fortdauernden Hitze
trotz der geringen Kühle des Wassers ungemein erfrischte. Dann wurden die
Schlafteppiche über die Sättel gebreitet, die als Kopfkissen dienen sollten, und
^ir versucht en zu schlummern. Allein bei aller Ermüdung brachte es keiner
^'r Bewohner unsres Zeltes zu wirklichem Schlaf. Zu der Schwüle, die
unter dem Leinwanddach weit drückender war, als draußen, kam bald ein
Kribbeln und Stechen, ein Jucken und Brennen, welches unerträglich war.
unser Nachtlicht schwirrten große, seltsam gestaltete Mücken und Fliegen,
den Zeltwänden kletterten lichtfreundliche Käfer von der Größe unsrer
Schröter. Neben uns wälzten hastig dahineilende Scarabäen geschäftig die
^üngerkugeln , in die sie ihre Eier legen, und als ich aufstand, um nach der
Ursache des Kribbelns und Jnckens zu leuchten, fand ich, daß der beim Schlaf¬
trunk verbrauchte Zucker uns ein Volk bissiger Ameisen auf den Leib gelockt
^ete. Die ganze Bettdecke war von den kleinen schwarzen Quälgeistern über¬
laufen. Ich dankte dem Himmel, daß sich nicht auch Skorpionen und Vier-
ö'Mße eingefunden hatten, eine Brut, die hier unten im tropischen Glutthal
^l>r häusig und besonders giftig sein soll, und zog es vor, die übrigen Stun¬
den der Nacht anßer dem Zelt zuzubringen.

Hier hörte ich im halben Traum dem Quarren der Frösche zu, in welches
gelegentlich, bald fern, bald nah, ein Schakal sein Geheul mischte, und ließ mich
von jenem an das eintönig gedankenlose Singen der Mönche in Jerusalem, von
diese man das klaffende Geschrei der Beduinensantasia erinnern, als ich plötzlich
durch einen Ton wach wurde, der mir wie der Schlag einer Nachtigall klang.

^ War sie es wirklich oder nicht, die Königin der deutschen Waldsänger?
sie wär es, die Holde: „Jo, iho, iho, iho! Trioto, trioto. totobrix"
flötete sie, wie in den hellenischen Myrthenhainen, wo Aristophanes ihre
Sprache lernte, wie in den Buchengcbüschen, in denen ich daheim zuerst ihrer
Lieder gelauscht. Habe Dank mock> jetzt, süßer Vogel, für dein trostvolles
S'Ngen in schwüler Wüstenrande! Mögest du auch andern deutschen Pilgern
Freude der Heimath zurückrufen unter den plärrenden Fröschen, den Mön¬
chen dieser Einöde, unter den nach Beute bellenden Schakalen, ihren vier-
füßigen Beduinen!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108029"/>
            <p xml:id="ID_1460" prev="#ID_1459"> ^gten, dabei aber immer wie vorher in dichtgeschlossner Reihe zwei Schritt<lb/>
bor und zwei zurückschwankten, bis das Schauspiel damit endigte, daß sie<lb/>
k'"er nach dein andern ihre Pistolen abfeuerten. Was ihre Pantomime be¬<lb/>
hüte, war nicht zu errathen. Ihre wilden Gestalten aber, ihre rothangestrahl¬<lb/>
ten Gesichter mit den dunkeln Barten und den blitzenden schwarzen Augen.<lb/>
d&gt;e Weißen Zähne, mit denen sie uns angrinsten, stehen mir noch jetzt lebhaft<lb/>
vor der Seele.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1461"> Nach dem Tanze wurde von uns Europäern ein Bad im Bache genom¬<lb/>
men, welches bei der selbst in der Nacht fast ungeschwncht fortdauernden Hitze<lb/>
trotz der geringen Kühle des Wassers ungemein erfrischte.  Dann wurden die<lb/>
Schlafteppiche über die Sättel gebreitet, die als Kopfkissen dienen sollten, und<lb/>
^ir versucht en zu schlummern.  Allein bei aller Ermüdung brachte es keiner<lb/>
^'r Bewohner unsres Zeltes zu wirklichem Schlaf.  Zu der Schwüle, die<lb/>
unter dem Leinwanddach weit drückender war, als draußen, kam bald ein<lb/>
Kribbeln und Stechen, ein Jucken und Brennen, welches unerträglich war.<lb/>
unser Nachtlicht schwirrten große, seltsam gestaltete Mücken und Fliegen,<lb/>
den Zeltwänden kletterten lichtfreundliche Käfer von der Größe unsrer<lb/>
Schröter.  Neben uns wälzten hastig dahineilende Scarabäen geschäftig die<lb/>
^üngerkugeln , in die sie ihre Eier legen, und als ich aufstand, um nach der<lb/>
Ursache des Kribbelns und Jnckens zu leuchten, fand ich, daß der beim Schlaf¬<lb/>
trunk verbrauchte Zucker uns ein Volk bissiger Ameisen auf den Leib gelockt<lb/>
^ete.  Die ganze Bettdecke war von den kleinen schwarzen Quälgeistern über¬<lb/>
laufen.  Ich dankte dem Himmel, daß sich nicht auch Skorpionen und Vier-<lb/>
ö'Mße eingefunden hatten, eine Brut, die hier unten im tropischen Glutthal<lb/>
^l&gt;r häusig und besonders giftig sein soll, und zog es vor, die übrigen Stun¬<lb/>
den der Nacht anßer dem Zelt zuzubringen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1462"> Hier hörte ich im halben Traum dem Quarren der Frösche zu, in welches<lb/>
gelegentlich, bald fern, bald nah, ein Schakal sein Geheul mischte, und ließ mich<lb/>
von jenem an das eintönig gedankenlose Singen der Mönche in Jerusalem, von<lb/>
diese man das klaffende Geschrei der Beduinensantasia erinnern, als ich plötzlich<lb/>
durch einen Ton wach wurde, der mir wie der Schlag einer Nachtigall klang.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1463"> ^  War sie es wirklich oder nicht, die Königin der deutschen Waldsänger?<lb/>
sie wär es, die Holde: &#x201E;Jo, iho, iho, iho! Trioto, trioto. totobrix"<lb/>
flötete sie, wie in den hellenischen Myrthenhainen, wo Aristophanes ihre<lb/>
Sprache lernte, wie in den Buchengcbüschen, in denen ich daheim zuerst ihrer<lb/>
Lieder gelauscht. Habe Dank mock&gt; jetzt, süßer Vogel, für dein trostvolles<lb/>
S'Ngen in schwüler Wüstenrande! Mögest du auch andern deutschen Pilgern<lb/>
Freude der Heimath zurückrufen unter den plärrenden Fröschen, den Mön¬<lb/>
chen dieser Einöde, unter den nach Beute bellenden Schakalen, ihren vier-<lb/>
füßigen Beduinen!</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0443] ^gten, dabei aber immer wie vorher in dichtgeschlossner Reihe zwei Schritt bor und zwei zurückschwankten, bis das Schauspiel damit endigte, daß sie k'"er nach dein andern ihre Pistolen abfeuerten. Was ihre Pantomime be¬ hüte, war nicht zu errathen. Ihre wilden Gestalten aber, ihre rothangestrahl¬ ten Gesichter mit den dunkeln Barten und den blitzenden schwarzen Augen. d>e Weißen Zähne, mit denen sie uns angrinsten, stehen mir noch jetzt lebhaft vor der Seele. Nach dem Tanze wurde von uns Europäern ein Bad im Bache genom¬ men, welches bei der selbst in der Nacht fast ungeschwncht fortdauernden Hitze trotz der geringen Kühle des Wassers ungemein erfrischte. Dann wurden die Schlafteppiche über die Sättel gebreitet, die als Kopfkissen dienen sollten, und ^ir versucht en zu schlummern. Allein bei aller Ermüdung brachte es keiner ^'r Bewohner unsres Zeltes zu wirklichem Schlaf. Zu der Schwüle, die unter dem Leinwanddach weit drückender war, als draußen, kam bald ein Kribbeln und Stechen, ein Jucken und Brennen, welches unerträglich war. unser Nachtlicht schwirrten große, seltsam gestaltete Mücken und Fliegen, den Zeltwänden kletterten lichtfreundliche Käfer von der Größe unsrer Schröter. Neben uns wälzten hastig dahineilende Scarabäen geschäftig die ^üngerkugeln , in die sie ihre Eier legen, und als ich aufstand, um nach der Ursache des Kribbelns und Jnckens zu leuchten, fand ich, daß der beim Schlaf¬ trunk verbrauchte Zucker uns ein Volk bissiger Ameisen auf den Leib gelockt ^ete. Die ganze Bettdecke war von den kleinen schwarzen Quälgeistern über¬ laufen. Ich dankte dem Himmel, daß sich nicht auch Skorpionen und Vier- ö'Mße eingefunden hatten, eine Brut, die hier unten im tropischen Glutthal ^l>r häusig und besonders giftig sein soll, und zog es vor, die übrigen Stun¬ den der Nacht anßer dem Zelt zuzubringen. Hier hörte ich im halben Traum dem Quarren der Frösche zu, in welches gelegentlich, bald fern, bald nah, ein Schakal sein Geheul mischte, und ließ mich von jenem an das eintönig gedankenlose Singen der Mönche in Jerusalem, von diese man das klaffende Geschrei der Beduinensantasia erinnern, als ich plötzlich durch einen Ton wach wurde, der mir wie der Schlag einer Nachtigall klang. ^ War sie es wirklich oder nicht, die Königin der deutschen Waldsänger? sie wär es, die Holde: „Jo, iho, iho, iho! Trioto, trioto. totobrix" flötete sie, wie in den hellenischen Myrthenhainen, wo Aristophanes ihre Sprache lernte, wie in den Buchengcbüschen, in denen ich daheim zuerst ihrer Lieder gelauscht. Habe Dank mock> jetzt, süßer Vogel, für dein trostvolles S'Ngen in schwüler Wüstenrande! Mögest du auch andern deutschen Pilgern Freude der Heimath zurückrufen unter den plärrenden Fröschen, den Mön¬ chen dieser Einöde, unter den nach Beute bellenden Schakalen, ihren vier- füßigen Beduinen!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/443
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/443>, abgerufen am 29.12.2024.