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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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mehre tausend an der Zahl, emanes ig gegen das Wucherverbot aussprachen,
galt das landwirtschaftliche Interesse dafür, einer Aufhebung im Wege zu
stehen. Von den Landwirthen ist man dann auf den Handwerkerstand ver¬
fallen. Dieses letzte Borurtheil zu zerstören, war denn auch das hauptsächliche
Bestreben in Bremen, wie schon kurz vorher der "wirthschaftliche Gewcrbver-
ein" in Hannover sich kräftig dafür bemüht hatte. Man sah ein und sprach
sich entschieden dahin aus. daß weit entfernt, das Creditbedürfniß der Hand¬
werker vor gewinnsüchtiger Ausbeutung zu sichern, jene Gesetze vielmehr dem
Handwerker allen sichern und billigen Credit benehmen. Ihr Dasein hat
die Vorschubvereine nothwendig gemacht, ihre ungerechtfertigte Auslegung
und Anwendung hat sogar jene so überaus wohlthätigen Vereine in ihrer
schönsten Entwicklung (in Hannover) gestört, und damit alle unbemittelte Geld-
bedürftige dem schnöden strafwürdiger Wucher in die Hände geliefert.

Von besonderem Interesse war es. in Bremen zu hören, daß der dortige Ge-
werbeconvent -- sonst sehr zünftig gesinnt --einstimmig für die Aufhebung des
Wucherverbotcs gestimmt habe. In Bremen ist es nun seit Neujahr, in deM
Großherzogthum Oldenburg seit vorigem Sommer aufgehoben, und weder
in dem ackerbautreibenden Großherzogthum, noch in dem gewerbereichen Welt'
Handelsplatz haben sich bisher die geringsten nachteiligen Folgen ergeben-

In dem Großherzogthum Sachsen-Weimar ist das Wucherverbot schon
eine Zeit lang versuchsweise außer Wirksamkeit gesetzt, und der 1. August
dieses Jahres als Endziel der Suspension bestimmt gewesen. Die Regierung
brachte nun im April dieses Jahres einen Gesetzentwurf in die Kaminer,
welcher einfach folgendermaßen lautete:

"Die gesetzlichen Bestimmungen über Beschränkung des Zinsfußes bleiben
auch vom 1. August 1859 an bis auf weiteres außer Kraft/'

Die Motive heben ausdrücklich hervor, daß die seitherige Suspcnsio"
dieser Gesetze gar keine nachtheiligen Folgen geäußert, daß man aber mit de¬
finitiver Aufhebung der Wuchergesetze noch nicht vorgegangen sei, weil gegen¬
wärtig Berathungen über Herstellung eines Civilgesetzbuchs für das Königreich
Sachsen und die sächsischen Herzogtümer im Gange'seien, auch die Gerichts
einheit mit den schwarzburgischen Fürstentümern dies nicht zulässig erscheine"
ließen.

Mehre Gesetzgebungen betrachten den Wucher als einfaches P"l'z^
vergehn. z. B. Luzern, Nassau, Hannover u. s. w. In dem Großherzogthum
Hessen folgt Bestrafung nur auf Antrag des Beschädigtem, und das Straf¬
gesetzbuch vom Jahre 1841 hat als Strafe des einfachen Wuchers nur den
zwei- bis vierfachen Betrag des bezogenen unerlaubten Vortheils. In Frank'
reich wurde durch das Gesetz vom 27. December 1850 das strenge Wucher'
gcsetz vom 3. September 1807 bedeutend gemildert und in neuester Zeit


mehre tausend an der Zahl, emanes ig gegen das Wucherverbot aussprachen,
galt das landwirtschaftliche Interesse dafür, einer Aufhebung im Wege zu
stehen. Von den Landwirthen ist man dann auf den Handwerkerstand ver¬
fallen. Dieses letzte Borurtheil zu zerstören, war denn auch das hauptsächliche
Bestreben in Bremen, wie schon kurz vorher der „wirthschaftliche Gewcrbver-
ein" in Hannover sich kräftig dafür bemüht hatte. Man sah ein und sprach
sich entschieden dahin aus. daß weit entfernt, das Creditbedürfniß der Hand¬
werker vor gewinnsüchtiger Ausbeutung zu sichern, jene Gesetze vielmehr dem
Handwerker allen sichern und billigen Credit benehmen. Ihr Dasein hat
die Vorschubvereine nothwendig gemacht, ihre ungerechtfertigte Auslegung
und Anwendung hat sogar jene so überaus wohlthätigen Vereine in ihrer
schönsten Entwicklung (in Hannover) gestört, und damit alle unbemittelte Geld-
bedürftige dem schnöden strafwürdiger Wucher in die Hände geliefert.

Von besonderem Interesse war es. in Bremen zu hören, daß der dortige Ge-
werbeconvent — sonst sehr zünftig gesinnt —einstimmig für die Aufhebung des
Wucherverbotcs gestimmt habe. In Bremen ist es nun seit Neujahr, in deM
Großherzogthum Oldenburg seit vorigem Sommer aufgehoben, und weder
in dem ackerbautreibenden Großherzogthum, noch in dem gewerbereichen Welt'
Handelsplatz haben sich bisher die geringsten nachteiligen Folgen ergeben-

In dem Großherzogthum Sachsen-Weimar ist das Wucherverbot schon
eine Zeit lang versuchsweise außer Wirksamkeit gesetzt, und der 1. August
dieses Jahres als Endziel der Suspension bestimmt gewesen. Die Regierung
brachte nun im April dieses Jahres einen Gesetzentwurf in die Kaminer,
welcher einfach folgendermaßen lautete:

„Die gesetzlichen Bestimmungen über Beschränkung des Zinsfußes bleiben
auch vom 1. August 1859 an bis auf weiteres außer Kraft/'

Die Motive heben ausdrücklich hervor, daß die seitherige Suspcnsio"
dieser Gesetze gar keine nachtheiligen Folgen geäußert, daß man aber mit de¬
finitiver Aufhebung der Wuchergesetze noch nicht vorgegangen sei, weil gegen¬
wärtig Berathungen über Herstellung eines Civilgesetzbuchs für das Königreich
Sachsen und die sächsischen Herzogtümer im Gange'seien, auch die Gerichts
einheit mit den schwarzburgischen Fürstentümern dies nicht zulässig erscheine«
ließen.

Mehre Gesetzgebungen betrachten den Wucher als einfaches P"l'z^
vergehn. z. B. Luzern, Nassau, Hannover u. s. w. In dem Großherzogthum
Hessen folgt Bestrafung nur auf Antrag des Beschädigtem, und das Straf¬
gesetzbuch vom Jahre 1841 hat als Strafe des einfachen Wuchers nur den
zwei- bis vierfachen Betrag des bezogenen unerlaubten Vortheils. In Frank'
reich wurde durch das Gesetz vom 27. December 1850 das strenge Wucher'
gcsetz vom 3. September 1807 bedeutend gemildert und in neuester Zeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/406>, abgerufen am 26.06.2024.