Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht schriftlich gemacht, oder wenn das geschieht. Wirdeinfach geschrieben
, 66 Pfand sei um Fi. hundert verkauft worden und könne um denselben Preis
vier Wochen zurückgenommen werden.

Man sieht, wie vortheilhaft dieses für den Gläubiger und wie gefährlich
^ für den Schuldner ist. welcher dadurch jenem widerstandslos in die Hände
g^eben ist. Darum wird diese Täuschung härter bestraft.

Sodann unterliegt der gewerbsmäßige Wucher einer Strafschürfung.

Es erhellt hieraus, wie dehnbar der Begriff "Wucher" ist. Nehmen wir
Zu>n Beispiel an, es braucht ein Geschäftsmann, um einen vortheilhaften Ac-
abschließen zu können, plötzlich ein Kapitälchen von hundert Thalern.
^ geht zu seinem Nachbar, welcher Geld daliegen hat, erhält die gesuchte
^nimme und trägt sie nach zwei Monaten wieder ab. Der Gläubiger läßt
^ zwei Thaler als Zinsen geben und begeht damit das Verbrechen des Zins¬
wuchers, weil das in Wahrheit zwölf Procent Zinsen sind.

Nehmen wir aber das obige Beispiel des verkleideten Wuchers an. wo
^' Darleiher sich in vier Wochen zehn Procent geben läßt. Nach den ver¬
abredeten vier Wochen kann er die Schuld nicht abtragen, er muß für den
Agenten Monat abermals zehn Procent geben, das macht also auf das Jahr
Rechnet hundertzwanzig Procent; -- auch dieses ist Zinswucher. Jenes kann
^Kast werden, es ist ein offen vorliegendes Geschäft, dieses entgeht dem
^'cifnchter trotz aller Gesetze, weil der Wucher verkleidet ist, sonach nicht
/n)>e>er werden kann, denn der Wucherer leidet bei dem Geschäft keine
Zeugen.-,, ,'is n, it'i^'^

Ich habe wol nicht nöthig, auf den großen Unterschied dieser beiden Fälle
füglich der Anwendung der Wuchergesetze aufmerksam zu machen. Hier
Arde das Einschreiten des Strafrichters, wenn das Vergehen constatirt werden
, "Ule, vielleicht wohlthätige, wenigstens abschreckende Folgen haben, dort in
Indern Falle dem unbemittelten Geschäftsmann Schaden bringen, denn in dem
^esse vorkommenden Nothfall würde er sich auf diese leichte Weise gewiß
"^t helfen können.

Dies berücksichtigend, hatte die zur Begutachtung der Frage aufgeforderte
^ndelskammer in Bremen ihre Meinung dahin ausgesprochen, es sei auf alle
le erst festzustellen, wo der erlaubte Handel aufhöre, wo also derWuchcr beginne,
genaue Untersuchung führte aber zu dem Resultat, daß die Aufstellung
uner Grenzlinie nicht möglich sei. Daraus ergab sich von selbst der Antrag.
fraglichen Gesetze aufzuheben. Die beinahe einstimmige Erklärung gegen
'e Wuchergesetze, welche die"wirthschaftliche Gesellschaft für Nordwestdeutschland"
^ 28. Februar dieses Jahres auf ihrer ersten Versammlung in Bremen ab-
^gellen hat, wird da. wo noch Zweifel bestehen, nicht ohne Nachwirkung
^ihm. Bevor sich die deutschen Landwirthe vorigen Herbst in Braunschweig,Eine


nicht schriftlich gemacht, oder wenn das geschieht. Wirdeinfach geschrieben
, 66 Pfand sei um Fi. hundert verkauft worden und könne um denselben Preis
vier Wochen zurückgenommen werden.

Man sieht, wie vortheilhaft dieses für den Gläubiger und wie gefährlich
^ für den Schuldner ist. welcher dadurch jenem widerstandslos in die Hände
g^eben ist. Darum wird diese Täuschung härter bestraft.

Sodann unterliegt der gewerbsmäßige Wucher einer Strafschürfung.

Es erhellt hieraus, wie dehnbar der Begriff „Wucher" ist. Nehmen wir
Zu>n Beispiel an, es braucht ein Geschäftsmann, um einen vortheilhaften Ac-
abschließen zu können, plötzlich ein Kapitälchen von hundert Thalern.
^ geht zu seinem Nachbar, welcher Geld daliegen hat, erhält die gesuchte
^nimme und trägt sie nach zwei Monaten wieder ab. Der Gläubiger läßt
^ zwei Thaler als Zinsen geben und begeht damit das Verbrechen des Zins¬
wuchers, weil das in Wahrheit zwölf Procent Zinsen sind.

Nehmen wir aber das obige Beispiel des verkleideten Wuchers an. wo
^' Darleiher sich in vier Wochen zehn Procent geben läßt. Nach den ver¬
abredeten vier Wochen kann er die Schuld nicht abtragen, er muß für den
Agenten Monat abermals zehn Procent geben, das macht also auf das Jahr
Rechnet hundertzwanzig Procent; — auch dieses ist Zinswucher. Jenes kann
^Kast werden, es ist ein offen vorliegendes Geschäft, dieses entgeht dem
^'cifnchter trotz aller Gesetze, weil der Wucher verkleidet ist, sonach nicht
/n)>e>er werden kann, denn der Wucherer leidet bei dem Geschäft keine
Zeugen.-,, ,'is n, it'i^'^

Ich habe wol nicht nöthig, auf den großen Unterschied dieser beiden Fälle
füglich der Anwendung der Wuchergesetze aufmerksam zu machen. Hier
Arde das Einschreiten des Strafrichters, wenn das Vergehen constatirt werden
, "Ule, vielleicht wohlthätige, wenigstens abschreckende Folgen haben, dort in
Indern Falle dem unbemittelten Geschäftsmann Schaden bringen, denn in dem
^esse vorkommenden Nothfall würde er sich auf diese leichte Weise gewiß
"^t helfen können.

Dies berücksichtigend, hatte die zur Begutachtung der Frage aufgeforderte
^ndelskammer in Bremen ihre Meinung dahin ausgesprochen, es sei auf alle
le erst festzustellen, wo der erlaubte Handel aufhöre, wo also derWuchcr beginne,
genaue Untersuchung führte aber zu dem Resultat, daß die Aufstellung
uner Grenzlinie nicht möglich sei. Daraus ergab sich von selbst der Antrag.
fraglichen Gesetze aufzuheben. Die beinahe einstimmige Erklärung gegen
'e Wuchergesetze, welche die„wirthschaftliche Gesellschaft für Nordwestdeutschland"
^ 28. Februar dieses Jahres auf ihrer ersten Versammlung in Bremen ab-
^gellen hat, wird da. wo noch Zweifel bestehen, nicht ohne Nachwirkung
^ihm. Bevor sich die deutschen Landwirthe vorigen Herbst in Braunschweig,Eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107991"/>
          <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> nicht schriftlich gemacht, oder wenn das geschieht. Wirdeinfach geschrieben<lb/>
, 66 Pfand sei um Fi. hundert verkauft worden und könne um denselben Preis<lb/>
vier Wochen zurückgenommen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1318"> Man sieht, wie vortheilhaft dieses für den Gläubiger und wie gefährlich<lb/>
^ für den Schuldner ist. welcher dadurch jenem widerstandslos in die Hände<lb/>
g^eben ist.  Darum wird diese Täuschung härter bestraft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1319"> Sodann unterliegt der gewerbsmäßige Wucher einer Strafschürfung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1320"> Es erhellt hieraus, wie dehnbar der Begriff &#x201E;Wucher" ist. Nehmen wir<lb/>
Zu&gt;n Beispiel an, es braucht ein Geschäftsmann, um einen vortheilhaften Ac-<lb/>
abschließen zu können, plötzlich ein Kapitälchen von hundert Thalern.<lb/>
^ geht zu seinem Nachbar, welcher Geld daliegen hat, erhält die gesuchte<lb/>
^nimme und trägt sie nach zwei Monaten wieder ab. Der Gläubiger läßt<lb/>
^ zwei Thaler als Zinsen geben und begeht damit das Verbrechen des Zins¬<lb/>
wuchers, weil das in Wahrheit zwölf Procent Zinsen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1321"> Nehmen wir aber das obige Beispiel des verkleideten Wuchers an. wo<lb/>
^' Darleiher sich in vier Wochen zehn Procent geben läßt.  Nach den ver¬<lb/>
abredeten vier Wochen kann er die Schuld nicht abtragen, er muß für den<lb/>
Agenten Monat abermals zehn Procent geben, das macht also auf das Jahr<lb/>
Rechnet hundertzwanzig Procent; &#x2014; auch dieses ist Zinswucher. Jenes kann<lb/>
^Kast werden, es ist ein offen vorliegendes Geschäft, dieses entgeht dem<lb/>
^'cifnchter trotz aller Gesetze, weil der Wucher verkleidet ist, sonach nicht<lb/>
/n)&gt;e&gt;er werden kann, denn der Wucherer leidet bei dem Geschäft keine<lb/>
Zeugen.-,, ,'is n, it'i^'^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1322"> Ich habe wol nicht nöthig, auf den großen Unterschied dieser beiden Fälle<lb/>
füglich der Anwendung der Wuchergesetze aufmerksam zu machen. Hier<lb/>
Arde das Einschreiten des Strafrichters, wenn das Vergehen constatirt werden<lb/>
, "Ule, vielleicht wohlthätige, wenigstens abschreckende Folgen haben, dort in<lb/>
Indern Falle dem unbemittelten Geschäftsmann Schaden bringen, denn in dem<lb/>
^esse vorkommenden Nothfall würde er sich auf diese leichte Weise gewiß<lb/>
"^t helfen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1323" next="#ID_1324"> Dies berücksichtigend, hatte die zur Begutachtung der Frage aufgeforderte<lb/>
^ndelskammer in Bremen ihre Meinung dahin ausgesprochen, es sei auf alle<lb/>
le erst festzustellen, wo der erlaubte Handel aufhöre, wo also derWuchcr beginne,<lb/>
genaue Untersuchung führte aber zu dem Resultat, daß die Aufstellung<lb/>
uner Grenzlinie nicht möglich sei.  Daraus ergab sich von selbst der Antrag.<lb/>
fraglichen Gesetze aufzuheben.  Die beinahe einstimmige Erklärung gegen<lb/>
'e Wuchergesetze, welche die&#x201E;wirthschaftliche Gesellschaft für Nordwestdeutschland"<lb/>
^ 28. Februar dieses Jahres auf ihrer ersten Versammlung in Bremen ab-<lb/>
^gellen hat, wird da. wo noch Zweifel bestehen, nicht ohne Nachwirkung<lb/>
^ihm.  Bevor sich die deutschen Landwirthe vorigen Herbst in Braunschweig,Eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] nicht schriftlich gemacht, oder wenn das geschieht. Wirdeinfach geschrieben , 66 Pfand sei um Fi. hundert verkauft worden und könne um denselben Preis vier Wochen zurückgenommen werden. Man sieht, wie vortheilhaft dieses für den Gläubiger und wie gefährlich ^ für den Schuldner ist. welcher dadurch jenem widerstandslos in die Hände g^eben ist. Darum wird diese Täuschung härter bestraft. Sodann unterliegt der gewerbsmäßige Wucher einer Strafschürfung. Es erhellt hieraus, wie dehnbar der Begriff „Wucher" ist. Nehmen wir Zu>n Beispiel an, es braucht ein Geschäftsmann, um einen vortheilhaften Ac- abschließen zu können, plötzlich ein Kapitälchen von hundert Thalern. ^ geht zu seinem Nachbar, welcher Geld daliegen hat, erhält die gesuchte ^nimme und trägt sie nach zwei Monaten wieder ab. Der Gläubiger läßt ^ zwei Thaler als Zinsen geben und begeht damit das Verbrechen des Zins¬ wuchers, weil das in Wahrheit zwölf Procent Zinsen sind. Nehmen wir aber das obige Beispiel des verkleideten Wuchers an. wo ^' Darleiher sich in vier Wochen zehn Procent geben läßt. Nach den ver¬ abredeten vier Wochen kann er die Schuld nicht abtragen, er muß für den Agenten Monat abermals zehn Procent geben, das macht also auf das Jahr Rechnet hundertzwanzig Procent; — auch dieses ist Zinswucher. Jenes kann ^Kast werden, es ist ein offen vorliegendes Geschäft, dieses entgeht dem ^'cifnchter trotz aller Gesetze, weil der Wucher verkleidet ist, sonach nicht /n)>e>er werden kann, denn der Wucherer leidet bei dem Geschäft keine Zeugen.-,, ,'is n, it'i^'^ Ich habe wol nicht nöthig, auf den großen Unterschied dieser beiden Fälle füglich der Anwendung der Wuchergesetze aufmerksam zu machen. Hier Arde das Einschreiten des Strafrichters, wenn das Vergehen constatirt werden , "Ule, vielleicht wohlthätige, wenigstens abschreckende Folgen haben, dort in Indern Falle dem unbemittelten Geschäftsmann Schaden bringen, denn in dem ^esse vorkommenden Nothfall würde er sich auf diese leichte Weise gewiß "^t helfen können. Dies berücksichtigend, hatte die zur Begutachtung der Frage aufgeforderte ^ndelskammer in Bremen ihre Meinung dahin ausgesprochen, es sei auf alle le erst festzustellen, wo der erlaubte Handel aufhöre, wo also derWuchcr beginne, genaue Untersuchung führte aber zu dem Resultat, daß die Aufstellung uner Grenzlinie nicht möglich sei. Daraus ergab sich von selbst der Antrag. fraglichen Gesetze aufzuheben. Die beinahe einstimmige Erklärung gegen 'e Wuchergesetze, welche die„wirthschaftliche Gesellschaft für Nordwestdeutschland" ^ 28. Februar dieses Jahres auf ihrer ersten Versammlung in Bremen ab- ^gellen hat, wird da. wo noch Zweifel bestehen, nicht ohne Nachwirkung ^ihm. Bevor sich die deutschen Landwirthe vorigen Herbst in Braunschweig,Eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/405>, abgerufen am 29.06.2024.