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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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meines deutschen Gemüths eine Flasche ulmer Bieres auf dem Tischtuch, wel¬
ches wir auf den Boden gebreitet, sicher die erste, welche in Jericho durstW
Pilger labte.¬

Unser Lager bot jetzt ein recht malerisches Bild. Die weißen Zelte zwi
schen den grünen Bäumen, über welchen sich blaue Rauchwölkchen kräuselten,
die flackernden Kochfeuer, an denen die türkisch gekleideten Dragomcme der
Russen und des Spaniers kauerten, die Gruppen der fränkischen Reisenden,
die zum Theil den landesüblichen weißen Sommcrmcmtel trugen, die Mukta-
rin, welche Brennmaterial und Beutel mit Pferdefutter herbeischleppten, d>e
Beduinen mit ihren befranzten Kopfhüllen, ihren weiß und braun gestreiften
Abajen und ihren betroddelten Rossen, ein Dutzend Pferde, die, an Pflöcke
befestigt, neben den Zelten weideten, Haufen von buntfarbigen Teppiche".
Satteldecken, Zäunen und Taschen, in den Boden gesteckte Lanzen, ein Gaul,
dem zur Strafe für widerhaariges Betragen von seinem Mull'ari der e>ne
Vorderfuß an den Hals gebunden worden, so daß er auf drei Beinen umlM
hinkte, verschleierte Weiber von Jericho, die uns Eier und Milch brachtet
halb und ganz nackter Kinderbesuch, dazu hinter und neben uns die Wüste
mit ihren Bergen, vor uns die Windungen des Baches, in denen sich d'^
weißglühende Nachmittagssonne spiegelte: man hätte ein ungemein charakt^
ristisches Gemälde daran gewinnen können.

Noch eigenthümlicher gestaltete sich das Bild, als die Nacht hereinbrach-
und die Beduinen sich anschickten, uns eine Fantasia vorzutragen. Neben dem
schwarzen Baumschlag dämmerten die drei grauen Zelte, aus deren Thüren
und durch deren Leinenwände das röthliche Licht von Kerzen schimmerte. E'"
großes Feuer von Dornen, von den Arabern in der Mitte des Lagers ange-
zündet, warf seinen Schein auf die Büsche und ließ, wo Lücken am User waren,
seine rothflammen den Reflexe aus dem Wasser züngeln. Im Hintergrund
gingen, im matten Licht des mondlosen Nachthimmels die Silhouetten umso'
Pferde und Maulthiere. Vor dem in raschem Wechsel bald hoch auflodernden,
bald zusammenschwindenden Feuer hatten sich in breiter Reihe dicht aneinander
gedrängt, die Araber aufgestellt. Ihnen gegenüber stand der Schech, die Keule
in der Hand. Ein Zeichen mit dieser Waffe, und sie begannen taktmab'S
zwei Schritte auf ihn zuzuschreiten und dann wieder rückwärts gehend am
den Ausgangspunkt zurückzukehren, wobei sie die Arme vom Ellbogen an ihm
entgegenstreckten. Ein rauhes H6e, einem Gekläff ähnlicher als einem Gesang
begleitete und regelte den einförmigen Tanz. Der Schech stand still und be-
rührte nur gelegentlich die Keule schwingend die Schulter des einen oder de
andern. Allmälig wurden ihre Bewegungen lebhafter. Der Schech sprang
ein Lied näselnd in mancherlei Wendungen aus seine Leute zu. die jetzt unter
fortgesetztem H6e bald nach rechts, bald nach links die Köpfe auf die Schulte


meines deutschen Gemüths eine Flasche ulmer Bieres auf dem Tischtuch, wel¬
ches wir auf den Boden gebreitet, sicher die erste, welche in Jericho durstW
Pilger labte.¬

Unser Lager bot jetzt ein recht malerisches Bild. Die weißen Zelte zwi
schen den grünen Bäumen, über welchen sich blaue Rauchwölkchen kräuselten,
die flackernden Kochfeuer, an denen die türkisch gekleideten Dragomcme der
Russen und des Spaniers kauerten, die Gruppen der fränkischen Reisenden,
die zum Theil den landesüblichen weißen Sommcrmcmtel trugen, die Mukta-
rin, welche Brennmaterial und Beutel mit Pferdefutter herbeischleppten, d>e
Beduinen mit ihren befranzten Kopfhüllen, ihren weiß und braun gestreiften
Abajen und ihren betroddelten Rossen, ein Dutzend Pferde, die, an Pflöcke
befestigt, neben den Zelten weideten, Haufen von buntfarbigen Teppiche".
Satteldecken, Zäunen und Taschen, in den Boden gesteckte Lanzen, ein Gaul,
dem zur Strafe für widerhaariges Betragen von seinem Mull'ari der e>ne
Vorderfuß an den Hals gebunden worden, so daß er auf drei Beinen umlM
hinkte, verschleierte Weiber von Jericho, die uns Eier und Milch brachtet
halb und ganz nackter Kinderbesuch, dazu hinter und neben uns die Wüste
mit ihren Bergen, vor uns die Windungen des Baches, in denen sich d'^
weißglühende Nachmittagssonne spiegelte: man hätte ein ungemein charakt^
ristisches Gemälde daran gewinnen können.

Noch eigenthümlicher gestaltete sich das Bild, als die Nacht hereinbrach-
und die Beduinen sich anschickten, uns eine Fantasia vorzutragen. Neben dem
schwarzen Baumschlag dämmerten die drei grauen Zelte, aus deren Thüren
und durch deren Leinenwände das röthliche Licht von Kerzen schimmerte. E'"
großes Feuer von Dornen, von den Arabern in der Mitte des Lagers ange-
zündet, warf seinen Schein auf die Büsche und ließ, wo Lücken am User waren,
seine rothflammen den Reflexe aus dem Wasser züngeln. Im Hintergrund
gingen, im matten Licht des mondlosen Nachthimmels die Silhouetten umso'
Pferde und Maulthiere. Vor dem in raschem Wechsel bald hoch auflodernden,
bald zusammenschwindenden Feuer hatten sich in breiter Reihe dicht aneinander
gedrängt, die Araber aufgestellt. Ihnen gegenüber stand der Schech, die Keule
in der Hand. Ein Zeichen mit dieser Waffe, und sie begannen taktmab'S
zwei Schritte auf ihn zuzuschreiten und dann wieder rückwärts gehend am
den Ausgangspunkt zurückzukehren, wobei sie die Arme vom Ellbogen an ihm
entgegenstreckten. Ein rauhes H6e, einem Gekläff ähnlicher als einem Gesang
begleitete und regelte den einförmigen Tanz. Der Schech stand still und be-
rührte nur gelegentlich die Keule schwingend die Schulter des einen oder de
andern. Allmälig wurden ihre Bewegungen lebhafter. Der Schech sprang
ein Lied näselnd in mancherlei Wendungen aus seine Leute zu. die jetzt unter
fortgesetztem H6e bald nach rechts, bald nach links die Köpfe auf die Schulte


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[0442] meines deutschen Gemüths eine Flasche ulmer Bieres auf dem Tischtuch, wel¬ ches wir auf den Boden gebreitet, sicher die erste, welche in Jericho durstW Pilger labte.¬ Unser Lager bot jetzt ein recht malerisches Bild. Die weißen Zelte zwi schen den grünen Bäumen, über welchen sich blaue Rauchwölkchen kräuselten, die flackernden Kochfeuer, an denen die türkisch gekleideten Dragomcme der Russen und des Spaniers kauerten, die Gruppen der fränkischen Reisenden, die zum Theil den landesüblichen weißen Sommcrmcmtel trugen, die Mukta- rin, welche Brennmaterial und Beutel mit Pferdefutter herbeischleppten, d>e Beduinen mit ihren befranzten Kopfhüllen, ihren weiß und braun gestreiften Abajen und ihren betroddelten Rossen, ein Dutzend Pferde, die, an Pflöcke befestigt, neben den Zelten weideten, Haufen von buntfarbigen Teppiche". Satteldecken, Zäunen und Taschen, in den Boden gesteckte Lanzen, ein Gaul, dem zur Strafe für widerhaariges Betragen von seinem Mull'ari der e>ne Vorderfuß an den Hals gebunden worden, so daß er auf drei Beinen umlM hinkte, verschleierte Weiber von Jericho, die uns Eier und Milch brachtet halb und ganz nackter Kinderbesuch, dazu hinter und neben uns die Wüste mit ihren Bergen, vor uns die Windungen des Baches, in denen sich d'^ weißglühende Nachmittagssonne spiegelte: man hätte ein ungemein charakt^ ristisches Gemälde daran gewinnen können. Noch eigenthümlicher gestaltete sich das Bild, als die Nacht hereinbrach- und die Beduinen sich anschickten, uns eine Fantasia vorzutragen. Neben dem schwarzen Baumschlag dämmerten die drei grauen Zelte, aus deren Thüren und durch deren Leinenwände das röthliche Licht von Kerzen schimmerte. E'" großes Feuer von Dornen, von den Arabern in der Mitte des Lagers ange- zündet, warf seinen Schein auf die Büsche und ließ, wo Lücken am User waren, seine rothflammen den Reflexe aus dem Wasser züngeln. Im Hintergrund gingen, im matten Licht des mondlosen Nachthimmels die Silhouetten umso' Pferde und Maulthiere. Vor dem in raschem Wechsel bald hoch auflodernden, bald zusammenschwindenden Feuer hatten sich in breiter Reihe dicht aneinander gedrängt, die Araber aufgestellt. Ihnen gegenüber stand der Schech, die Keule in der Hand. Ein Zeichen mit dieser Waffe, und sie begannen taktmab'S zwei Schritte auf ihn zuzuschreiten und dann wieder rückwärts gehend am den Ausgangspunkt zurückzukehren, wobei sie die Arme vom Ellbogen an ihm entgegenstreckten. Ein rauhes H6e, einem Gekläff ähnlicher als einem Gesang begleitete und regelte den einförmigen Tanz. Der Schech stand still und be- rührte nur gelegentlich die Keule schwingend die Schulter des einen oder de andern. Allmälig wurden ihre Bewegungen lebhafter. Der Schech sprang ein Lied näselnd in mancherlei Wendungen aus seine Leute zu. die jetzt unter fortgesetztem H6e bald nach rechts, bald nach links die Köpfe auf die Schulte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/442>, abgerufen am 23.07.2024.