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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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laut eine sichere Beute des Unthiers wird. Dieses aber schreitet lächelnd
über die zerfleischten Leichen der Schlachtopfer und eilt zu neuen Siegen, an
denen es allen Wuchergesetzen zum Trotz nicht fehlen wird, so lange die
Herrschaft des Capitals besteht; denn immerdar klebt am Rande des Ueber-
flusses der größte Mangel und da es dem Philantropismus so wenig w>e
der Staatswirthschaftslehre bisher gelang, auch nicht gelingen wird, dieses
schreiende Mißverhältnis auszugleichen, so wird dem Wucher sein so ergiebiges
Erntefeld nie entgehen."-

Wenn das wirklich der Wucher wäre und nur dieses, dann wäre es alle>
dings nöthig, nicht nur die denselben verdammenden Gesetze bestehen zu lassen,
sondern auch sie zu schärfen, denn ein solches Beginnen könnte nicht streng
genug bestraft werden. Das ist aber eine poetische Fiction, der Wucher sie^
ganz anders aus; er hat mit diesem haarsträubenden Bild nur in einzelnen
Fällen seiner Ausschreitung einige Aehnlichkeit.

Die Strafrechtslehrcr sagen einfach: Wer einen andern in Kreditgeschäfts
durch einen von den bürgerlichen Gesetzen für wunderlich erklärten Vertrag
übervortheilt, macht sich des Wuchers schuldig.

sowol das römische Recht, wie die deutschen Reichsgesetze und die on^
schiedenen particularrechtlichen Bestimmungen setzen als Regel bei einfachen
Darlehnsgeschäften den Zinsfuß zu fünf vom Hundert fest und verordnen,
daß eine Überschreitung desselben als unerlaubter Zinswucher anzusehen s^''
jedoch findet schon bei den ordentlichen zinsbaren Darlehen eine Ausnahme
in Ansehung des sechsten Zinsthalers statt. Neben dem enthalten jene Gehabe
ausnahmsweise Bestimmungen, wonach in einzelnen, besonders hervorgehe
denen Fällen acht und selbst zwölf Procent Zinsen zu bedingen gestattet ist u. s-

Besonders strafbar ist der sogenannte "verkleidete" Wucher. Verkleidet
wird jener wunderliche Vertrag genannt, bei welchem daS wahre Verhaltn'!
der Zinsen zum Capital nicht unmittelbar aus dem Contract selbst mit Be^
heimathen und Klarheit ersehen werden kann. Hierher gehört insbesondre
der Verkauf mit Vorbelmlt des Wiederkaufs. Der Darleiher, welcher gege"
ein beliebiges Faustpfand hundert Thaler aus vier Wochen herleiht un^i^
zehn vom Hundert Zinsen für diese kurze Frist bedingt, nimmt also im ^a)
hundertzwanzig Procent -- das ist ein einfacher Wucher --; würde der ^n
lehner nach Ablauf der bedungenen Frist das Darlehen nicht zurückzahlen, !^
wäre der Gläubiger gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen,
Wucher würde dadurch lautbar und könnte und würde der gesetzlichen Ser
nicht entgehen. Um diesem vorzubeugen, wird der wunderliche Vertrag on^
kleidet, das heißt unkenntlich gemacht. Der Darleiher kauft das Fam '
Pfand dem Entlehner um neunzig Fi. ab. und gestattet demselben, es n
vier Wochen um hundert Fi. zurückzukaufen. Entweder wird dieser Ve


laut eine sichere Beute des Unthiers wird. Dieses aber schreitet lächelnd
über die zerfleischten Leichen der Schlachtopfer und eilt zu neuen Siegen, an
denen es allen Wuchergesetzen zum Trotz nicht fehlen wird, so lange die
Herrschaft des Capitals besteht; denn immerdar klebt am Rande des Ueber-
flusses der größte Mangel und da es dem Philantropismus so wenig w>e
der Staatswirthschaftslehre bisher gelang, auch nicht gelingen wird, dieses
schreiende Mißverhältnis auszugleichen, so wird dem Wucher sein so ergiebiges
Erntefeld nie entgehen."-

Wenn das wirklich der Wucher wäre und nur dieses, dann wäre es alle>
dings nöthig, nicht nur die denselben verdammenden Gesetze bestehen zu lassen,
sondern auch sie zu schärfen, denn ein solches Beginnen könnte nicht streng
genug bestraft werden. Das ist aber eine poetische Fiction, der Wucher sie^
ganz anders aus; er hat mit diesem haarsträubenden Bild nur in einzelnen
Fällen seiner Ausschreitung einige Aehnlichkeit.

Die Strafrechtslehrcr sagen einfach: Wer einen andern in Kreditgeschäfts
durch einen von den bürgerlichen Gesetzen für wunderlich erklärten Vertrag
übervortheilt, macht sich des Wuchers schuldig.

sowol das römische Recht, wie die deutschen Reichsgesetze und die on^
schiedenen particularrechtlichen Bestimmungen setzen als Regel bei einfachen
Darlehnsgeschäften den Zinsfuß zu fünf vom Hundert fest und verordnen,
daß eine Überschreitung desselben als unerlaubter Zinswucher anzusehen s^''
jedoch findet schon bei den ordentlichen zinsbaren Darlehen eine Ausnahme
in Ansehung des sechsten Zinsthalers statt. Neben dem enthalten jene Gehabe
ausnahmsweise Bestimmungen, wonach in einzelnen, besonders hervorgehe
denen Fällen acht und selbst zwölf Procent Zinsen zu bedingen gestattet ist u. s-

Besonders strafbar ist der sogenannte „verkleidete" Wucher. Verkleidet
wird jener wunderliche Vertrag genannt, bei welchem daS wahre Verhaltn'!
der Zinsen zum Capital nicht unmittelbar aus dem Contract selbst mit Be^
heimathen und Klarheit ersehen werden kann. Hierher gehört insbesondre
der Verkauf mit Vorbelmlt des Wiederkaufs. Der Darleiher, welcher gege"
ein beliebiges Faustpfand hundert Thaler aus vier Wochen herleiht un^i^
zehn vom Hundert Zinsen für diese kurze Frist bedingt, nimmt also im ^a)
hundertzwanzig Procent — das ist ein einfacher Wucher —; würde der ^n
lehner nach Ablauf der bedungenen Frist das Darlehen nicht zurückzahlen, !^
wäre der Gläubiger gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen,
Wucher würde dadurch lautbar und könnte und würde der gesetzlichen Ser
nicht entgehen. Um diesem vorzubeugen, wird der wunderliche Vertrag on^
kleidet, das heißt unkenntlich gemacht. Der Darleiher kauft das Fam '
Pfand dem Entlehner um neunzig Fi. ab. und gestattet demselben, es n
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[0404] laut eine sichere Beute des Unthiers wird. Dieses aber schreitet lächelnd über die zerfleischten Leichen der Schlachtopfer und eilt zu neuen Siegen, an denen es allen Wuchergesetzen zum Trotz nicht fehlen wird, so lange die Herrschaft des Capitals besteht; denn immerdar klebt am Rande des Ueber- flusses der größte Mangel und da es dem Philantropismus so wenig w>e der Staatswirthschaftslehre bisher gelang, auch nicht gelingen wird, dieses schreiende Mißverhältnis auszugleichen, so wird dem Wucher sein so ergiebiges Erntefeld nie entgehen."- Wenn das wirklich der Wucher wäre und nur dieses, dann wäre es alle> dings nöthig, nicht nur die denselben verdammenden Gesetze bestehen zu lassen, sondern auch sie zu schärfen, denn ein solches Beginnen könnte nicht streng genug bestraft werden. Das ist aber eine poetische Fiction, der Wucher sie^ ganz anders aus; er hat mit diesem haarsträubenden Bild nur in einzelnen Fällen seiner Ausschreitung einige Aehnlichkeit. Die Strafrechtslehrcr sagen einfach: Wer einen andern in Kreditgeschäfts durch einen von den bürgerlichen Gesetzen für wunderlich erklärten Vertrag übervortheilt, macht sich des Wuchers schuldig. sowol das römische Recht, wie die deutschen Reichsgesetze und die on^ schiedenen particularrechtlichen Bestimmungen setzen als Regel bei einfachen Darlehnsgeschäften den Zinsfuß zu fünf vom Hundert fest und verordnen, daß eine Überschreitung desselben als unerlaubter Zinswucher anzusehen s^'' jedoch findet schon bei den ordentlichen zinsbaren Darlehen eine Ausnahme in Ansehung des sechsten Zinsthalers statt. Neben dem enthalten jene Gehabe ausnahmsweise Bestimmungen, wonach in einzelnen, besonders hervorgehe denen Fällen acht und selbst zwölf Procent Zinsen zu bedingen gestattet ist u. s- Besonders strafbar ist der sogenannte „verkleidete" Wucher. Verkleidet wird jener wunderliche Vertrag genannt, bei welchem daS wahre Verhaltn'! der Zinsen zum Capital nicht unmittelbar aus dem Contract selbst mit Be^ heimathen und Klarheit ersehen werden kann. Hierher gehört insbesondre der Verkauf mit Vorbelmlt des Wiederkaufs. Der Darleiher, welcher gege" ein beliebiges Faustpfand hundert Thaler aus vier Wochen herleiht un^i^ zehn vom Hundert Zinsen für diese kurze Frist bedingt, nimmt also im ^a) hundertzwanzig Procent — das ist ein einfacher Wucher —; würde der ^n lehner nach Ablauf der bedungenen Frist das Darlehen nicht zurückzahlen, !^ wäre der Gläubiger gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, Wucher würde dadurch lautbar und könnte und würde der gesetzlichen Ser nicht entgehen. Um diesem vorzubeugen, wird der wunderliche Vertrag on^ kleidet, das heißt unkenntlich gemacht. Der Darleiher kauft das Fam ' Pfand dem Entlehner um neunzig Fi. ab. und gestattet demselben, es n vier Wochen um hundert Fi. zurückzukaufen. Entweder wird dieser Ve

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/404>, abgerufen am 25.08.2024.